Presseschau zum TV-Triell - Laschet bissig, Scholz schläfrig

Das erste TV-Triell in der Geschichte Deutschlands: Armin Laschet von der CDU, Annalena Baerbock von den Grünen und Olaf Scholz von der SPD traten gegeneinander an – und hätten unterschiedlicher nicht bewertet werden können. Eine Presseschau.

Die Kanzlerkandidaten Armin Laschet, Annalena Baerbock und Olaf Scholz im Fernseh-Studio / dpa
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Frankfurter Allgemeine: „Am Anfang sah alles nach Harmonie aus“

„Die Moderatorin und der Moderator von RTL wollten von Baerbock, Scholz und Laschet wissen, warum die anderen ‚nicht Kanzler können‘. Als hätten sie sich abgesprochen, winkten alle Drei ab. Das sei schlechter Stil, man wolle lieber für das werben, was man selbst könne. Doch als die einzelnen Themen aufgerufen wurden, war es mit der Harmonie schnell vorbei“, analysiert das Blatt und hebt dabei als Beispiel die Afghanistan- und die Klimapolitik hervor.

Weiter heißt es: „Baerbock, Scholz und Laschet sind im Wahlkampf schon viel aufgetreten. Auch schon zu dritt. Doch die großen Fernsehauftritte zur besten Sendezeit wurden aufgespart. In der Union, in der viele tief verunsichert sind, weil ihr Kanzlerkandidat in den Umfragen so tief gesunken ist, setzen so manche auf die Trielle.“

Der Tagesspiegel: „Drei Mal Nein zum Start“

Der Tagesspiegel aus Berlin schreibt: „Von der Trump-Zeit geprägte US-Journalisten, die das Triell verfolgen, sind ganz überrascht über eine so wohltuende politische Kultur, dass keiner der Drei den anderen schlechtmachen will.“ Denn der Frage, warum der oder die jeweils andere nicht das Zeug zum Kanzler habe, weichen alle drei Kandidaten aus.

„Scholz mit staatsmännischer Attitüde und schwarzer Krawatte braucht deutlich länger, um hineinzufinden – macht dann aber klare Versprechen in Sachen Mehrwertsteuer und Renteneintrittsalter. Baerbock ist die erfrischendste und mit klarer Botschaft, sie stehe hier, weil sie zutiefst überzeugt sei: „‚Unser Land kann mehr‘“, heißt es weiter.

Im Schlusswort wirbt Laschet mit Standhaftigkeit: „Gegenwind habe ich immer wieder gespürt, auch jetzt. Ein klares Aufbruchssignal kann er nicht vermitteln. Zudem spricht er von einem Wind des Wandels mit ihm und der CDU – aber die hat ja 16 Jahre lange mit Angela Merkel regiert.“

Die Süddeutsche: „Das Triell hat das Rennen ums Kanzleramt noch einmal spannender gemacht“

Ähnlich wie der Tagesspiegel kommentiert auch die Süddeutsche das Triell: „Laschet kann doch leidenschaftlich kämpfen, Baerbock darf wieder über Inhalte streiten, und Scholz gibt den Buddha-gleichen Merkelianer. Das Triell hat das Rennen ums Kanzleramt noch einmal spannender gemacht.“

Der Spiegel: „Laschet verliert“

Dem Spiegel zufolge geht Laschet als klarer Verlierer aus dem Triell hervor. Dieser habe dort eher wie ein „grimmiger Underdog“ gewirkt – sei wegen mangelnden Erfolges innerhalb der Partei besonders auf „Attacke gebürstet“. „Der Mann wirkte phasenweise wie der Vertreter einer Partei, dem es durch Umfrageglück gerade noch so gelungen ist, als Dritter einen Platz in der TV-Debatte ergattert zu haben. Laschet war nicht, was er dem Selbstverständnis von CDU und CSU nach hätte sein müssen: der Favorit“, heißt es weiter.

„Als solcher, nämlich als Amtsinhaber, inszenierte sich Olaf Scholz. Er tat das auf eine sehr scholzige Art: Er überraschte nicht, enttäuschte aber auch nicht.“

Neue Züricher Zeitung: „Scholz schläfrig“

„Laschet nahm in Kauf, als Besserwisser zu erscheinen“, schreibt die Neue Züricher Zeitung (NZZ). Weiter schreibt sie: „Während Armin Laschet und Annalena Baerbock kämpfen, angreifen und kontern, hat es sich Olaf Scholz im Schlafwagen gemütlich gemacht.“

Abschließend heißt es, Scholz habe das Triell verloren, Laschet sei „Überraschungssieger“.

Rhein-Zeitung: Wahlkampf mit der Afghanistan-Krise völlig falscher Ansatz“

Ein weiteres Thema im Wahlkampf ist die Flüchtlingspolitik. Die Rhein-Zeitung aus Koblenz ärgert sich über den Slogan „2015 darf sich nicht wiederholen“ und schreibt: „Das ist auch ein Schlag ins Gesicht all derer, die sich erfolgreich Perspektiven in Deutschland aufgebaut haben.

Auch jetzt herrschen Empathie und Mitgefühl mit den Menschen in Afghanistan vor. Die tödliche Bedrohung durch den IS in der Region ist groß, die Unterdrückung durch die Taliban grausam. Dafür, dass Tausende diesen Gefahren ausgesetzt bleiben, trägt die Bundesregierung eine Mitverantwortung, auch das Innenressort von Horst Seehofer. Wahlkampf mit der Afghanistan-Krise ist allein deswegen der völlig falsche Ansatz“, hebt die Rhein-Zeitung hervor.

Münchner Merkur: „Mögliche Beteiligung der Linkspartei an der nächsten Bundesregierung“

„Wann immer Politiker der Grünen und der SPD dieser Tage danach gefragt werden, wie sie es nach der Wahl mit der Linkspartei halten wollen, erleben die staunenden Bürger einen betörenden Schleiertanz, aber ein klares Nein hören sie nie. Damit wollen sie den Druck auf die FDP erhöhen, den Preis für ein Ampelbündnis nicht zu weit in die Höhe zu treiben.

Doch könnte sich daraus angesichts der Stimmung an der linken Basis von SPD und Grünen auch ein Betriebsunfall entwickeln, an dessen Ende die Deutschen sich mit trotzkistischen Bundesministerinnen wie Janine Wissler wiederfinden“, schreibt der Münchner Merkur und schickt hinterher: „Mit seinem Herumgeeiere wird Scholz für die Mitte, die er erobern will, zum Risiko.“

Göring-Eckardt: „Unser Land kann so viel mehr!“

Katrin Göring-Eckardt unterstützt die Grünen und Baerbocks Auftritt voll und zieht das Fazit: „Scholz lebt nach dem Motto ,Wer nichts sagt, sagt auch nichts Falsches‘, und Laschet windet sich aus der Verantwortung, wo es nur geht. Einen echten Aufbruch in einen klimagerechten Wohlstand gibt es nur mit Annalena Baerbock. Unser Land kann so viel mehr!“

Söder und Merz feiern „Laschets Sieg“

„Starker Auftritt und klarer Sieg von Armin Laschet“, kommentiert CSU-Chef Markus Söder auf Twitter. Friedrich Merz macht es ihm nach: „Armin Laschet ist richtig gut heute Abend. So wird der Wahlkampf in der Schlussphase für die Union entschieden.“

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