Seehofer gegen Merkel - Horst Eastwoods letzter Ritt

Horst Seehofer ist der Clint Eastwood der Großen Koalition. Mit seinen Aussagen zur Rolle des Islam in Deutschland und zum Schengen-Raum rächt er sich an Angela Merkel. So wird er zum gefährlichsten Gegner, den die Kanzlerin je hatte

Horst Seehofer ist bereit für seinen letzten Ritt / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Im Kino glänzt Clint Eastwood in der Rolle des alternden Rächers mit dem letzten Auftrag. In dem Film „Erbarmungslos“ lässt sich der alte Mann mit der minimalistischen Mimik engagieren, um im Wüstenstädtchen Big Whiskey diejenigen zu strafen, die einer Prostituierten das Gesicht zerschnitten haben. In „Gran Torino“ spielt er den rassistischen und verhärmten Koreakriegsveteranen Walt Kowalski, der seine neuen asiatische Nachbarn, die er anfangs erst „Schlitzaugen“ nennt, schließlich vor einer schwarzen Gang rettet. 

Seehofer will sich rächen

Der Clint Eastwood der neuen Großen Koalition heißt Horst Seehofer. Er ist gekommen, um zu rächen. Keine Prostituierte und keine asiatische Familie. Sondern sich selbst. An Angela Merkel. Kaum im Amt hat Seehofer in kürzester Zeit zweimal mit größtmöglichem Kaliber Richtung Kanzlerin geschossen. Erst ließ er wissen, dass der Islam in seinen Augen nicht zu Deutschland gehöre. Der Satz, dass dem so sei, ist unmittelbar mit Merkels Flüchtlingspolitik verbunden. Und dann hat er keine 48 Stunden später nachgelegt und gesagt, die Grenzenlosigkeit innerhalb des Schengen-Raumes in der Europäischen Union müsse ausgesetzt werden, um die Grenzen und die Interessen der Ländern jenseits dieser Binnengrenzen zu wahren. 

Auf diese Monate der Rache, auf diesen letzen Ritt hat der CSU-Chef lange warten müssen. Zwischenzeitlich hatte er Kreide gefressen und für die Zeit des Wahlkampfes so getan, als sei alles wieder in Butter zwischen ihm und Merkel. Aber schon beim Kompromiss zur Migration zwischen den Schwesterparteien CDU und CSU Mitte Oktober des vergangenen Jahres vor den Sondierungen für Jamaika hatte sich gezeigt, wie sehr es weiter in Seehofer wütet mit Blick auf den Blackout, den sich Merkel in der Flüchtlingskrise erlaubt hat. Alles habe seine Zeit, und die sei jetzt gekommen, verkündete damals Merkel bei der gemeinsamen Pressekonferenz biblisch und versöhnlich. Ein darob regloser Seehofer gab nur zurück, dass jenseits der mehr oder weniger festgeschrieben 200.000 Flüchtlinge pro Jahr für ihn das wichtigste Ergebnis sei, dass über diese Fragen fürderhin im Bundestag entschieden werde „und nicht in irgendwelchen Talkshows“. Das war eine volle Breitseite gegen die neben ihm stehende Kanzlerin, die in jener akuten Phase 2015/2016 zweimal zu „Anne Will“, aber nie in den Bundestag ging mit ihren weitreichenden Entscheidungen, die heute allgemein als beinahe beispielloser Kontrollverlust einer Bundesregierung angesehen werden. 

Merkels gefährlichster Gegner

Dem Islam-Deutschland-Satz von Seehofer hat Merkel umgehend widersprochen. Das war kein Zeichen von Stärke, sondern Ausdruck ihrer Schwäche. Denn Horst Seehofer auf seinem letzten Ritt kann auch sie nicht mehr aufhalten. Er hat sein Ministerpräsidentenamt verloren und sich den für dieses Thema wichtigsten Posten des Innenministers und obersten Heimatwächters gesichert. Einen CSU-Minister kann Merkel nicht ohne weiteres entlassen. Den Immer-Noch-CSU-Chef erst recht nicht. 

Die Reaktionen aus dem CDU-Lager sind dem Rächer Seehofer bei diesem letzten Ritt völlig einerlei. Entscheidend ist allein, wie die CSU in Bayern dasteht mit Blick auf die Landtagswahlen im Oktober. Und da die Aussage von Seehofer („Der Islam gehört nicht zu Deutschland“) weit mehr Menschen hinter sich versammelt als Merkels unseliger, vom damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff übernommenen Satz, wird das mutmaßlich der CSU im Wahlkampf helfen. Nebenbei bemerkt sind Seehofers Erläuterungen, dass hierzulande das christlich-jüdische Menschenbild konstitutiv sei, nichts anderes als das, was Merkel wörtlich selbst jahrelang in ihren Parteitagsreden vorgetragen hatte

Die Rächer, sei es ein alternder und versoffener Revolverheld oder ein grotesk gestriger Koreaveteran, die der große Clint Eastwood in seinen Alterswerken gespielt hat, zogen ihre immense Kraft gegenüber den ungleich jüngeren und physisch eigentlich überlegenen Gegnern immer aus zweierlei: aus einem eisernen Willen und dem Umstand, selbst nichts mehr zu verlieren zu haben. Der späte Horst Seehofer ist der gefährlichste Gegner, den Angela Merkel je hatte.  

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