umstrittene Greenpeace-Aktion - Alles für den Klimaschutz

Im Kampf gegen den Klimawandel will Greenpeace provozieren, um Aufmerksamkeit für ein wichtiges Thema zu erlangen. Doch nicht alle Aktionen gelingen, und nicht jeder zivile Ungehorsam ist gerechtfertigt.

Ein Aktivist von Greenpeace über der Allianz-Arena/dpa
Anzeige

Autoreninfo

Alissa Kim Neu studiert Kulturwissenschaften und Romanistik in Leipzig. Derzeit hospitiert sie bei Cicero.

So erreichen Sie Alissa Kim Neu:

Anzeige

Der Zweck heiligt die Mittel. So jedenfalls sagt es der Volksmund. Und der plappert auch dann noch weiter, wenn die Mittel längst gefährlich werden. So auch gestern Abend, als beim Spiel Deutschland gegen Frankreich ein Greenpeace-Aktivist nach einer ungeplanten Notladung zwei Männer im Stadion verletzte. Sofort entbrannte im Netz eine lebhafte Diskussion über den höheren Zweck solcher Aktionen. Reicht der Klimanotstand als ethisches Fundament für einen gefährlichen Gleitflug ins Ungewisse bereits aus?

Eigentlich, so hieß es von Greenpeace später, sei es der Plan gewesen, mit einem motorbetriebenem Gleitschirm über das Stadion zu fliegen und einen großen gelben Ball hinunterzulassen. Auf diese Weise wollten die Umweltaktivisten gegen die klimaschädlichen Benzin- und Dieselfahrzeuge des Nationalteam-Sponsors Volkswagen protestieren. Eine nette Idee. Doch anstatt dass dann pünktlich um 21 Uhr ein Ball aufs hell erleuchtete Grün gepurzelt wäre, strandete ein Mann mit einer waghalsigen Notlandung mitten auf dem Spielfeld, verletzte zwei Menschen und kam mit dieser Bruchlandung sogar noch recht glimpflich davon. Das Münchner Polizeipräsidium ließ in einer Pressemitteilung verlauten, dass gegen den 38-jährigen ermittelt werde. Die UEFA verurteilte die Aktion scharf.

Eine gefährliche Debattenkultur

Soweit die Fakten. Greenpeace indes steckt jetzt in einem moralischen Dilemma. Trotz einer schnellen Entschuldigung auf Twitter läuft der Name der Umweltschutzorganisation nun auch unter dem Hashtag #Eigentor durchs Netz – genauso wie der Name des eigentlichen Verlierers des Abends: Mats Hummels.

Denn im Internet spalten sich die Meinungen. Während die einen die Aktion prinzipiell verurteilen, schreiben andere, dass sie immer noch besser sei als die Untätigkeit angesichts der herannahenden Klimakatastrophe. In der harschen Reaktion einiger Zeitungen und Politiker sieht letztere Gruppe nur eine grundsätzliche Ablehnung des Klimaaktivismus.

Sollte diese Befürworter Recht behalten, dann dürften wir bald schon vor einem großen Problem stehen: Sind Diskussionen nämlich erst einmal an einem Punkt wie diesem angelangt – einem Punkt, an dem sämtliche Sachargumente mit dem Verweis auf die baldige Klimakatastrophe ausgehebelt werden können – so ist bald fast alles zu rechtfertigen, wenn es nur mit den rechten Absichten geschieht. 

Aktivismus der Aufmerksamkeit

Denn was einer solchen Argumentation fehlt, das ist der breite Konsens in der Gesellschaft. Mit einem Aktivismus, der unbedingt Aufmerksamkeit erregen will, gerät der nötige gesellschaftliche Aushandlungsprozess am Ende ins Abseits. Dabei kann nur über die Beteiligung aller gesellschaftlichen und politischen Kräfte ein wirklich nachhaltiger Umweltschutz gelingen. Die gestrige Aktion indes verhärtet die Fronten. Produktive Beiträge zum Klimaschutz führen eben nicht über waghalsige Aktionen in Stadien. Weder werden sie dort den VW-Vorstand noch den genervten Fernsehzuschauer zum Umdenken bewegen.  

Beim Kampf für den Klimaschutz, der klar seine Berechtigung hat, muss es immer zu Abwägungen kommen. Es geht darum, ob Aktionen wirklich sinnvoll sind oder ob sie am Ende gar Dritten schaden. Doch wer mit der ständigen Prämisse des „Fünf-vor-Zwölf“ lebt, wird zu einer solchen Abwägung irgendwann nicht mehr fähig sein. 

Anzeige