Glosse - „Politik ist der Spielraum zwischen Blutvergießen und Wirtschaft“

Der Fußballverein „FC Schalke 04“ lädt zur Jahreshauptvollversammlung. Anlass für HG. Butzko, die Politik des Vereins zu hinterfragen. Eine Glosse

Gute Freunde: Uli Hoeneß und Clemens Tönnies. / picture alliance
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Autoreninfo

HG. Butzko ist Satiriker und wird als „Hirnschrittmacher des deutschen Kabaretts“ bezeichnet.

Der gebürtige Gelsenkirchener verbindet das Politische und das Private, den Alltag und den Bundestag, die große Welt und den kleinen Geist, und hat dabei einen ganz eigenen Stil entwickelt, den die Presse als „Kumpelkabarett“ oder „Thekengespräch mit Publikum“ bezeichnete. In der Laudatio zum Deutschen Kleinkunstpreis hieß es, HG. Butzko sei „ein Meister des investigativen Kabaretts“.

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Am kommenden Sonntag, den 26.06. gibt es auf Schalke mal wieder eine dieser legendären Jahreshauptvollversammlungen. Doch während diese Treffen in früheren Jahren gerne auch mal mit Betonung auf „Haupt voll“ stattfanden, steht die Versammlung dieses Jahr vor einer ganz nüchternen Frage, nämlich: Was haben Uli Hoeneß und Wladimir Putin eigentlich gemeinsam? Antwort: Den Freund Clemens Tönnies.

Von Mao Tse Tung stammt der Satz: „Krieg ist Politik mit Blutvergießen, und Politik ist Krieg ohne Blutvergießen.“ Und Dieter Hildebrandt sagte mal: „Politik ist der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.“ Wendet man aus der Mathematik den klassischen Dreisatz an, was kommt dabei raus? Die Wahrheit: „Politik ist der Spielraum zwischen Wirtschaft und Blutvergießen.“ Und wer kennt sich allein schon von Berufs wegen sowohl mit Wirtschaft als auch mit Blutvergießen bestens aus? Richtig, der Metzger.

Metzger ohne Skrupel und Mitgefühl

Wer jemals live dabei war, wenn ein Tier getötet wird, weiß, da darf man nicht zimperlich sein. Skrupel sind da wenig förderlich, Empathie sogar eher hinderlich. In eine Wurst beißen, und eine Wurst machen, sind die zwei Enden einer Wurst, die bekanntlich nur die Wurst hat. Und wenn man in Deutschland in eine Wurst beißt, ist die Chance groß, dass es sich dabei um eine Wurst handelt, die im Hause Clemens Tönnies erzeugt wurde. Was das über Skrupel und Empathie des Erzeugers aussagt, möge er am besten mal mit Veganern diskutieren. Ich besorg mir dazu gerne schon mal eine Tüte Popcorn. Am besten mit Bacon.

Clemens Tönnies, ein Fleischfabrikant, der also massenhaft eine Schweinekohle damit verdient, massenweise Schweine zu verwursten, muss sich seit einiger Zeit mit angucken, wie gegen ihn aufgrund diverser Schweinereien die Messer gewetzt werden, um ihn in der Öffentlichkeit genüsslich zu grillen. Sei es wegen der branchenüblichen Dinge, wie mangelnde Reinheit und Qualität, sowohl bei den Waren als auch bei der branchenüblichen Behandlung der Arbeitskräfte, oder sei es, weil er sich mit einem Familienmitglied vor Gericht darüber streitet, ob die Schweinehälftenkohle auch gerecht geteilt wird.

Ursprünglich hatte nämlich der ältere Bruder Bernd Tönnies den väterlichen Kleinbetrieb in einen „Global Slayer“ verwandelt, aber als er im Juli 1994 auf dem Sterbebett lag, nahm er von Clemens das Versprechen ab, sich nicht nur um den Fleischereibetrieb zu kümmern, sondern auch um Schalke 04. Dort war Bernd nämlich erst wenige Wochen zuvor zum Präsidenten gewählt worden, und jetzt sollte also Clemens all diese Geschäfte führen. Wobei das Problem in der Firma seitdem darin besteht, dass da noch ein Neffe ein paar Prozente Anteile einklagt. Das Problem auf Schalke hingegen ist ... Schalke.

Tradition seit 15 Jahren: Orientierungsverlust

Dieses Problem erklärt man am besten mit einem Rätsel. Bilden Sie mal einen Satz mit den Wörtern: „Schalke“ „spielt“ und „konstant“. Zugegeben, die Lösung fällt schwer, denn neulich erst fragte mich jemand: „Bist du eigentlich Schalke-Fan, oder interessierst du dich auch für Fußball?“ Und da fiel meine Antwort doch sehr dialektisch-komplex aus, nämlich mit einem konstanten: „Hmgrblpft“. Was aber nicht verwundern muss, spiegelt es doch exakt die Konstanz wider, die man zuletzt bei den Spielen von Schalke zu sehen bekam. Und mit „zuletzt“ ist auf Schalke eine Maßeinheit von ca. 15 Jahren gemeint.

Es könnte zum Haareraufen sein, wäre es nicht bereits zum Mäusemelken. Da kommen und gehen seit der 4-Minuten-Meisterschaft im Mai 2001 eine Handvoll Manager, Dutzende Trainer und Hunderte von Spielern, und das Ergebnis auf dem Rasen hat seitdem immer wieder so viel mit Fußball zu tun wie Prinz Charles mit dem englischen Königsthron: Manchmal nah dran, aber nie wirklich ergriffen.

Wobei die Orientierungslosigkeit der Schalker Mannschaft vielleicht aber auch nur ein Spiegelbild der Schalker Vereinsstrukturen darstellt. Denn auch hier weiß man nicht so wirklich, wer wann wo was wem zu sagen hat. Eigentlich entscheidet nämlich der Vorstand, der von einem Aufsichtsrat kontrolliert wird, dessen Kandidaten ein Wahlausschuss vorab aussiebt, bevor er sie der Mitgliederversammlung zur Wahl stellt. Was aber alles komplett egal ist, und zwar in dem Moment, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende nämlich den Eilausschuss aufruft. Dann entscheidet letztlich nur besagter Aufsichtsratsvorsitzender. Und sollten andere Aufsichtsratsmitglieder deswegen Bedenken überprüfen, werden sie von einem Ehrenrat suspendiert und müssen 500.000 Euro Strafe zahlen. Und jetzt raten Sie doch mal, wie dieser Aufsichtsratsvorsitzende heißt? Kleiner Tipp: Der Vorname fängt mit „Clemens“ an, und der Nachname mit „Tönnies“.

Der große Aufsichtsratsvorsitzende

Mit anderen Worten: Sollte irgendwann mal der große Vorsitzende von Nordkorea, dieser irre Diktator Kim Jong-Un sein Land verlassen müssen und ein Exil suchen, auf Schalke würde er sich sehr wohl fühlen. Und zwar ohne Eingewöhnungszeit.

Einziger Unterschied: Will der große Vorsitzende in Nordkorea an der Macht bleiben, muss er sich mit Politik auskennen. Dass der große Vorsitzende von Schalke Ahnung von Fußball haben muss, ist seit 15 Jahren nur ein Gerücht. Was aber im Grunde auch kein Problem wäre, wenn besagter Aufsichtsratsvorsitzender sich auf seine Kernaufgabe beschränken würde, nämlich dem Aufsichtsrat vorzusitzen. Was aber automatisch die Frage hervorruft: Wozu braucht er dann einen Eilausschuss?

Nur eines ist sicher...

Was eine letzte Frage hervorruft, nämlich: Wenn Schalke also seit 15 Jahren vor allem eine muntere Mixtur aus Remmidemmi und Tohuwabohu ist, gibt es denn da eigentlich auch eine Konstante? Und die Antwort gibt man am besten wieder mit einem Rätsel: Bilden Sie mal einen Satz mit den Wörtern: „Fisch“ „stinkt“ und „Kopf“.

Wobei Fisch so ziemlich das einzige ist, das in den Schlachthöfen von Tönnies bislang noch nicht verwurstet wurde. Aber je nachdem, wie nüchtern am kommenden Sonntag das Schalker Vereinstreffen abläuft, könnte der Clemens anschließend vermehrt Zeit haben, über diese Geschäftserweiterung nachzudenken.

HG. Butzko live: 08. + 09.07. Würzburg / 23.07. Bielefeld

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