Gerhard Schröder verklagt den Bundestag - Auf der Peinlichkeitsskala immer weiter nach unten 

Gerhard Schröder klagt vor dem Berliner Verwaltungsgericht gegen den Deutschen Bundestag. Er will seine im Mai entzogenen Sonderrechte und sein Altkanzler-Büro zurück. Von der Schamlosigkeit des Vorgangs einmal abgesehen: Er könnte mit seiner Klage durchaus Erfolg haben. Zu fragen wäre, warum ehemalige Bundeskanzler überhaupt einen teuren Mitarbeiterstab brauchen.

Hoppla, jetzt komm ich: Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Gerhard Schröder ist ganz der Alte. Genauer: Der in die Jahre gekommene Altkanzler gebärdet sich wie der einstige Juso-Vorsitzende oder der immer noch recht ungestüm auftretende niedersächsische Ministerpräsident in den 1990er-Jahren: Hoppla, jetzt komm ich. Mir kann keiner. Basta. So trat er auf, so kam er an, so wurde er Kanzler. 

Das Rauflustige, ja Rabaukenhafte hat er im Kanzleramt nie ganz abgelegt; freilich konnte er auch den Staatsmann geben. Jetzt, im politischen Ruhestand, nimmt er auf nichts und niemanden Rücksicht. Wer je daran gezweifelt hat, wird jetzt eines Besseren belehrt: Der Ex-Kanzler will sein vom Steuerzahler üppig ausgestattetes Berliner Büro (Personalkosten 400.000 Euro im Jahr) wiederhaben, koste es was es wolle.  

Der Ex-Kanzler gegen den Deutschen Bundestag: Mit dieser Klage offenbart Schröder gleich mehrere, nicht sehr vorteilhafte Charakterzüge. 

Noch nie hat ein Ex-Kanzler gegen das Parlament geklagt

Erstens: Schröder pfeift auf Stil und Anstand. Noch nie hat ein Ex-Kanzler gegen das Parlament geklagt, was Schröder keinen Deut schert. Schröder ist dank fürstlicher Entlohnung durch seinen Freund Putin ein wohlhabender Mann. Er braucht die vom Staat finanzierten Mitarbeiter nicht, um weiterhin im politischen Spiel zu bleiben. Aber den Stil und den Anstand, nach seiner faktischen Parteinahme für Putin und gegen Kiew sowie Berlin auf das Büro zu verzichten, hat er nicht.  

Zweitens: Geld hat man nie genug. Der aus prekären Verhältnissen zum Bundeskanzler Aufgestiegene hat nach seiner Abwahl 2005 ein neues Hobby entdeckt: Money, Money, Money. Dass er noch als Kanzler das Pipelineprojekt Nord Stream 1 auf den Weg gebracht hat, um anschließend bei Putin anzuheuern, empfand er nicht als peinlich. Für ihn gilt: Gier schlägt Geist. Das zeigte sich auch vor und nach dem russischen Überfall auf die Ukraine. Schröder fiel und fällt der eigenen Regierung in den Rücken und vermeidet peinlichst, Putin zu nennen, was er ist: ein Kriegsverbrecher. Die Hand, die einen füttert, beißt man nicht. 

Drittens: Recht behalten um jeden Preis. Der Beschluss des Haushaltsausschusses war eindeutig politisch motiviert. Dass Schröder „fortwirkenden Verpflichtungen aus dem Amt“ nicht mehr nachkomme, wie der Ausschuss zutreffend feststellt, trifft zu. Doch nirgends ist festgelegt, was unter diesen „fortwirkenden Verpflichtungen“ zu verstehen ist. Auch ist nicht bekannt, dass sein „Parteifreund“ Olaf Scholz ihn um eine Mission oder ähnliches gebeten hätte und bei Schröder auf Ablehnung gestoßen wäre.  

Von einem darf man ausgehen: Die uneingeschränkte Solidarität eines ehemaligen Kanzlers mit allen seinen Nachfolgern und ihrer jeweiligen Politik fällt nicht unter „fortwirkende Verpflichtungen“. Schröder jedenfalls macht da keine Gefangenen. Er will Recht behalten, um jeden Preis.  

Gut möglich, dass Schröder obsiegt 

Der neue Fall Schröder zeigt, dass die „Amtsausstattung“ für ehemalige Kanzler nicht so eindeutig geregelt ist, wie es notwendig wäre. Warum Altkanzler auf Lebzeiten einen teuren Stab brauchen, ist nicht zu erklären. Jedenfalls sinkt mit wachsendem Abstand zur Regierungszeit die Nachfrage nach den ehemaligen Regierungschefs und damit auch deren Aufwand, Anfragen zu beantworten, Vorträge zu halten oder Texte zu veröffentlichen. Gleichwohl: Die Unbestimmtheit der Regelung könnte Schröder zu einem juristischen Erfolg verhelfen.  

Für den Fall, dass Schröder wieder in ein Bundestagsgebäude einziehen und wieder mehrere Mitarbeiter beschäftigen darf, stellt sich die Frage, ob er überhaupt neue Mitarbeiter fände. Seine bisherige Mannschaft hat komplett ihre Jobs aufgegeben, weil diese Schreibkräfte, Redenschreiber und Berater nicht länger für „Gas-Gerd“ arbeiten wollten. Solche Mitarbeiter werden nicht eigens eingestellt, sondern aus Bundeseinrichtungen abgeordnet. Doch welcher deutsche Staatsdiener will schon für einen Politiker arbeiten, für den sich inzwischen selbst die SPD schämt? Da kämen wohl nur Personen in Frage, die nach dem Schröderschen Motto „Geld stinkt nicht“ agieren.  

Auch als Sieger wäre Schröder ein Verlierer 

Als Kanzler zeigte Schröder bisweilen durchaus Gespür für das, was „man“ tut und was nicht. Über Unternehmer, die ins Ausland ziehen, um hierzulande keine Steuern zahlen zu müssen, hatte er nur Verachtung übrig. Solch „unpatriotisches“ Verhalten solle man „gesellschaftlich ächten“, meinte er. Diese „gesellschaftliche Ächtung“ des einstigen Kanzlers ist bereits in vollem Gang. Selbst wenn er wieder ein Büro bekommen sollte:  Auf der nach unten offenen Peinlichkeitsskale rutscht er immer weiter ab. 

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