Anfangsverdacht der Bestechlichkeit - Der Deal mit der Maske

Georg Nüßlein, stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, steht im Verdacht, bei der Beschaffung von Corona-Schutzmasken bestechlich gewesen zu sein. Was für die CSU eine Ungeheuerlichkeit wäre, wäre für den entnervten Bürger ein Debakel. Denn längst steht die gesamte Corona-Politik der Regierung auf dem Spiel.

Gatekeeper: Hat Georg Nüßlein gegen Geld die Türen zur Macht geöffnet? / dpa
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Autoreninfo

Ralf Hanselle ist stellvertretender Chefredakteur von Cicero. Im Verlag zu Klampen erschien von ihm zuletzt das Buch „Homo digitalis. Obdachlose im Cyberspace“.

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Ob Georg Nüßlein einen Maskenlieferanten gegen Vermittlungsgebühr an die Bundesregierung vermittelt hat oder nicht, das wird in den kommenden Wochen die Münchner Generalstaatsanwaltschaft klären. Vorverurteilungen verbieten sich. Zum Glück. Denn die Unschuldsvermutung ist ein hohes Gut. In Zeiten, in denen in der aufgeregten Republik längst jeder mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf alle anderen zeigt, Schuldzuweisungen so locker sitzen wie nie und in Sachen Virusübertragung ohnehin jeder längst zum Verdachtsfall erklärt worden ist, ist es gut, wenn wenigstens der Rechtsstaat Ruhe und Sachlichkeit walten lässt.

Geben wir den Ermittlern, die derzeit wegen einem „Anfangsverdacht der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern im Zusammenhang mit dem Ankauf von Corona-Atemschutzmasken" ermitteln also Zeit. Gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio soll Georg Nüßlein, seit 2014 Stellvertretender Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, behauptet haben, dass die Vorwürfe gegen ihn „haltlos“ seien. Man wird sehen. Es liegt jetzt an der Justiz, ob sie den Anfangsverdacht der Bestechlichkeit erhärten kann. Die Voraussetzungen für sachliche Ermittlungen jedenfalls sind gegeben. Gestern hat der Bundestag die Immunität des direkt gewählten Abgeordneten aus dem Wahlkreis Neu-Ulm aufgehoben und somit den Vollzug gerichtlicher Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlüsse gebilligt. Auch hier funktionieren Rechtsstaat und Parlament also schnell und vollkommen reibungslos. 

Wasser auf die Mühlen der Maßnahmengegner

Warum man nicht müde werden sollte, derlei Trivia, ja Banalitäten zu erwähnen? Sehr einfach: Es wird nicht lange dauern, und die „Causa Nüßlein“ – so sie denn eine ist – wird Wasser auf den Mühlen all derer sein, die hinter der aktuellen Maßnahmenpolitik ohnehin immer nur einen verschwörerischen Kurzschluss zwischen Politik, Big Pharma und dem großen Geld vermuten. Der Imageschaden, den Exekutive und Legislative erlitten haben, ist schon jetzt kaum wiedergutzumachen. Und dies alles ausgerechnet zu einer Zeit, in der die Zustimmung für die Maßnahmenpolitik der Regierung Merkel mehr und mehr zu kippen droht.

Und es stimmt ja: Was da dieser Tage Stück für Stück freigelegt wird, ist ein mehr als unappetitliches Szenario: Einer der führenden Unions-Abgeordneten im Deutschen Bundestag, der zudem stellvertretendes Mitglied im derzeit so wichtigen Gesundheitsausschuss ist, steht im Verdacht, gegen eine Gebühr von mehr als 600.000 Euro die Türen zur Macht weit aufgestoßen zu haben. Und das wohlgemerkt nicht en passant oder als unüberlegter Schnellschuss.

Vielmehr scheint die Sache System gehabt zu haben: Laut Abgeordnetenwatch“ und Recherchen der Bild nämlich ist Georg Nüßlein an einer Beraterfirma namens Tectum Holding GmbH mit Sitz in Berlin beteiligt. Das Handelsregister führt ihn hier sogar als Geschäftsführer. Diese Tectum Holding GmbH soll im vergangenen Jahr mehr als 600.000 Euro Beraterhonorare erhalten haben – Geld, das von jenem hessischen Schutzmasken-Lieferanten geflossen sein soll, der später einen 14-Millionen-Euro-Auftrag vom bayrischen Gesundheitsministerium sowie Bestellungen vom Bund erhalten hat. Doch diese vermutete Provision floss nicht auf direktem Wege, sie nahm den Umweg über einen Zwischenhändler. Neben Bestechlichkeit geht es also auch um Steuerhinterziehung.

Der Stoff aus dem Verschwörungstheorien sind

Aus solch einem Stoff sind nicht nur OP- oder FFP2-Masken gewoben, aus ihm setzen sich auch die feuchten Träume eines jeden Verschwörungstheoretikers zusammen, zumal eine Bundestagsrede Nüßleins belegt, wie sehr sich der Kaufmann und promovierte Rechtswissenschaftler noch im Oktober des vergangenen Jahres für eine Verbesserung der Maskenproduktion hiesiger Unternehmen und somit indirekt für seinen hessischen Vertragspartner eingesetzt hat. 

Das zusammen macht kein schönes Bild. Man kann sich daher nur allzu gut vorstellen, wie sehr Corona-Hardliner Markus Söder im Dreieck gesprungen sein muss, als er von dem Verdacht gegen seinen Partei-Spezi hörte. Doch für Bayerns Ministerpräsidenten kommt es dieser Tage ohnehin noch dicker: Ein Recherche-Team des Nachrichtenmagazins Spiegelhat heute eine weitere Bombe platzen lassen. Demnach sollen auch andere Mitglieder aus Söders CSU in Deals mit zum Teil vollkommen überteuerten Schutzmasken verstrickt gewesen sein. Und auch diesmal geht es nicht um das weiß-blaue Bodenpersonal: Der Verdacht fällt ausgerechnet auf Strauß-Tochter Monika Hohlmeier sowie auf Stephan Mayer, parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium. Beide sollen zu Beginn der Pandemie Maskenlieferanten in das Sichtfeld des Gesundheitsministers geschoben haben, die mit Gewinnmargen von bis zu 300 Prozent operierten. Der Spiegel spricht gar von der Wiederkehr der Amigo-Zeiten.

Kasse machen mit der Not

Kruzifix nochmal, möchte es einem da wirklich entfahren! Da sitzt der Bürger brav und halb entrechtet daheim im Lockdown, und deutschen Spitzen-Parlamentariern scheint nichts Besseres einzufallen, als mit der Notlage der Bürger auch noch Kasse zu machen. Doch wie gesagt, noch gilt für Georg Nüßlein, der heute bekannt gab, sein Amt als stellvertretender Vorsitzender der Unions-Bundestagsfraktion ruhen zu lassen, die Unschuldsvermutung. Sollte sich der Korruptionsverdacht indes bestätigen, dann dürften Ministerpräsident Markus Söder wie auch Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) massiv an Autorität verlieren. Dem Bürger dürfte das Stimmungstief zweier Politiker egal sein. Für allzu viele geht es längst um die Corona-Politik als Ganzes.
 

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