Frauenquote als Wahlkampfthema - „Wir Ostmädels sind doch nicht blöd“

Der Anteil der Frauen im deutschen Parlament liegt bei 31 Prozent. Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) hat deshalb zum Auftakt des Super-Wahljahres 2019 eine Frauenquote gefordert. Aber ist das der richtige Weg, um den Abwärtstrend bei den Sozialdemokraten zu stoppen?

Glückliche SPD-Frauen: Um die Frauenförderung kümmert sich ein Mann – wenn auch nur zu Wahlkampfzwecken / picture alliance
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Autoreninfo

Antje Hermenau ist Unternehmerin und Koordinatorin des Landeswirtschaftssenats des BVMW in Sachsen. Sie war bis 2015 Mitglied der Grünen und saß für diese bis 2004 im Bundestag, später führte sie Grünen-Fraktion im sächsischen Landtag.

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Der Herr Oppermann von der SPD hat jetzt einen Supervorschlag gemacht. Nach der gesetzlichen Einführung des Wahlrechts für Frauen in Deutschland vor 100 Jahren, das ihnen erlaubte, überhaupt wählen zu gehen, möchte er auch ein passives Wahlrecht für Frauen in den Deutschen Bundestag einführen. Das soll ihnen garantieren, dass gleich viele Frauen wie Männer antreten können, um gewählt zu werden. Kann klappen oder nicht. In der Sache ist es wohl ein hoch kompliziertes Verfahren und in einem demokratischen Rechtsstaat ein streitbares Unterfangen. Viele Wähler quälen sich schon mit dem Auseinanderhalten von Erst- und Zweitstimme herum. Nun soll in drei Stimmen mehr Klarheit gefunden werden als in zwei: eine für einen Mann, eine für eine Frau – und eine für eine Partei. Das ist zumindest ambitioniert. Ich warte auf den Änderungsantrag der Grünen zum dritten Geschlecht …

Wir hätten bis 2025 Zeit, das alles in Ruhe aus zu diskutieren. Vorher hätte ich auch in der Tat ein paar andere Fragen, die mich mehr beschäftigen.

Wirklich super ist die Idee: Theoretisch soll die Hälfte der Abgeordneten weiblich, die andere Hälfte männlich sein. Und weniger Abgeordnete soll es auch geben in Zukunft. Was den Steuerzahler freut! Aber das hat doch überhaupt nichts mit der Frauenförderung zu tun, sondern mit Machtansprüchen von Parteien und mit Verteilungskämpfen innerhalb von Parteien. Hier lohnt ein vertiefter Blick. Ostdeutsche lesen in Wahljahren besonders aufmerksam zwischen den Zeilen, da sind wir sehr geschult.

Quotenparadies Ruanda

Die Frauenquote im Deutschen Bundestag beträgt nach der letzten Wahl 2017 knapp 31 Prozent. Damit liegt der Bundestag zwar immer noch bei den Ländern mit Frauenanteilen von über 30 Prozent im Nationalparlament. Aber mehr als 25 Länder liegen vor uns. Deutschland liegt weit hinter so interessanten drei Erstplatzierten wie Ruanda, Kuba oder Bolivien. Kann ja nicht sein, sagt jetzt der Herr Oppermann, da müssen wir uns schämen, wenn selbst „solche“ Länder vor uns liegen. Er führt das dann nicht weiter aus, warum diese drei vorn liegen, und irgendwie klingt auch durch, dass ein höher entwickeltes Land wie Deutschland sich nicht abhängen lassen darf von solchen Ländern wie den drei Spitzenreitern. Klingt für mich irgendwie verschmitzt kolonial. Zum Glück kommt Namibia erst etwas weiter unten.

Schaut man genauer hin, erkennt man die besonderen Umstände für diese Entwicklungen. In Ruanda hat es zu einem erheblichen Anteil mit dem Genozid 1994 zu tun. Die Männer hatten sich gesellschaftlich völlig desavouiert. Da mussten die Frauen das Ruder in die Hand nehmen. Eine Demokratie ist Ruanda nicht. Auf Kuba  – auch kein demokratisches Land – hat das Politbüromitglied José Machabo einmal ausgeführt, dass die „Kandidatenauswahl von hoher Qualität“ sei, weil die Massenorganisationen die Frauen benannten, und es müssten nicht einmal alle unbedingt Mitglied der Partei sein. Kann man mögen, muss man aber nicht. Ich mag das eher nicht. Freiheit und Demokratie ziehe ich vor. Mit Kuba sollten wir uns also auch nicht vergleichen. Bolivien ist interessant: Wikipedia hält es für eine Mischung aus Demokratie und autoritärem Regime. Da wird jetzt mancher denken, das käme uns schon schon näher. Es ist aber auch das ärmste Land in Lateinamerika – da wächst der Abstand dann wieder. Frauen sehen eine echte politische Aufgabe, auch in der entsprechenden Kapitalismuskritik, und sie sind deswegen auch politisch engagiert. Erinnert an die Linke im nicht so wohlhabenden Osten Deutschlands. Die SPD ist da abgehängt.

Je linker, desto weiblicher

Was hat der Vorschlag von Herrn Oppermann nun für Deutschland zu bedeuten? Das statistische Bundesamt zeigt für 2018: Grüne und Linke haben bei einem Anteil von weiblichen Parteimitgliedern von deutlich über 30 Prozent (Grüne fast 40 Prozent) einen Frauenanteil von klar über 50 Prozent bei den Parlamentarierinnen. Chapeau! Auch die SPD hat bei einem Anteil von über 30 Prozent weiblicher Parteimitglieder noch 40 Prozent Frauen im Parlament. Auch Chapeau! Tapfere und großzügige Männer haben hier eine Übererfüllung zugelassen, zumindest im Parlament. Bei der FDP, der CDU und auch der CSU liegt der Frauenanteil in der Partei ungefähr auch bei dem durchschnittlichen Anteil der Frauen im Parlament. Eine Repräsentationslücke gibt es auch da bei den Parlamentarierinnen also prozentual nicht wirklich. Nur die AfD hat bei einem Frauenanteil in der Partei von unter 20 Prozent nur 10 Prozent Frauen im Parlament. Klar abgeschlagen. Das ist die Wahrheit in den Parteien. Ihre Mitglieder machen nicht einmal 1,5 Prozent der Bevölkerung in Deutschland aus, in den Medien haben sie aber eine Vorbildrolle. Grob gesagt: Je linker die Partei, desto mehr Frauen in der Parlamentsfraktion.

SPD-Repräsentationslücke im Osten

Danken die Wählerinnen hierzulande den Parteien diese Opfergänge der grünen, linken oder SPD-Männer bei den Wahlen? Bei der Bundestagswahl 2017 nur sehr bedingt! Die CDU räumte in Ost wie in West mit ungefähr jeweils 30 Prozent mit Abstand die meisten weiblichen Wählerstimmen insgesamt ab. Im Westen Deutschlands kamen danach die SPD, die Grünen und die FDP. CSU, AfD und Linke lagen alle drei unter 10 Prozent. Da ist die Welt für die SPD noch in Ordnung, wenn man 20 Prozent für eine gute Marke hält. Im Osten Deutschlands wählen die Frauen anders. Und in drei von fünf Ländern sind dieses Jahr Landtagswahlen. Auch hier lag die CDU mit etwa 30 Prozent bei der Bundestagswahl vorn, sogar noch ein bisschen vor dem Westen. Dabei gibt es keine CSU im Osten. Dann kamen schon abgeschlagen mit unter 20 Prozent die Linke, dann die AfD und dann die SPD (14 Prozent). Somit gibt es schon aus der Sicht des Herrn Oppermann eine Repräsentationslücke, wenn im Westen ungefähr 22 Prozent, im Osten aber nur ungefähr 14 Prozent der Wählerinnen die SPD wählen. Aber hat das was mit der Frauenquote für das Parlament zu tun? Vielleicht finden die Frauen ja die Politik der Linken besser und wählen sie mit 18,1 Prozent deutlich häufiger als im Westen mit 6,8 Prozent?

Wenn sich die SPD benachteiligt fühlt, und wenn sie Angstgefühle beschleichen, wenn sie an die Landtagswahlen im Osten denkt, hat das wohl weniger mit den Frauen und einer Frauenquote zu tun als mit sozial-gesellschaftlichen Themen, die von der Linken im Osten abgearbeitet werden. „Räubern“ könnte die SPD also bei den Landtagswahlen im Osten vor allem bei der CDU und der Linken, wenn sie auf das Thema Frauenquote setzt. Ein bißchen vielleicht auch von den ebenfalls schwachen Grünen. Dass Herr Oppermann es aber nicht ernst meinen kann mit seinen Vorschlägen, erkennt man daran, dass er sie erst nach der übernächsten Bundestagswahl, also nicht vor 2025 in die Tat umsetzen will. Aber man kann ja jetzt schon mal vor den Landtagswahlen den Ostfrauen den Mund wässrig machen, oder? Zumal es ja ungerecht ist, dass diese Frauen mehr die CDU und die Linke, ja sogar die AfD wählen als die SPD, obwohl die SPD einen höheren Frauenanteil im Bundestag hat als die CDU oder die AfD. Vielleicht finden auch einfach viele Wählerinnen im Osten Frau Kramp-Karrenbauer besser als Frau Nahles? Wir werden es nicht erfahren. Es gilt das Wahlgeheimnis. Und blöd sind wir Ostmädels nicht.

Eine Erstchance für Frauen

Es ist schon noch so, dass die SPD versucht, ernsthaft Wahlen zu gewinnen. Ihre Methoden sind nur nicht mehr so seriös. Eine echte Frauenquote ist eine, die nicht nur auf Menge, sondern auch auf Tüchtigkeit setzt, damit diese Frauen nicht nur auf Dauer irgendwie mit dazugehören, sondern auch an die Hebel der Macht kommen und sich dort behaupten können. Das geht nach meiner jahrzehntelangen Erfahrung nur mit einer festen Einstiegsquote am Anfang und hoher Leistungsfähigkeit der Frauen danach auf der Strecke. Die kann man(n) an den Anteilen der Parteimitglieder ausrichten, gerne in den Parteien selbst verpflichtend. Frauen sollen eine Erstchance bekommen, die ihnen die Möglichkeit gibt, zu zeigen, was in ihnen steckt. Und da gibt es auch kein Vertun! „Den Rest“ müssen sie sich danach aber schon noch selbst verdienen.

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