Frank-Walter Steinmeier - Der richtige Kandidat fürs falsche Amt

Die Chancen steigen, dass Außenminister Frank-Walter Steinmeier der nächste Bundespräsident wird. Doch die SPD macht einen großen Fehler, wenn sie ihren besten Mann ins Schloss Bellevue weglobt

Sigmar Gabriel hat mit seinem Vorschlag den größten Trumpf der SPD bereits ausgespielt / picture alliance
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Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Es sieht so aus, als könnte der Coup gelingen. Vor einer Woche präsentierte Sigmar Gabriel seinen Parteifreund Frank-Walter Steinmeier als möglichen SPD-Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten. Erst wurde der Vorschlag als „typisch Gabriel“ belächelt, als unabgestimmt und unausgegoren abgetan. Doch mittlerweile hat er eine gewaltige Dynamik entwickelt.

Denn erstens wird es nach dem Vorstoß des SPD-Vorsitzenden keinen gemeinsamen Kandidaten der Großen Koalition mehr geben. Auch wenn Union und SPD weiter darüber reden wollen. Gabriel kann Steinmeier nicht so einfach für einen Kompromisskandidaten aus der zweiten oder dritten Reihe vom Spielfeld nehmen.

Eine Kampfkandidatur ist kaum abwendbar

Zweitens hat Gabriel die Union gewaltig unter Druck gesetzt. Vor allem die Formulierung, die SPD sei weiter kompromissbereit, falls sich ein „mindestens gleich guter Bewerber“ finde, legt die Latte für die Union sehr hoch. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat eigentlich keine andere Wahl, als gegen Steinmeier einen Christdemokraten aus der ersten Reihe zu präsentieren, also zum Beispiel Bundestagspräsident Norbert Lammert oder Finanzminister Wolfgang Schäuble. Eine Kampfkandidatur lässt sich kaum noch abwenden. Und damit wird die Bundespräsidentenwahl zu einem spannenden Machtspiel.

Und drittens zeigt sich: Die Ablehnungsfront der Linkspartei bröckelt. Sie hat erkannt, dass eine pauschale Ablehnung Steinmeiers ihr strategisch schaden könnte. Spätestens im dritten Wahlgang, in dem für die Wahl des Bundespräsidenten die einfache Mehrheit reicht, würde die Linke vor einer Entscheidung stehen: Entweder sie wählt den sozialdemokratischen Kandidaten, oder sie verhilft mit ihrer Enthaltung einem Christdemokraten ins Amt. Das wird sich die Linke drei Mal überlegen. Die Chancen, dass Steinmeier in der Bundesversammlung am 12. Februar 2017 tatsächlich Bundespräsident wird, sind in den vergangenen acht Tagen also enorm gestiegen.

Nur Steinmeier kann Merkel schlagen

Trotzdem begeht die SPD einen großen Fehler, wenn sie Steinmeier zum Bundespräsidenten macht. Denn eigentlich wäre der Außenminister der richtige Mann, um Angela Merkel als SPD-Kanzlerkandidat herauszufordern. Steinmeier ist beliebter als die Kanzlerin, und er liegt als einziger möglicher Herausforderer im direkten Vergleich mit Merkel vorne. Dies ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA im Auftrag von Cicero. Könnten die Deutschen den Bundeskanzler direkt wählen, würden sie sich der Umfrage zufolge mit 28 zu 23 Prozent für Frank-Walter Steinmeier und gegen Angela Merkel entscheiden. Alle anderen möglichen SPD-Kanzlerkandidaten liegen deutlich hinter Merkel zurück. Das heißt: Nur Steinmeier kann Merkel schlagen, nur mit Steinmeier als Kanzlerkandidat kann die SPD die Bundestagswahl im September 2017 gewinnen.

Wäre die SPD eine geschlossene Partei mit unbedingtem Machtwillen, dann würde sie natürlich ihren besten Mann nicht ins Schloss Bellevue wegloben, sondern zum Kanzlerkandidaten machen. Dann würde sie im Bundestagswahlkampf mit Steinmeier an der Spitze die Union angreifen. Aber sie zerstritten und voller Selbstzweifel.

Chance, Steinmeier umzustimmen

Natürlich weiß auch Sigmar Gabriel, dass Steinmeier eine erneute Kanzlerkandidatur bislang ablehnt. Aber das der nicht noch einmal für die SPD ins Rennen gehen will, liegt nicht an den 23 Prozent von 2009. Es liegt an den Demütigungen, die dieser als einer der Väter von Schröders Agenda-Politik damals aus den eigenen Reihen erfahren hat. Das heißt aber gleichzeitig, es gäbe eine Chance, Steinmeier umzustimmen. Nur dann müsste die SPD die nächste Bundestagwahl auch um jeden Preis gewinnen wollen. Bislang sieht es stattdessen so aus, als würde sie sich mit einem Erfolg bei der Bundespräsidentenwahl zufriedengeben.

 

Wie die SPD den beliebten Außenminister für eine erneute Kanzlerkandidatur gewinnen könnte, lesen Sie im großen Steinmeier-Porträt von Chefredakteur Christoph Schwennicke im neuen Cicero. Die November-Ausgabe erhalten Sie am Kiosk oder in unserem Onlineshop.

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