Flüchtlingsheime in der Kritik - Dämliche Deutsche?

Kisslers Konter: Die schlechten Nachrichten aus Flüchtlingsunterkünften häufen sich. Mit den Flüchtlingen kamen auch Islamisten und Terroristen. Es ist Zeit für einen nüchternen Blick

Nach der Bombenexplosion bei einem Open-Air-Festival in Ansbach beschlagnahmt die Polizei Gegenstände aus der Flüchtlingsunterkunft des Attentäters / picture alliance
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Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Am vergangenen Freitag wurde im pfälzischen Mutterstadt ein mutmaßlicher Islamist und Sympathisant des „Islamischen Staates“ festgenommen. Der Anfang 2016 – nach der Merkel'schen Grenzöffnung also – nach Deutschland gekommene Syrer hatte zuvor als Flüchtling in einem Asylbewerberheim in Dinslaken gelebt. Ebendort wurde nun ein weiterer Mann verhaftet, auch er ein Asylbewerber. Der islamistische Selbstmordattentäter von Ansbach Ende Juli war ebenfalls als syrischer Flüchtling registriert (und später abgelehnt) worden, schon vor der Grenzöffnung. Die Kunst des Bombenbauens hatte sich der Ansbacher Syrer in einem deutschen Asylbewerberheim angeeignet. Was sind das nur für Räume?

Man hört nicht nur Gutes aus Flüchtlingsheimen. Wiederkehrende Berichte erzählen von einem fast geschlossen muslimischen Milieu, in dem Christen schlechte Karten haben. In einer Flüchtlingsunterkunft im nordrhein-westfälischen Bielefeld sollen 14 christliche Iraner mit dem Tod bedroht worden sein, sofern sie nicht zum Islam konvertierten. Während des Ramadans seien andernorts für Christen nur Speisereste übrig geblieben, da die Verpflegung ganz auf die islamischen Fastengebote und Essenszeiten ausgerichtet wurde. Offenbar können Flüchtlingsheime Schulen der Diskriminierung sein und Laboratorien der Gewalt. Das Grundgesetz ist auch in seiner übersetzten Fassung nicht überall Handlungsnorm.

Zu viele Migranten

Noch schlimmer wäre es freilich, würden die Heime zu Fortbildungs- und Rekrutierungsstätten für Terroristen. Die Ansbacher Erfahrung deutet in diese Richtung, der Dinslakener Fall ist noch nicht abschließend geklärt. Mehr und mehr verhärtet sich der Eindruck, unter deutschen Dächern gediehen extraterritoriale Zonen. Auf dem Gebiet der Bundesrepublik zögen jene brachialen Sitten ein, gegen die alle Aufklärung hier wie dort revoltiert. Woran könnte das liegen?

Der banalste und vielleicht gerade deshalb wahrscheinliche Grund wäre die schiere Zahl der Migrierten. Obwohl diese, wie wir hören, abnimmt, sind es noch immer derart viele Menschen, die nach Deutschland drängen und sich eingeladen fühlen, dass mehr als ein oberflächlicher Blick nicht drin sein mag. Verfolgt ist, wer sich verfolgt nennt; Syrer, wer es behauptet. Soeben gab das BAMF übrigens bekannt: „Im Juli 2016 wurden beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge insgesamt 74454 Asylanträge gestellt. Dies bedeutet einen Anstieg um 98,4 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat Juli 2015.“

Flüchtlingsheime sind wie eine Black Box

Zweitens könnte die noch immer gewaltige Zahl der Neuankömmlinge auf einen Staat und auf eine Gesellschaft stoßen, die es beide gar nicht so genau wissen wollen. Zum quantitativen träte ein qualitatives Problem. Womöglich sind bis heute nicht alle Flüchtlinge registriert, obwohl sie es sein sollten und könnten. Womöglich hat der oberste Polizeigewerkschafter Rainer Wendt Recht, wenn er einen „riesigen Unsicherheitsfaktor“ ortet und „viel mehr Aufmerksamkeit“ fordert „für diejenigen, die bei uns sind. Und viel mehr Kontrolle über die, die zu uns kommen.“ Der Ruf nach Aufmerksamkeit wie Kontrolle nimmt eine Politik in die Pflicht, die sich lieber mit punktuellen Erfolgsgeschichten brüstet als ein strukturelles Ungleichgewicht nüchtern zu betrachten: dass da Menschen zu uns kommen, die partout nicht alle den Anforderungen an eine spätmoderne Diskursexistenz entsprechen.

Womit wir beim dritten möglichen Grund für die Verwandlung von Asylbewerberunterkünften in eine Black Box wären. Dieser Grund hat das größte Gewicht und dürfte sich, da er hinabsteigt in mentalitätsgeschichtliche Tiefen, als am hartnäckigsten erweisen, im schlimmen Sinn am nachhaltigsten. Denn wer wollte nun – ausgerechnet nun – nationalpsychologische Therapien betreiben? Dieser dritte Grund ist, in den Worten des Schriftstellers Thomas Kapielski, „die Einfalt der Deutschen und, wie es scheint, des Westens insgesamt, zu mutmaßen, alle Welt sei im Grunde ebenso harmlos, duldsam, ungezwungen und lustig wie sie gerade selbst.“ Diese „Mischung aus Dämlichkeit und Anmaßung“ addiert sich zu Kosten, die niemand begleichen will, obwohl sie uns allen präsentiert werden.

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