Erstes Triell zwischen Baerbock, Laschet und Scholz - Mit Angriffslust, Populismus und Pokerface

Es war das erste Aufeinandertreffen der drei Kanzlerkandidaten in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs. Ein klarer Sieger ist zwar nicht erkennbar, gleichwohl gab es die eine oder andere Überraschung. Zum Beispiel Armin Laschets deutliche Kritik an der Bundesregierung. Und wichtige Themen wurden ausgespart.

Die Kandidaten während ihres ersten Triells zu Gast bei RTL / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Mit dem ersten „Triell“ ist der Wahlkampf nun endgültig in seine heiße Phase gekommen. Entsprechend hoch waren auch die Erwartungen an die drei Kanzlerkandidaten, die an diesem Sonntagabend bei RTL direkt auf einender trafen.

Um es gleich vorweg zu nehmen: Sowohl die Anhängerschaft Annalena Baerbocks (Grüne), Armin Laschets (Union) und von Olaf Scholz (SPD) werden genug Gründe finden, um ihren Favoriten oder ihre Favoritin als Sieger des Abends zu feiern. Einen klaren Gewinner wird man realistischerweise nicht benennen können, dennoch gab es ein paar überraschende Momente. Hierzu zählte insbesondere die Angriffslust des inzwischen gefährlich ins Hintertreffen geratenen Laschet, der vor allem zu Beginn der von Pinar Atalay und Peter Kloeppel moderierten Sendung mit einer deutlichen Kritik an der Bundesregierung auf sich aufmerksam machte.

Scholz emotionsfrei

Scholz blieb in seiner Rolle als ein Politiker, der sich durch nichts aus der Reserve locken lässt und möglichst komplett emotionsfrei agiert, während Baerbock ab und zu gern (vermeintliche) Erfahrungen aus dem eigenen Leben in die Diskussion einfließen ließ und teilweise krassen Öko-Populismus betrieb. Bemerkenswert ist vor allem, dass drei ganz wichtige Themenkomplexe praktisch komplett ausgeblendet wurden: Migration und Integration wurden so gut wie überhaupt nicht erwähnt, obwohl sämtliche Erhebungen darauf hinweisen, dass dies die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes besonders beschäftigt. Die Rentenpolitik wurde ebenfalls völlig am Rande behandelt. Und von der mit an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit einer bevorstehenden Inflation hat man im Hause RTL bisher offenbar keine Kenntnis genommen. Insofern war die Veranstaltung seltsam unzeitgemäß, des großen Augenmerks auf Corona zum Trotz.

Worum ging es im Einzelnen?

Der erste Themenblock widmete sich den aktuellen Vorgängen in Afghanistan. Und hier ging Laschet gleich in die Offensive, indem er die Art und Weise des Rückzugs der Alliierten deutlich als ein „Desaster des Westens und auch ein Desaster der Bundesregierung“ bezeichnete. Es brauche künftig einen im Kanzleramt angesiedelten „nationalen Sicherheitsrat“, um ein koordiniertes Vorgehen zu gewährleisten; Europa müsse so gestärkt werden, dass man zumindest „einen Flughafen in Kabul aus eigener Kraft sichern kann“. Laschet ging in diesem Zusammenhang frontal auf die Grünen los, die sich bei der jüngsten Verlängerung des Afghanistan-Mandats alles andere als geschlossen gezeigt hatten. Auch kritisierte er Scholz in aller Deutlichkeit für die ablehnende Haltung der SPD mit Blick auf bewaffnete Drohnen.

Scholz blieb hier relativ diffus, sprach davon, dass die EU und die Nato für die Gewährleistung von Frieden und Sicherheit zu sorgen hätten und der Afghanistan-Einsatz nach 9/11 richtig gewesen sei. Gleichwohl habe ihn die praktisch ohne jede Gegenwehr erfolgte Kapitulation der afghanischen Nationalarmee vor den Taliban „entsetzt“. Baerbock sprach davon, man dürfe sich als Bundesregierung „nicht wegducken“ und bemühte sich darum, den Fokus auf die Evakuierung der afghanischen Helfer vor Ort zu leiten. Um militärische Fragen drückte sie sich weitgehend herum, plädierte allenfalls für eine bessere Ausrüstung der Bundeswehr.

Tagesordnungspunkt zwei war Corona. Laschet: Man werde lernen müssen, mit dem Virus zu leben, die Vergangenheit habe gezeigt, dass Prognosen schwierig zu treffen sind. Gleichwohl schloss er einen erneuten Lockdown und insbesondere Schulschließungen aus und begrüßte, dass nicht mehr alles nach Inzidenzen geregelt werde, sondern auch nach der Zahl der Hospitalisierungen.  Laschet wehrte sich gegen den Vorwurf, im von ihm regierten Bundesland Nordrhein-Westfalen einem Zickzack-Kurs gefolgt zu sein; vielmehr habe er eine sehr aus- und abgewogene Corona-Politik verfolgt.

Kein neuer Lockdown

Auch Scholz und (etwas weniger deutlich) Baerbock machten klar, dass ein abermaliger Lockdown für sie nicht in Frage kommt; einig waren sich alle Kandidaten dahingehend, dass der Impffortschritt entscheidend sei. Dennoch wollte sich keiner für eine unmittelbare Impfpflicht aussprechen, auch nicht für bestimmte Berufsgruppen. Im Gegensatz zu Scholz und Baerbock, die sich für die „3-G-Regel“ (geimpft, getestet oder genesen) im Bahnverkehr stark machten, machte Laschet auf entsprechende Probleme bei der praktischen Umsetzung aufmerksam. Große Unterschiede zwischen den drei Kandidaten waren gleichwohl nicht zu erkennen.

Das änderte sich beim nächsten Themenkomplex: Klimawandel. Baerbock musste auf diesem Feld natürlich besonders bestimmt auftreten, was sie auch prompt tat: Den Eindruck erweckend, Deutschland könne Klimaveränderungen im Alleingang stoppen, kündigte sie eine Art Sofortprogramm an, das eine von ihr geführte Bundesregierung umsetzen werde. Dazu zählen etwa Solaranlagen auf jedem Hausdach, ein um acht Jahre vorgezogener Kohleausstieg und ein Verbot der Neuzulassung von Verbrennungsmotoren bis zum Jahr 2030. Die jüngste Flutkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz führte sie umstandslos auf den Klimawandel zurück, für den auch die Bundesregierung aufgrund ihrer viel zu abwartenden Politik verantwortlich sei.

Olaf Scholz ließ zwar sein Problembewusstsein in Sachen Klima erkennen, blieb aber weitgehend diffus. Die Ausbauziele für erneuerbare Energien sollten ausgedehnt, der Strombedarf im Jahr 2045 berücksichtigt werden. Von dieserlei Vorausplanung hält wiederum Laschet überhaupt nichts, die Erfahrungen hätten gezeigt, dass solche Prognosen regelmäßig von der Wirklichkeit eingeholt würden. Besser also, auf Flexibilität, Innovationskraft und auf die Tatsache setzen, dass die Industrie selbst das größte Interesse daran habe, möglichst bald klimaneutral produzieren zu können. Während Scholz und Baerbock hier vor allem auf Staatsinterventionismus setzen, ist Laschet für marktwirtschaftliche Elemente und Anreizmechanismen.

Sehr im Ungefähren blieben die Antworten auf die Frage der Moderatoren, welche Kosten der Klimaschutz für die einzelnen Bürger verursachen werde. Scholz drückte sich abermals um ein klares Statement herum, Baerbock sprach davon, die Einnahmen einer CO2-Steuer per Umlageverfahren an die Bürger zurückzugeben, während Laschet genau das als in der Praxis unrealistisch brandmarkte. Als Zuschauer bekam man den Eindruck, dass das Klima-Thema noch immer sehr unausgegoren ist und künftig vor allem dazu herhalten könnte, um ganz andere Agenden zu legitimieren.

Rente? Kein Thema!

Erschreckend wenig ergiebig war der Schlagabtausch beim Themenkonvolut „Rente, Arbeit, Einkommen“. Fast wirkte es so, als wären das zweitrangige Fragen. Fazit: Scholz und Baerbock möchten Steuern für bestimmte Einkommens- und Berufsgruppen erhöhen (das übliche „Starke-Schultern“-Argument), Laschet hält Steuererhöhungen in der derzeitigen Situation für Gift. Scholz will den Mindestlohn erhöhen („Respekt“), Barbock denkt beim Thema Steuererhöhung an Kinderarmut, die es zu beheben gelte (und bringt dafür wieder privates Anschauungsmaterial von angeblich selbsterlebten Spielplatz-Besuchen), während Laschet dafür eintritt, den Menschen zu einem selbstverantwortlichen und nicht zuletzt selbstfinanzierten Leben zu verhelfen. An dieser Stelle liegt wahrscheinlich der eigentliche Graben zwischen Rot-Grün und einem Post-Merkel-Schwarz.

Rente? Wie gesagt: Muss man offenbar nicht groß darüber reden. Einzige Bemerkung von Scholz: Eine Anhebung des Rentenalters steht nicht zur Debatte. Ende der Diskussion, demographische Fakten spielen bekanntlich keine Rolle.

Beim Thema innere Sicherheit ging es bizarrerweise um irgendwelche unbeleuchteten Unterführungen, nächtliche Parks und Videoüberwachung. Natürlich wäre an dieser Stelle ein Rekurs auf 2015 ff. angebracht gewesen, aber das ist für alle Beteiligten (und offenbar auch für die Moderatoren) wohl vermintes Terrain. So konnten sich die drei Kandidaten schnell darauf einigen, dass die Polizei besser ausgestattet werden müsse. Vielleicht geht es auch mit ein bisschen mehr Video-Überwachung auf öffentlichen Plätzen, was Laschet anregte und wo auch Scholz lieber nicht widersprechen mochte.

Linke? Lieber nicht fragen!

Gendern? Soll jeder es damit halten, wie er will (Baerbock, Scholz), aber dabei „die Tassen im Schrank lassen“ (Laschet). Womit das höchst kontroverse Thema Identitätspolitik auch schon abgeräumt war. Auch die seit längerer Zeit immer deutlicher wieder zutage tretenden Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland, die vor allem auf einen Mentalitätskonflikt schließen lassen, waren schnell und umstandslos abgehakt. Jedenfalls stellten die drei Kandidaten, allesamt aus dem Westen stammend, ihr Verständnis hinsichtlich der neuen Länder in den Vordergrund. Details wurden, bis auf die ominöse „Angleichung der Lebensverhältnisse“, ausgespart.

Letzter Punkt: Koalitionsmöglichkeiten. Bemerkenswert, dass sowohl Scholz wie auch Baerbock leichte bis mittlere Absetzbewegungen von der Linkspartei erkennen ließen (wegen außenpolitischer Fragen). Bemerkenswert auch, dass sie dennoch eine Koalition mit der Linken nicht explizit ausschließen wollen. Auf die entsprechende Aufforderung Laschets an den Bundesfinanzminister verfiel Scholz wieder in sein altes Lavieren von wegen, es gehe um inhaltliche Prinzipen, und die Bürger würden darüber entscheiden, „wer der nächste Kanzler wird“. Die übliche Wahltaktik eben.

Fazit: Niemandem sind grobe Fehler unterlaufen, aber echte Highlights hat auch keiner gesetzt. Drei Teilnehmer, kein Verlierer. Bis auf die Zuschauer, die von diesem Triell keinen wirklichen Erkenntnisgewinn hatten. Die Frage ist nun: Was ist eigentlich von den verbleibenden zwei Konfrontationen der Kandidaten zu erwarten? Ein Cliffhanger war der Sonntagabend bei RTL jedenfalls nicht. Fortsetzung folgt dennoch.

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