Erhöhung des Rundfunkbeitrags - Es ist euer verdammter Job!

Heute haben die Ministerpräsidenten den Weg für eine Erhöhung des Rundfunkbeitrags freigemacht. Es ist ein guter Moment für die Journalisten der öffentlich-rechtlichen Medien, sich an ihren Auftrag zu erinnern.

Die Mikrofone verschiedener Medien stehen anlässlich einer Wahlkampfveranstaltung der AfD auf dem Rednerpult / picture alliance
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Autoreninfo

Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Stellen Sie sich vor, Sie sind Notarzt, und nun erreicht Sie ein Notruf aus einem Kaff in Brandenburg, in dem gerade Rechtsradikale ein Musikfestival veranstalten. Sie verorten sich selbst eher grün-links, deshalb sagen Sie Ihrem Chef: Nö, da fahr' ich nicht hin, ich will mir die Finger nicht schmutzig machen. Was wird Ihr Chef Ihnen sagen? Deine Befindlichkeiten sind mir völlig egal. Erstens kommt das Geld, das Du verdienst, genauso aus der Tasche des Nazis wie aus der Tasche des Islamisten, und zweitens hast Du einem ärztlichen Eid zu folgen.

Jeder Vergleich hinkt, aber geben Sie mir eine Chance und lesen bitte weiter. Es geht um die Frage, wie ausgewogen die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sein sollte. Heute haben die 16 Ministerpräsidenten mit ihrer Unterschrift unter eine Novelle des Rundfunkstaatsvertrags den Weg freigemacht, um den Rundfunkbeitrag Anfang 2021 um 86 Cent auf 18,36 Euro zu erhöhen.

Dagegen gibt es Widerstand, besonders von AfD und ihren Sympathisanten. Die AfD will die Öffentlich-Rechtlichen zwar nicht abschaffen, aber von Grund auf reformieren. Auf ihrer Seite gibt sie “GEZ-Verweigerern” sogar juristischen Beistand.

Man klopft sich gegenseitig auf die Schulter

Das Establishment der Republik schmückt sich dagegen gerne mit unserer öffentlich-rechtlichen Medienphalanx - gerade im Kontrast zu Ländern wie den USA, in denen CNN und Fox News parteiliche Berichterstattung geradezu zelebrieren. Jeder Cent der acht Milliarden Euro, die die Öffentlich-Rechtlichen jedes Jahr erhalten, sei bestens investiert. Gerade heute kann man beim Ex-CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz mal wieder nachlesen: “Gut, dass wir den öffentlich-rechtlichen Rundfunk haben.” Er verweist auf eine frische Reuters-Studie, bei der die Tagesschau in der Vertrauensfrage mit 70 Prozent ganz oben steht, knapp gefolgt von den heute-Nachrichten.

Aber bei allem gegenseitigen Schulterklopfen, das heute wieder aus den Intendanten-Büros von ZDF und den Landesanstalten zu hören sein wird, darf gefragt werden: Was ist mit den restlichen 30 Prozent? Laut der Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen 2019 sagen elf Prozent der Deutschen, man könne dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht mehr vertrauen. Der Wert hat sich seit Beginn der Untersuchung 2016 mehr als verdoppelt.

Versetze ich mich in einen AfD-Wähler, kann ich nur sagen: Ich würde den Öffentlich-Rechtlichen keinen Cent mehr in den Rachen werfen. In diesen Kreisen schauen die Menschen die Tagesschau nur noch, um sich darüber zu ärgern. Kann man es ihnen verdenken? Wer wie ich regelmäßig den Deutschlandfunk hört, eine leicht angestaubte Institution, die noch stärker als das Fernsehen um Ausgleich bemüht ist, der fragt sich: Wo bleibt in der Berichterstattung eigentlich die politische Kraft, welche die größte Oppositionsfraktion im Bundestag stellt und in allen 16 Landesparlamenten vertreten ist?

Die Strategie der Eindämmung ist gescheitert

Nehmen wir mal die vergangenen Tage: Zur Corona-App, zum Konjunkturpaket, zur Aufnahme von Flüchtlingen wird die Position der Regierungsvertreter referiert. Dann heißt es meist: "Die Opposition äußert Kritik." Dann kommen sehr häufig Grünen-Politiker zu Wort, gerne FDP-Vertreter, seltener Linke, aber so gut wie nie AfD-Politiker. Warum, und das ist eine ernstgemeinte Frage, sollte ein AfD-Wähler jährlich mit über 200 Euro Journalisten finanzieren, die sich einen Kehricht um seine politischen Überzeugungen scheren?

Bevor jetzt die Oberschlauen kommen und mir reihenweise Beispiele von Nachrichtenbeiträgen vorweisen, in denen auch die AfD zu Wort kommt: Es gibt bisher keine Studie zu dieser Frage, auf die ich mich berufen könnte. Und mein Urteil basiert auch nicht auf repräsentativen Auswertungen aller öffentlich-rechtlichen Nachrichtensendungen. So eine Studie zu liefern, wäre aber ein absolutes Desiderat. Liebe Medienwissenschaftler: Ran an die Buletten!

Talkshows: Wo ist die größte Oppositionspartei?

Belastbare Zahlen gibt es dagegen zur ewigen Talkshow-Quadriga Maischberger-Plasberg-Will-Illner: Das Redaktionsnetzwerk Deutschland wertet inzwischen jährlich die politische Zugehörigkeit der Talkgäste aus: Im letzten Jahr entsprach die Repräsentation in den Talkshows weitgehend dem Anteil der Parteien an Sitzen im Bundestag - bis auf zwei Ausreißer: Die Grünen kommen im Bundestag auf 9,5 Prozent, waren aber mit 17,2 Prozent unter den Gästen die größte “Talk-Opposition.” Die AfD hingegen, im Bundestag mit 12,8 Prozent der Sitze vertreten, war in den Talkshows nur mit 5,2 Prozent vertreten.

Seit Beginn der Corona-Krise hat sich dieser Eindruck noch einmal verstärkt: In den Talkshows waren die FDP-Politiker die einzigen, die ihre Kritik an den Corona-Maßnahmen zu Protokoll geben durften, die AfD, die gerade bei Corona eine einigermaßen vernunftgeleitete Position einnahm, bekam kein Podium mehr. Die Schmuddelkinder von Rechts kommen eigentlich nur noch vor, wenn sie sich - Stichwort Meuthen gegen Kalbitz - selbst zerlegen, oder wenn der Verfassungsschutz mal wieder einen Landesverband unter Beobachtung stellt.

Den Haltungsjournalismus anderen überlassen

Die Krokodilstränen der Medienwissenschaftler und Parteipolitiker darüber, dass sich bestimmte Teile der Bevölkerung in ihre medialen Blasen auf Facebook, Youtube und Telegram zurückgezogen hätten, lasse ich vor diesem Hintergrund mal ganz mitleidslos abtropfen. Den Öffentlich-Rechtlichen scheint es insgeheim recht zu sein, dass sie keine Rücksicht mehr auf die Rechten nehmen müssen. Warum sonst lässt der Deutschlandfunk den Publizisten Arno Frank zur Talkshow-Studie wie folgt kommentieren: “Mag sein, dass die AfD zu kurz kommt – die hat ohnehin längst das Internet für sich entdeckt. Ein Recht auf Sendezeit um der Sendezeit willen gibt es nicht.” Nach mehreren Jahren, in denen die Öffentlich-Rechtlichen die mediale Eindämmung der AfD verfolgt haben, kann man das Fazit ziehen: Die Strategie ist gescheitert. Die AfD-Sympathisanten haben sich in den sozialen Netzwerken eingeigelt, wo sie sich nur gegenseitig mit Inhalten füttern, die sie nur in ihren Meinungen bestärken. Kann das ernsthaft jemand wollen?

Nochmal zum Mitschreiben: Die taz kann für ihr Klientel schreiben, der SPIEGEL ebenso, auch der CICERO hat sein Profil. Aber wir privaten Medien erheben keine monatliche Rundfunkgebühr. Wer uns nicht lesen will, der kauft uns nicht. Für die Öffentlich-Rechtlichen gelten andere Maßstäbe. Monitor-Chef Georg Restle mag in den “Tagesthemen” im Eifer des Gefechts fordern, der “AfD keinen Raum, keine Bühne und erst recht keine Stimme” zu geben. Aber hat sich Restle mal überlegt, dass für sein Gehalt auch Millionen AfD-Wähler monatlich 17,50 Euro abdrücken? Warum sollten sie das weiter tun?

"Objektivität und Unparteilichkeit"

Es ist die verdammte Pflicht der Journalisten im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, ungeachtet der eigenen politischen Überzeugung mit den politischen Vertretern zu sprechen, die der Souverän geliefert hat. Selbst wenn es ihn Überwindung kostet. Den Haltungsjournalismus sollten gerade die Öffentlich-Rechtlichen denen überlassen, die ihn aus welchen Gründen auch immer für geboten halten. Darin ähnelt der öffentlich-rechtliche Journalist dem Arzt, der eben auch einem Nazi das Leben retten muss. Es ist sein Job.

Es stünde den Verfechtern des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks gut zu Gesicht, über eine weitere Erkenntnis der schon erwähnten Reuters-Studie nachzudenken: 80 Prozent der Deutschen - und damit weit mehr als in den meisten anderen Ländern - bevorzugen Nachrichten ohne erkennbaren Standpunkt. Will sagen: Den Haltungsjournalismus haben die meisten hierzulande satt.

Im Rundfunkstaatsvertrag ist der Auftrag der Öffentlich-Rechtlichen in Paragraph 11 so formuliert: “Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen.” Vielleicht wäre es an der Zeit, sich diesen Grundsatz in Erinnerung zu rufen, gerade in solchen Momenten, in denen man den Beitrag erhöhen will.

 

Mitarbeit: Rixa Fürsen

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