Erfolg der AfD - Warum die Medien eine Mitschuld tragen

Nicht nur bei Angela Merkel wartet man nach der Bundestagswahl vergeblich auf Selbstkritik. Auch die Medien sehen dazu offenbar keinen Anlass. Dass sie die Flüchtlingspolitik nicht vorsätzlich in falschem Licht darstellten, macht es nicht besser

Vergleich von Frauke Petry mit Adolf Hitler in der deutschsprachigen Ausgabe der Saitrezeitschrift Charlie Hebdo / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Frank A. Meyer ist Journalist und Kolumnist des Magazins Cicero. Er arbeitet seit vielen Jahren für den Ringier-Verlag und lebt in Berlin.

So erreichen Sie Frank A. Meyer:

Anzeige

Angela Merkel trägt die Verantwortung für das zweitschlechteste Resultat ihrer Partei in allen Bundestagswahlen seit 1949. Und was fällt ihr dazu ein? „Ich kann nicht erkennen, was wir jetzt anders machen müssten.“

Dieser Verzicht auf jede Selbstkritik, das Eingeständnis, zur Selbstkritik gar nicht fähig zu sein – es ist der Offenbarungseid der „mächtigsten Frau Europas“, wie ihr gerne gehuldigt wird. 

Wäre da der Rücktritt der Bundeskanzlerin nicht die logische, die moralische Konsequenz? 

Selbstkritik? Fehlanzeige.

Auch die SPD bekam von den Wählern das schlechteste Resultat seit 1949 verpasst. Auch die Sozialdemokraten scheuen sich vor einer schonungslosen Analyse. Die einstige Volkspartei, auf 20 Prozent Wähleranteil geschrumpft, verzichtet zwar auf eine Fortsetzung der Großen Koalition, jedenfalls vorerst, macht aber mit dem bisherigen Führungspersonal weiter. 

Was die politisch Verantwortlichen vorexerzieren: Die Medien machen es nach. Auch ihnen fällt zum Wahlergebnis nichts Selbstkritisches ein. Sind die Journalisten am Aufstieg der rechtspopulistischen AfD zur drittstärksten Kraft im Deutschen Bundestag denn völlig unschuldig? 

Auch Medien trifft Schuld

Tatsache ist: Die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel verlieh der AfD Flügel. 1,5 Millionen Migranten, die in jenen Monaten der Grenzöffnung 2015 unkontrolliert ins Land strömten, sind in den Augen zahlloser Bürger bis heute ein kaum bewältigtes Problem – kulturell wie finanziell. Das war abzusehen. Warnende Stimmen gab es früh. Sie blieben ungehört. 

An diesem Punkt beginnt die Verantwortung der Medien für das Debakel – von ARD und ZDF über Deutschlandfunk und Süddeutsche Zeitung bis Zeit und Bild. Sie haben die Warner jener Herbstwochen vor zwei Jahren nicht nur überhört, sie haben sie diffamiert: als Rechte, als Fremdenhasser, als Rassisten, als Zuträger der Populisten. 

Finanzminister Wolfgang Schäuble wagte es damals, für den Flüchtlingsstrom das Bild der „Lawine“ zu verwenden. Er wurde niedergemacht. Jeder Mucks gegen die verordnete „Willkommenskultur“ galt als verwerflich. Angela Merkel machte ein Selfie mit einem Flüchtling. Das Bild ging um die Welt – und wurde von Afghanistan bis Marokko als Einladung verstanden: Auf geht‘s, nach Deutschland! Die Medien feierten die Kanzlerin als Schutzpatronin aller Migranten. 

Das Hosianna der kulturellen und wirtschaftlichen Bereicherung

Mediale Begeisterung begleitete den Treck der Einwanderer. Allesamt wurden sie in den unantastbaren Status von Schutzsuchenden erhoben. Wer durfte da noch aufbegehren, ohne sich der moralischen Verwerflichkeit zeihen zu lassen? Es waren doch lauter Facharbeiter und Ärzte, welche die deutsche Grenze überschritten! Wer durfte dies anzweifeln, ohne als ökonomisch ahnungslos dazustehen? 

Die deutschen Medien sangen das Hosianna der kulturellen und wirtschaftlichen Bereicherung durch die Völkerwanderung. 

Heftigste Prügel in Zeitungen und Sendungen bezogen Kritiker des Islam. Der totalitäre Dogmatismus der Religion dieser Migranten war tabu. Wer gegen das Tabu verstieß, der war so schlimm wie ein Antisemit. Judenfeindschaft wurde mit Islamkritik in eins gesetzt. 

Nährboden für die AfD

Wie die Propagandawelle inszeniert wurde, demonstrierte die Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung: Auf fünf Seiten zeigte sie in einer einzigen Ausgabe Bilder von geflüchteten oder fliehenden Frauen und Kindern – Stimmungsmache in Reinform. Über Tage und Wochen und Monate feierten Zeitungen, Fernsehen und Radio Deutschlands moralische Großtat. 

In Wahrheit wanderten vor allem Wirtschaftsmigranten ein, schlecht ausgebildet, wenn nicht Analphabeten – Notleidende durchaus, nicht aber politisch Verfolgte, denen allein das Asyl zusteht. Der deutsche Sozialstaat wurde zum Sehnsuchtsland für Menschen aus armen Ländern, die sich die Reise – und die Schlepper – leisten konnten. Mit ihnen kamen zahllose junge Männer ins Land, denen die Frau nichts gilt: ein schwelendes Problem, um das die Medien bis heute herumdrucksen. 

Wer in den Redaktionssitzungen gegen den moralischen Maulkorb aufbegehrte, weil er Journalist sein wollte und nicht Propagandist, sah sich mit Misstrauen beäugt und marginalisiert. 

Diese Tatsachenverweigerung durch die Medien bildete den Nährboden für die AfD, der sich Bürger aller Schichten zuwandten, von Arm bis Reich, weil sie bei niemandem sonst Gehör fanden. Der Begriff „Lügenpresse“ war plötzlich in aller Munde.

War es Vorsatz?

Haben die Medien die Menschen belogen? Lügen bedeutet: die Unwahrheit sagen wider besseres Wissen. Aber so war es nicht. Die Journalisten glaubten nämlich, was sie schrieben, sagten und sendeten. Sie haben die Bürger nicht mit Absicht getäuscht – sie haben sich selbst etwas vorgelogen. 

Ist das als mildernder Umstand zu werten? Nein. Denn die journalistische Verantwortung für das Wahlresultat wiegt schwer – sehr schwer. Man stelle sich vor, die Medien hätten von Anbeginn der Einwanderungswelle offen, kritisch, analysierend unter die Lupe genommen, was da vor sich ging – die Politik der Bundesregierung wäre eine andere gewesen. 

Am Anfang einer Meinungsbildung der Bürgerschaft und ihrer politischen Repräsentanten steht immer die Information – Aufklärung über die tatsächlichen Verhältnisse. 

Die deutschen Medien haben von Anfang an versagt.

Dieser Text erschien auch im Schweizer Sonntagsblick.

Anzeige