Einwanderung - Deutschland geschieht

Endlich beginnt die neue Regierung zu arbeiten, allerdings ohne ein Einwanderungsministerium. Dabei wäre das dringend nötig, denn die Einwanderung verändert die deutsche Kultur und die Gesellschaft.

Erschienen in Ausgabe
„Refugees welcome“: Simone Peter beim Bundesparteitag der Grünen / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Frank A. Meyer ist Journalist und Kolumnist des Magazins Cicero. Er arbeitet seit vielen Jahren für den Ringier-Verlag und lebt in Berlin.

So erreichen Sie Frank A. Meyer:

Anzeige

Mehr als 150 Tage dauerte das Sondieren und Verhandeln der prospektiven Koalitionspartner über eine neue Bundesregierung. Nein, die Gespräche waren nicht uninspiriert, wie das „Baukindergeld“ dem verblüfften Publikum überzeugend vor Augen führt. Deutschlands politische Elite weiß, worum es in Deutschland geht und was in Deutschland wirklich wichtig ist. In der Welt war am 17. Januar die lakonische Feststellung zu lesen: „Deutschland wird muslimischer, afrikanischer, auch asiatischer werden, als es heute ist. Dies zu bedauern, ändert nicht die Fakten.“

Diese Fakten spielten beim Sondieren und Verhandeln über eine neue Bundesregierung keine Rolle. Die Multikulturalisierung Deutschlands zählt nicht zu den brennenden, den entscheidenden Themen der neuen Bundesregierung. Das Stichwort Migration erscheint dort lediglich in Form der fortdauernden Zuwanderung, vor allem im Rührstück des Familiennachzugs, den die Grünen mit süßen Bildchen von Flüchtlingskindern propagieren – auf dass der Betrachter gleich sein schlechtes Gewissen aktiviert, sollte ihm auch nur ein einziger kritischer Gedanke zu dieser moralischen Erpressung durch den Kopf gehen.

Gewollter Kontrollverlust

Die kulturelle Veränderung der deutschen Gesellschaft geschieht einfach, weil es nicht dem Ratschluss der Regierenden entspricht, sie offen anzusprechen, offen zu verhandeln, zu bremsen, gar zu stoppen. Weshalb auch darauf verzichtet wird, der ganzen Problematik durch ein Integrationsministerium demonstrativ Aufmerksamkeit zu widmen. Es ist, wie es war: im Herbst 2015, als die Masseneinwanderung muslimischer und afrikanischer Migranten von den Bürgern hingenommen werden sollte wie ein Naturereignis – ausgelöst durch eine Bundeskanzlerin, die auch noch die Chuzpe hatte zu erklären, es stehe nicht im Ermessen des Staates, das Geschehen zu stoppen oder wenigstens zu kontrollieren.

Das gewollte Staatsversagen vor zweieinhalb Jahren wurde von Merkels Medien willfährig zur „Willkommenskultur“ überhöht. Jede Kritik am Zustrom der geradezu biblisch in Szene gesetzten Bedrängten und Beladenen auf der Suche nach einer Herberge in dieser herzlosen Welt hatte mediale Ächtung zur Folge. Sogar Wolfgang Schäuble, der den Begriff „Lawine“ zu verwenden wagte, musste sich rechtfertigen. Die Lawine hat ihre Spuren hinterlassen: in Mannheim, in Badenweiler, in Cottbus, in zahllosen Gemeinden überall im Land, in den Parks, an den Bahnhöfen, auf den Schulhöfen der Großstädte. Die Bürgerinnen und Bürger haben erneut klaglos hinzunehmen, was die Bundesregierung partout nicht zur Kenntnis nehmen will: aggressive Verweigerung von Integration, ostentative Frauenverachtung, Verrohung der Jugendkultur, Gewalttätigkeit, Schwerkriminalität.

Erstarken der Rechten

Aufmärsche von rechten und rechtsextremen Gruppen sind die Folge, auch von Neonazis, denen der fortdauernde Migrantenzustrom Gelegenheit zur Selbstdarstellung vor verunsicherten Normalbürgern gibt. Die äußerste Rechte, ein trauriger Traditionsbestand der Nation, bringt sich hoffnungsfroh in Stellung. Die Braunen und Rechten kommen den Grünen und Linken gerade recht. Sie rücken ihrerseits die nationalistische und völkische Kamarilla in Stellung gegen Migrationskritiker: Wer auch nur skeptische Fragen zur migrationskulturellen Entwicklung stellt, der wird geschmäht als Helfershelfer von Faschisten und Neonazis, zumindest von Rechtspopulisten. Moralismus als Zynismus.

Doch bislang funktioniert das Spiel. Und es verhindert, dass das auf Generationen hinaus größte Problem Deutschlands als eben dieses größte Problem Deutschlands erkannt wird – geschweige denn einer Lösung zugeführt. In Frankreich wäre zu besichtigen, wie ganze Kommunen islamisch dominiert werden: keine Frau ohne Kopftuch oder Schleier, nur noch Halalfleisch in den Metzgereien, strikt alkoholfrei die Cafés, Scharia statt französischer Verfassung und französischem Recht – Frankreich nicht wiederzuerkennen. Aus der Welt, dem Blatt, das selten ein offenes Wort scheut, ist Dirk Schümer zu zitieren: „Wo der starke Staat zum Papiertiger wird, herrschen Faust- und Religionsrecht.“

Meinungsänderung der Bundespräsidenten

Wer wäre glaubwürdiger mit seiner Kritik an einer islamischeren und afrikanischeren Republik als der vor kurzem abgetretene Bundespräsident? Joachim Gauck war im Herbst 2015 Schöpfer des Wortbilds vom hellen und vom dunklen Deutschland, in dem das helle Deutschland von der Willkommenskultur beschienen wurde, mit dem dunkeln Deutschland hingegen die Migrationskritiker gemeint waren. Heute sagt der politische Pastor: „Ich verstehe, dass es auf den ersten Blick tolerant und weltoffen anmuten mag, wenn Vielfalt derart akzeptiert und honoriert wird. Wohin ein solcher Multikulturalismus aber tatsächlich geführt hat, das hat mich doch erschreckt.“

Und auch dem amtierenden Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier wird ob der Migrationsfolgen allmählich mulmig zumute, weshalb er eine klare Trennung von echten Flüchtlingen und Wirtschaftsmigranten fordert. Frank-Walter Steinmeier wörtlich: „Wir müssen diese Unterscheidung wieder ernst nehmen.“ Also wurde diese Unterscheidung nicht ernst genommen. Wird sie überhaupt wahrgenommen? Die Fatalität einer Völkereinwanderung kommt im Denken und Planen der Volksparteien schlicht nicht vor.

Stillschweigende Verwaltung

Dazu ein weiteres Zitat von Joachim Gauck: „Es ist, als scheuten wir davor zurück, die Werte der liberalen Demokratie zu verteidigen.“ Demokraten müssten längst die Frage zur Debatte stellen: Wollen die Deutschen ein islamischeres und afrikanischeres und asiatischeres Deutschland? Ebenso wäre die Folgefrage zu stellen: Wer entscheidet eigentlich über fundamentale gesellschaftliche Veränderungen der deutschen Lebenswirklichkeit – des Alltags von Bürgerinnen und Bürgern?

In Berlin gibt sich eine Kanzlerin mitsamt ihrer Akklamationskaste dem Konsens hin, dass Deutschland sein Einwanderungsschicksal möglichst diskret, wenn nicht gar stillschweigend zu verwalten habe. Im Übrigen sollen „diejenigen, die schon länger hier leben“, wie Angela Merkel ihr Volk huldvoll-distanziert zu bezeichnen geruht, ergeben hinnehmen, was geschieht. Deutschland geschieht.

Dies ist ein Text aus der März-Ausgabe des Cicero. Erhältlich am Kiosk und in unserem Onlineshop.










 

Anzeige