Die Grünen - Die Luxus-Öko-Partei auf Themensuche

Kolumne: Grauzone. Die Grünen befinden sich im Umfrage-Loch. Der Partei scheint zu den tagespolitischen Herausforderungen nichts einzufallen. Doch in der Krise liegt für sie auch eine Chance

Mut kann die Partei im Moment gut gebrauchen / picture alliance
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Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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„Zukunft wird aus Mut gemacht“, lautet der Titel des Programmentwurfs der Grünen für die diesjährige Bundestagswahl. Und Mut, soviel steht fest, werden die Grünen auch brauchen. Und sei’s der Mut der Verzweiflung.

Denn die Umfrageergebnisse, die das Institut Forsa diese Woche veröffentlichte, können die Wahlkampfstrategen der Grünen kaum hoffnungsfroh stimmen. Gerade mal bei 6 Prozent sahen die Meinungsforscher die Partei mit der Sonnenblume als Logo.

Gegenüber dem Post-Fukushima-Hoch von 2011 ist das ein Absturz von satten 22 Prozentpunkten. Was aber sicher schwerer wiegt: Auch gemessen an den ungleich realistischeren Werten vom letzten Sommer hat sich der Stimmenanteil der Grünen in den Umfrageergebnissen mehr als halbiert. Emnid kam zu einem ähnlichen Wert. Immerhin: Allensbach und Infratest dimap sehen die Grünen noch bei 7 Prozent.

Der Trend geht steil nach unten

Wichtiger als Details und einzelne Prozentpunkte ist – knapp fünf Monate vor der Bundestagswahl – jedoch der allgemeine Trend. Und der kennt seit Monaten für die Grünen nur eine Richtung: steil nach unten. Dass knapp die Hälfte der Deutschen der Partei im Falle ihres Verschwindens nicht einmal hinterher trauern würde, nimmt sich dann nur noch wie Hohn aus.

Doch gemach: Die teilweise mit unverhohlener Schadenfreude verfassten Nachrufe auf die ehemals Alternativen sind deutlich verfrüht. Denn die Grünen verfügen inzwischen über eine Stammwählerschaft, die sie im September ziemlich sicher über die magischen fünf Prozent hieven wird. Und sollten die Umfrageergebnisse all zu bedrohlich werden, wird es genug Wähler geben, die vom Schulz-Zug ab und zurück zu den Grünen springen. Denn deren Wählerpotential, auch das zeigen Umfragen, ist nach wie vor hoch.

Soweit die trockene Arithmetik. Sehr viel spannender ist natürlich die naheliegende Frage: Wie konnte es soweit kommen? Sicher, das Wahljahr begann für die Grünen eher suboptimal: Die Kritik an der Kölner Polizei, der Plan für geschlechtergerechte Unisextoiletten und die Idee mit den Sexualdienstleistungen auf Krankenschein – all das wirkte wie von bösartigen Satirikern ausgedacht, war aber ernst gemeint. Andererseits sollte man die Wirkungsmacht solcher Politpetitessen nicht überschätzen. Sie versenden sich nach kurzer Zeit im Mediengetöse.

Kein Platz für Grüne Themen

Klar ist allerdings: Der Partei fehlt eine Führungsfigur wie Joschka Fischer. Und die Kanzlerin der Energiewende macht ökologische Forderungen nicht zu einem dringenden Anliegen. In den Worten der Bundestagsabgeordneten der Grünen, Frau Göring-Eckardt: Grüne Themen sind im Moment nicht „der heiße Scheiß der Republik“.

Hinzu kommt, dass den Grünen wenig einfällt zu den tagespolitischen Herausforderungen. Syrien, Nordkorea, globale Migration, Donald Trump, Recep Erdogan: Wenn man von den Grünen überhaupt etwas zu diesen Themen hört, so sind es stereotype Phrasen, die nicht nur langweilig klingen, sondern vor allem wie aus einer fernen, vergangen Zeit.

Und genau das ist ihr Hauptproblem. Nüchtern betrachtet ging es Deutschland wahrscheinlich nie besser. Doch das Land fühlt sich im Krisenmodus: die Weltlage labil, jederzeit kann alles passieren. Und Dinge, die man noch gestern für unmöglich gehalten hat, werden heute Realität.

In so eine Zeit passen die Grünen nicht. Es war schon immer zu vermuten: Die Grünen sind die Luxuspartei einer Gesellschaft, die keine andere Sorgen hat als die Abgaswerte ihrer Luxuskarossen. Freundlicher formuliert: Die Grünen sind die Partei für die langfristigen Projekte, dafür, dass nachfolgende Generationen eine saubere Umwelt vorfinden und eine vielfältige Flora und Fauna.

Aus der Krise lässt sich lernen

All das ist wichtig. Ohne Frage und ohne jede Ironie. Doch wenn Sturm aufkommt und die Segel gerefft werden müssen, wenn es vorbei ist mit dem bedächtigen Dümpeln in der leichten Brise, dann wirken die Grünen konzeptlos, wirklichkeitsfremd und halbgar. Dann liest sich ihre Programmatik wie das verstiegene Wünsch-Dir-was von Menschen, die etwas zu lang Sozialpädagogik studiert haben.

So gesehen ist die Krise der Grünen ein Gewinn – nicht zuletzt für sie selbst: Sie zwingt die Partei realistischer zu werden, weniger hochtrabend und lehrmeisterisch. Zugleich ist der Abstieg der ehemaligen Ökopartei Ausdruck der Verunsicherungen der Kulturlinken. Seit sie in den 90er Jahren die Diskurshoheit eroberten, blies ihnen nie soviel Gegenwind ins Gesicht. Aber auch das ist sicher nicht zum Schaden des Landes, sondern eine Chance zur Neubesinnung.

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