Deutschland und der islamistische Terror - Verhallende Mantras

Äußerungen von Thomas de Maizière und Gerda Hasselfeldt zeigen: Einen Zusammenhang herzustellen zwischen Merkels Flüchtlingspolitik und der Sicherheitslage in Deutschland, wird immer weniger zum Tabu. Gut so. Denn die ständige Wiederholung des Mantras, das eine habe mit dem anderen nichts zu tun, macht es nicht wahrer

Entfernen sich die Kanzlerinfreunde Gerda Hasselfeldt und Thomas de Maizière von Merkels Flüchtlingspolitik? / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Manchmal stecken die Wirkmacht und Bedeutung von Gesagtem in einem scheinbaren Nebensatz. So war es bei einem Interview des Deutschlandfunks mit der CSU-Landesgruppenvorsitzenden Gerda Hasselfeldt. Anlass waren die bevorstehende CSU-Klausur sowie ein Vorstoß von Thomas de Maizière (CDU). Der Bundesinnenminister hatte für mehr Bundeskompetenz bei der inneren Sicherheit plädiert, vor dem Hintergrund des Terroranschlags auf dem Berliner Breitscheidplatz und der Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und natürlich ging es unvermeidlich um die beharrliche Forderung von CSU-Chef Horst Seehofer nach einer Obergrenze. 

Deren Sinn hatte der Radiomoderator in Frage gestellt, weil doch ohnehin immer weniger Flüchtlinge kämen. Hasselfeldt merkte dazu an, dass das angesichts der Entwicklungen im südlichen Mittelmeerraum nicht so bleiben müsse und sagte dann wörtlich: „Horst Seehofer hat meines Erachtens zu Recht auf die große Bedeutung der Begrenzung der Flüchtlingszahlen noch einmal hingewiesen. Wir werden die Aufgaben der Humanität, die Aufgaben der Integration der Flüchtlinge, die ein Bleiberecht haben, oder auch die Sicherheitsaufgaben nicht lösen können, wenn wir die Flüchtlingszahlen nicht begrenzen, und zwar nicht nur kurzfristig, sondern eben auch dauerhaft begrenzen.“

Tabubrecherin Gerda Hasselfeldt

Bemerkenswert an dieser Antwort: Gerda Hasselfeldt, die Kanzlerinfreundin in den Reihen der CSU, stellt einen unmittelbaren Zusammenhang her zwischen Merkels Flüchtlingspolitik der vergangenen anderthalb Jahre und der Sicherheitslage in Deutschland. Damit widerspricht Hasselfeldt einem Mantra, das die CDU und auch die SPD in der Koalition bisher stets versucht haben, aufrecht zu erhalten.

Es lautet: Die Sicherheitslage in Deutschland, die Anschläge, die Morde und die sexuellen Übergriffe von Köln, Freiburg, Bochum, Ansbach, Würzburg und Berlin haben nichts mit Merkels Politik zu tun. Es gebe damit auch keine unmittelbare politische Verantwortung ihrerseits dafür. Das Muster ist das gleiche wie bei der mantrahaften Behauptung nach jedem islamistischen Anschlag, dieser habe abermals nichts mit dem Islam zu tun. Das Problem von Mantras: Wiederholungen machen sie nicht wahrer. Und ein klarer Kopf lässt sich auch durch Dauerberieselung nicht um den Verstand bringen.   

Zusammenhang mit Vorstoß von Thomas de Maizière

Einen immanenten Zusammenhang belegt im Übrigen auch der sicherheitspolitische Vorstoß von Thomas de Maizière. Dieser läuft im Kern darauf hinaus, dem Bund, der Bundespolizei und dem Verfassungsschutz des Bundes mehr Kompetenzen zuzuweisen. Dieser Ansatz ist unmittelbar aus den Lehren des Attentats von Berlin heraus entstanden. Denn was man heute über den Attentäter weiß, belegt eines: Er war den jeweiligen Landesbehörden einschlägig bekannt, narrte sie aber durch ständiges Herumreisen.

Nun schreien natürlich alle Landesinnenminister gleich welcher Couleur auf, was nichts über die Sinnhaftigkeit der Vorschläge, aber viel über die föderalen Reflexe hierzulande aussagt. Wer in der Frage keine Pfründe zu sichern hat, der kann zu keinem anderen Urteil kommen, als zu jenem, dass de Maizières Vorstoß in die richtige Richtung geht. Das erkennen sogar die in Fragen der Verschärfung von Sicherheitsgesetzen allergischen Grünen an.

Parallele zum „Otto“-Katalog nach dem 11. September

Auch bei diesem Vorgang gibt es eine Parallele. Wie jene zwischen „Das hat nichts mit dem Islam“ oder „Das hat nichts mit Merkel zu tun“. In diesem Fall heißt die Parallele zu de Maizières Vorschlagsliste „Otto“-Katalog. Im Nachgang zum Terroranschlag vom 11. September 2001 in den USA hatte der damalige Innenminister Otto Schily einen verschärften Sicherheitskatalog vorgelegt. Deutschland sah sich seinerzeit starker Kritik aus dem Ausland ausgesetzt, weil ein Schlüsselattentäter, der Mastermind Mohammed Atta, seine Terrorzelle jahrelang unerkannt von Hamburg aus ausgebaut hatte. 

Was man aus der doppelten Parallele lernen sollte: Dieser islamistische Terror hat nicht nur ganz klar mit dem Islam zu tun. Er hat auch viel mit Deutschland zu tun. Und mit seinem nach wie vor zu gutgläubig-laxen Umgang mit Menschen, von denen eine enorme Gefahr ausgeht.    

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