Die Deutsche Islam-Konferenz und der Blutwurstgate - Es geht um die Wurst

Weil Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bei der Deutschen Islam-Konferenz Blutwurst servieren ließ, gab es Kritik. Die Vorwürfe sind absurd. Sie fallen auf jene zurück, die ihm Dialogbereitschaft absprechen. Der meist gelesene Text im Dezember von Antje Hildebrandt

Die Blutwurst gehört zu Deutschland. Aber gilt das auch für den Islam? / picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

So erreichen Sie Antje Hildebrandt:

Anzeige

Die Blutwurst ist eine Kochwurst aus Schweineblut, Speck, Schwarte, Schweinefleisch und Gewürzen. Die Blutwurst darf auf keiner Schlachteplatte fehlen. Man kann sagen: Die Blutwurst gehört zu Deutschland. Man muss sie nicht mögen. Man muss das aber akzeptieren. Sogar dann, wenn man Moslem ist und beim Anblick von Blutwurst nur mit Mühe einen Würgreiz unterdrücken kann. Integration ist schließlich keine Einbahnstraße. Oder etwa doch?

Diese Frage hat ausgerechnet eine Konferenz aufgeworfen, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Dialog zwischen Muslimen und Deutschen zu fördern: die Deutsche Islam-Konferenz. Die tagte jetzt wieder in Berlin. Zum ersten Mal in ihrer zwölfjährigen Geschichte hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) neben konservativen Verbänden wie der vom türkischen Staat finanzierten DITIB  auch prominente Islam-Kritiker eingeladen wie Hamed Abdel Samad oder Seyran Ates. Man stritt nicht mehr um die Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört. Man stritt um die Frage, wie ein Islam aussehen müsse, der sich auf dem Boden der deutschen Verfassung bewegt. Es war ein kleiner Schritt für die Menschheit, aber ein großer Schritt für Horst Seehofer. Weg von der Konfrontation, hin zu einer Suche nach Lösungen. Doch Sympathiepunkte konnte der Bundesinnenminister nicht sammeln. Im Gegenteil. Denn womit wird der Name Seehofer jetzt assoziiert? Richtig, mit dem „Blutwurstgate“.

„Friss oder stirb!“

Die Blutwurst war Teil des Buffets, mit dem das Bundesinnenministerium die Teilnehmer der Konferenz verköstigte – darunter auch Christen und Atheisten. Sie schwamm als kleine Scheibe in einem Schälchen mit Kartoffelsalat. Man kann das unsensibel finden und dem Gastgeber mangelndes Fingerspitzengefühl vorwerfen. Man kann aber auch einwenden, dass dieses Amuse Gueule nur einer von 13 Happen war – und dass man sich ja auch einen anderen Imbiss aussuchen konnte, der halal war. Es wurde auch niemand gezwungen, Bier, Rot- oder Weißwein zu trinken. Schließlich, so schrieb das Bundesinnenministerium später in einer  – nein, man hat sich nicht versehen  – schriftlichen Entschuldigung für das #Blutwurstgate, habe man das Buffet „mit Blick auf die religiös-plurale Zusammensetzung der Konferenz“ zusammengestellt.

Doch wie plural war diese Konferenz, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Scheibe Blutwurst reichte, um dem Bundesinnenminister die Bereitschaft zum Dialog abzusprechen? Können Hummus und Blutwurst in einer Demokratie nicht friedlich zusammenleben? Und wenn das schon ein Problem sein sollte, wo eckt der Islam dann noch im Alltag an? Gehört er am Ende vielleicht doch nicht zu Deutschland? Es sind Fragen, die vielleicht noch in den siebziger Jahren berechtigt gewesen wären, als die ersten Gastarbeiter kamen. Heute ist Deutschland ein Einwanderungsland – und zumindest in Fragen der Ernährung toleranter, als es der Tweet suggeriert, mit dem der #Blutwurstgate begann. Der WDR-Journalist Tuncay Özdamar hat diesen Tweet gepostet. Er ist selber Moslem, wenn auch kein streng religiöser. Er esse sogar Schweinefleisch, schreibt er auf Twitter. Dort brüstet er sich zugleich damit, er habe den „Skandal“ enthüllt. Oder das, was er für einen Skandal hält. Sein Tweet liest sich wie eine Kampfansage an den Bundesinnenminister: „Was sich Seehofer und Co. erlauben, ist einfach pietätlos. Nach dem Motto: Friss oder stirb. Was für ein Ding!“

Attacke auf den Bundesinnenminister

Özdamar, aber das nur am Rande, war selber gar nicht bei der DIK dabei. Zwei Teilnehmer haben ihm den Tipp gegeben. Er hat die Steilvorlage genutzt, um den bei vielen Zugewanderten unbeliebten CSU-Politiker zu attackieren. Er hat dafür viel Beifall bekommen, aber auch viel Kritik – und das auch von muslimischer Seite. Er hat der Community keinen Gefallen damit getan. Man könne nicht immer nur fordern, man müsse selber auch liefern, sagt etwa der bekannte Islamkritiker Hamed Abdel Samad. Doch davon seien die konservativen Verbände weit entfernt. Statt dem deutschen Staat entgegenzukommen, beharre die DITIB darauf, dass sie ihre Imame weiterhin in der Türkei ausbilden lassen wolle.

Der Streit um die Blutwurst steht sinnbildlich für diese Anspruchshaltung. Er dreht das Rad der Integration zurück. Er konterkariert die Ziele der Islamkonferenz. Rückschritte kann die sich aber nicht leisten. Spätestens seit den Ereignissen auf dem Breitscheidtplatz in Berlin, in Kandel oder in Chemnitz  geht es nicht mehr nur um die Frage, was die Islam-Verbände nach zwölf Jahren Untätigkeit dazu beitragen können, um das Zusammenleben zu verbessern. Es geht um die Wurst. Im wahrsten Sinne des Wortes.

 

Anzeige