CSU in der Krise - Danke Horst, das war‘s

Die CSU ist der größte Verlierer der Bundestagswahl. Horst Seehofer hat seine Partei in eine schier ausweglose Situation manövriert. Das Ende des bayerischen Sonderweges droht

Horst Seehofer und seine Partei befinden sich in der politischen Sackgasse / picture alliance
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Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Manchmal dauert es ein paar Tage, bis das ganze Ausmaß eine Katastrophe sichtbar wird. Das ist bei Naturkatastrophen nicht anders als bei politischen Katstrophen. Und eine solche hat am Sonntag Bayern erschüttert. Die CSU ist bei der Bundestagswahl am Sonntag tief gefallen, ziemlich tief. Sie hat 10,5 Prozentpunkte verloren, ist bei mageren 38,8 Prozent gelandet, gleichzeitig erzielte die AFD in Bayern 12,4 Prozent und damit das beste Ergebnis in den westlichen Bundesländern. Die selbst ernannte Bayernpartei ist damit der eigentliche Verlierer der Bundestagswahl. Nicht nur wegen der starken absoluten Verluste, sondern vor allem auch deshalb, weil der Parteivorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer seine Partei in eine strategisch schier ausweglose Situation manövriert hat.

Erste Rücktrittsforderungen

Ganz allmählich wird die schwierige Lage der CSU in ihrer Vielschichtigkeit deutlich. Die absolute Mehrheit in Bayern, die für die Partei quasi Gottgegeben scheint, ist bei den Landtagswahlen im September 2018 in akuter Gefahr. Zugleich könnte in einem Jamaika-Bündnis der politische Einfluss der CSU in Berlin sinken. Die Not der Christsozialen ist groß. Die einmalige Sonderstellung der CSU im bundesdeutschen Parteiensystem ist bedroht. Zugleich vermehren sich in der CSU die Zweifel daran, ob der wankelmütige Horst Seehofer noch derjenige ist, mit dem es gelingen kann, diese Herausforderungen zu bestehen. Die ersten Landtagsabgeordneten haben bereits dessen Rücktritt gefordert. Neben allen strategischen und programmatischen Herausforderungen, vor denen die CSU steht, könnte eine unschöne Debatte um die Seehofer-Nachfolge die Partei lähmen.

Zwischen rechter und liberaler Flanke

Wobei die Herausforderungen für die CSU in München und Berlin durchaus unterschiedlich sind. In München muss die CSU ihre absolute Mehrheit verteidigen und dafür die „rechte Flanke schließen“, so hat es Horst Seehofer am Sonntag formuliert. In Berlin muss sie bei den Sondierungen zur Bildung einer Jamaika-Koalition zwischen CDU, CSU, FDP und Grünen eine konstruktive Rolle spielen. Sie muss sich dort kompromissfähig gegenüber liberalen und ökologischen Ideen zeigen. In München muss die CSU klare Kante zeigen, in Berlin hilft ihr diese nicht viel weiter.

Es mag sein, dass die Jamaika-Gespräche scheitern werden, weil die vier Parteien keine tragfähige Grundlage für eine Zusammenarbeit finden. Aber die CSU darf am Ende nicht für das Scheitern verantwortlich sein, denn dies würden ihr viele Wähler in der Mitte extrem übel nehmen. Vor allem dann, wenn dies das Ende der Kanzlerschaft Merkel bedeuten würde. Vor lauter Ehrgeiz, die rechte Flanke schließen zu wollen, darf die CSU nicht vergessen, dass sie ebenfalls eine liberale Flanke hat und eine ökologische. Dass es zudem auch in Bayern nicht wenige Merkel-Fans gibt. Diese zu brüskieren, wäre ebenso fahrlässig und bringt der CSU die alte Herrlichkeit auch nicht wieder zurück.

Schwankender Wahlkampf

Das Erschrecken und die Ratlosigkeit angesichts der schier ausweglosen strategischen Lage ist führenden Christsozialen seit Tagen anzusehen. Bei der Frage der Schuld an dem Wahldesaster zeigten Seehofer und Co. schnell auf die Bundeskanzlerin und ihre Flüchtlingspolitik. Dabei sind eigene Fehler in den vergangenen vier Regierungsjahren und im Wahlkampf unübersehbar.

Da war allen voran das Schwanken der CSU in der Flüchtlingspolitik zwischen Fundamentalopposition gegen Merkel („Rechtsbruch“) und Kuschelkurs mit der Kanzlerin seit Beginn des Wahlkampfes. Für die einen blieb Horst Seehofer so ein Papiertiger, für die anderen der ewige Kanzlerinnen-Kritiker. Eine derart disparate politische Botschaft führt zwangsläufig zu massiven Mobilisierungsproblemen. Dass Bayern den Flüchtlingsansturm reibungsloser bewältigte als alle anderen Bundesländer, auch das geriet darüber in Vergessenheit.

Minister ohne Profil

Die Flüchtlingspolitik war jedoch bei weitem nicht der einzige Grund für den Absturz der CSU. Denn zugleich trugen die drei CSU-Minister in der Großen Koalition wenig zur bundespolitischen Profilierung ihrer Partei bei. Verkehrsminister Alexander Dobrindt war eine Fehlbesetzung. Er verbiss sich in die Einführung der PKW-Maut und kümmerte sich wenig um Themen wie Infrastruktur oder Digitalisierung. Auch beim Diesel-Skandal blieb Dobrindt blass. Christian Schmidt war als Minister zwar ein zuverlässiger Lobbyist der traditionellen Landwirtschaft, aber zu Themen wie Ernährung oder Verbraucherschutz war von ihm wenig zu hören. In Erinnerung blieb nur sein Feldzug gegen die vegane Currywurst. Entwicklungsminister Gerd Müller wiederum stand bei der Bekämpfung von Fluchtursachen und der Armutsbekämpfung in Afrika fest an der Seite der Bundeskanzlerin.

Zudem war die CSU immer dann stark, wenn die innere Sicherheit für sie nicht nur ein polizeiliches Thema war, sondern auch ein soziales. Doch auch die CSU hat in den vergangenen Jahren in Bayern und im Bund die politische Wucht zum Beispiel der Wohnungsnot in Ballungsräumen, des Pflegenotstands oder der prekären Arbeitswelt völlig unterschätzt. Kein Wunder, dass die CSU und allen voran Horst Seehofer ein massives Glaubwürdigkeitsproblem haben.

CSU erschwert Koalitonsverhandlungen

Doch statt sich an die eigene Nase zu fassen, schaltete die CSU in ihrer Not schon am Montag nach der Wahl wieder auf Attacke. Horst Seehofer zeigte kurz die Instrumente seiner Partei. Er kokettierte mit der Möglichkeit, die Fraktionsgemeinschaft von CDU und CSU aufzukündigen und verzichtete nicht auf den Hinweis, dass eine Jamaika-Koalition ohne die Stimmen der CSU-Abgeordneten im Bundestag keine Mehrheit habe. Und gerade weil Seehofer sogleich betonte, dies sei als Beschreibung einer Tatsache und nicht als Drohung zu verstehen, muss man davon ausgehen, dass der erfahrene politische Strippenzieher dies genauso gemeint hat: als Kampfansage und als Drohung.

Zugleich glaubte Alexander Dobrindt, Seehofers Statthalter in Berlin, darauf hinweisen zu müssen, die CSU sei nicht der 16. Landesverband der CDU, sondern eine „eigenständige politische Kraft“. Dazu betonte er, die Obergrenze müsse Teil einer Koalitionsvereinbarung sein. Das macht die Verhandlungen in Berlin nicht einfacher. Und so beginnen die Gespräche zur Bildung einer Regierung in Berlin mit einem Novum. Bevor CDU und CSU mit FDP und Grünen reden, sondieren sie erst einmal miteinander. In diesen Gesprächen werden CDU und CSU versuchen, eine gemeinsame Linie der Schwesterparteien für die Koalitionsverhandlungen abzustecken, vor allem in der Migrations- und Einwanderungspolitik. Noch sind diese gemeinsamen Linien nicht in Sicht.

Der Putsch ist verschoben, aber nicht abgeblasen

Ein Ausweg aus der strategischen Sackgasse, in die Horst Seehofer seine Partei manövriert hat, ist nicht in Sicht. Der Druck auf den Parteichef und Ministerpräsidenten wird also stark bleiben. Ein möglicher Putsch ist allenfalls verschoben, aber nicht abgeblasen. Solange die Koalitionsverhandlungen in Berlin laufen, wird die Partei still halten. Denn ein Aufstand in München würde die CSU in den schwierigen Gesprächen, die Berlin bevorstehen, zusätzlich schwächen. Aber sobald die Jamaika-Verhandlungen entweder zum Abschluss gebracht werden konnten oder gescheitert sind, wird es in der CSU rund gehen. So oder so wird in der CSU niemand glauben, dass die Landtagswahl im kommenden Jahr mit Horst Seehofer an der Spitze noch gewonnen werden kann. „Danke Horst, das war‘s“, werden sie sagen und darauf setzen mit einem Nachfolger ohne Glaubwürdigkeitsprobleme doch noch die absolute Mehrheit verteidigen zu können.

Wer glaubt, in einem knappen Jahr die vielen Fehler, die in den vergangenen Jahren gemacht worden sind, auf die Schnelle korrigieren zu können, macht sich Illusionen. So wird eine wichtige Aufgabe des Seehofer-Nachfolgers sein, seinen Parteifreunden nahezubringen, dass die CSU doch eine irdische Partei ist und das Abo auf die absolute Mehrheit in Bayern abgelaufen ist.

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