Wahlkampf - Weltwunder CSU

Die CSU spielt in diesem Wahlkampf eine besondere Rolle, denn je nach Kontext geriert sie sich entweder als Oppositions- oder Regierungspartei, als Vertreterin von Länder- oder von Bundesinteressen. Auf der Strecke bleibt dabei die Glaubwürdigkeit

Horst Seehofer: Was interessiert mich mein Reden und Tun von gestern? / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Dieser Tage wäre Franz Josef Strauß 102 Jahre alt geworden. Ob der Bayer im Himmel wohl frohlockt auf seiner Wolke, wenn er seine CSU in ihrem Gebaren beobachtet von da oben? Da irrlichtert wieder ein Karl-Theodor zu Guttenberg durch die Bierzelte und behauptet zugleich, keineswegs in die Politik zurückkehren zu wollen. Da schmust Horst Seehofer wieder mit seiner Angela, als hätte er sie für ihre Flüchtlingspolitik nie vor den Kadi in Karlsruhe zerren wollen, weil die Kanzlerin eine „Herrschaft des Unrechts“ ausübe. Da steht Joachim Herrmann, Bayerns Innenminister, wie selbstverständlich in dem so genannten Fünfkampf der so genannten Kleinen, obwohl die Kanzlerkandidatin der CDU/CSU wenige Tage vorher im Duell im Herausforderer Martin Schulz aufgetreten war, das eher einem Duett glich.

Die CSU ist ein Phänomen. Mal groß wie ein Ochsenfrosch, wenn es gilt, groß zu sein. Dann wieder klein wie ein Laubfrosch, nur nicht so grün, wenn es opportun ist, klein zu sein. Sehr bayrisch, aber auch deutsch. Vertreterin von Länderinteressen, Vertreterin von Bundesinteressen. Teil der Unions-Bundestagsfraktion, aber auch Fraktion in der Fraktion mit Sonderstatus. Opposition und Regierung in einem. Sie triezt und verspottet die Sozis und betont zugleich das S in ihrem Namen. Sie müsste in die Liste der Weltwunder aufgenommen werden.

Situativer Populismus

Das war alles immer schon so. Bei Strauß, bei Stoiber, bei Seehofer. Aber erst unter letzterem spielt das Omnibus-Prinzip der CSU ins Realsatirische. Der Raum dieser Kolumne ist zu knapp, um umfassend zu erörtern, was das denn eigentlich ist: Populismus. Ist Populismus, wenn man die Themen anspricht, die die Bevölkerung umtreiben? Oder ist wahrer Populismus, der jeweiligen Situation, dem jeweiligen Zeitpunkt geschuldet, erst diese und dann wieder jene Position und Haltung einzunehmen, weil sich das gerade als günstiger erweist? Für die erste Definition stand Franz Josef Strauß. Dem Volk nicht nach dem Munde reden, aber aufs Maul schauen. Nicht jedermanns Liebling sein zu wollen, weil man sonst everybody’s Armleuchter wird. Ein solcher Kurs ist streitbar, aber respektabel.

Erst unter Horst Seehofer aber ist die CSU zu einer populistischsten Partei der zweiten Kategorie geworden: Was interessiert mich mein Reden und Tun von gestern? Jetzt ist jetzt, und jetzt ist diese Position und Aussage gut für mich. Dieser situative Populismus ist der wirklich ruchlose Populismus. Peinlich und lächerlich wird er irgendwann obendrein. Bei Horst Seehofers CSU ist dieser Zeitpunkt erreicht. Spätestens, seit er sich in seinen eigenen Dementis in der Frage der Obergrenze (Gilt sie nun oder gilt sie nicht?) verheddert hat.

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