Covid-19 - Corona-Kanzler Söder

Im Kampf gegen die weitere Verbreitung von Covid-19 kämpfen die Ministerpräsidenten inzwischen viel für sich selbst. Das Warten auf die Kanzlerin hat damit in der Coronaviruskrise ein Ende gefunden. Ganz vorne dabei ist der bayrische Landeschef.

Kein Zögern mehr: Bayerns Ministerpräsident Markus Söder / dpa
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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So schnell geht es manchmal. In der Telefonschaltkonferenz mit der Kanzlerin soll sich Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet noch lautstark und vehement über das Vorpreschen seines bayerischen Kollegen Markus Söder in den Maßnahmen gegen das Corona-Virus aufgeregt haben.

Kurz darauf preschte er selbst vor. Und gab ebenso wie seine Kollegen Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg und Volker Bouffier in Hessen ein Statement zu den gemeinsamen Beschlüssen von Bund und Ländern bekannt. Die Bundeskanzlerin trat eine gute halbe Stunde später im Kanzleramt vor die Presse und wiederholte, was die Länder-Regierungschefs schon verkündet hatten. Mit einem Unterschied: Hätte es keine irritierte Nachfrage eines Journalisten gegeben, so hätte Angela Merkel unwidersprochen verkündet, dass zwei Personen, die nicht aus einem Haushalt stammen, nicht mehr gemeinsam draußen unterwegs sein dürften. Das war der bayrische Weg, den sie da irrtümlich vortrug. Kurz darauf steht fest: Angela Merkel wird für zwei Wochen selbst nicht mehr draußen unterwegs sein. Zwei Wochen Quarantäne nach Kontakt mit einem infizierten Arzt.  

Kein Warten mehr auf Merkel

Spätestens an diesem Sonntag zeigte sich, was Föderalismus in Deutschland in Zeiten der Corona-Krise bedeutet. Er ist eine Art föderaler Zentralismus mit bayerischem Stempel. CSU-Chef und Ministerpräsident Markus Söder hat die Führung übernommen. Erst allein, jetzt mit allen. Die, die gerade noch über sein Vorpreschen schimpften, warten auch nicht mehr auf die Kanzlerin und deren Statement, das an einer Stelle mehr Verwirrung als Klarheit schuf. Eigentlich ein absolutes No Go: den zentralen Punkt der Vereinbarung falsch vorzutragen und Verwirrung zu stiften. Es ist aber nicht mehr so schlimm. Die anderen haben es ja vorher alle richtig erklärt.

 

Noch am vergangenen Mittwoch hätte man glauben können, Angela Merkel, hätte das Zepter wieder in die Hand bekommen. In einer Fernsehansprache wandte sie sich an die deutsche Öffentlichkeit. Solche Auftritte liegen ihr nicht. Es kostet sie Überwindung wie seinerzeit King George VI. von England, dessen Scheu und deren Überwindung vor einem historischen Radioauftritt zum Kriegseintritt Großbritanniens in dem Film „King’s Speech“ grandios nacherzählt wird.

Sie wirkt in solchen Momenten wie eine Figur, die Loriot persönlich geschaffen haben könnte. Aber in diesem Fall traf sie wie King George VI. genau die richtigen Worte und den richtigen Ton. Handlungsanweisungen in einfacher Sprache, eine  Art Sonder-„Sendung mit der Maus“, damit auch die nicht so ganz Schnellen und Hellen begreifen, was die Stunde geschlagen hat. Tags darauf leerten sich die öffentlichen Plätze in Deutschland. Merkels Rede wirkte unmittelbar, das war das Ziel, und es wurde erreicht.

Merkels Grenzallergie

Ihre Abneigung gegen das, was sie nun zu exekutieren hat, ist ihr gleichwohl in dieser dritten großen Krise ihrer Amtszeit anzumerken. In der ersten, auch schon recht späten Pressekonferenz dazu hatte sie noch klar und deutlich gegen Grenzschließungen plädiert – die dann doch ganz schnell kamen. Und in der Fernsehansprache am vergangenen Mittwoch hat sie deutlich zu erkennen gegeben, wie schwer es ihr fällt, die persönliche Freiheit der Menschen einzuschränken.

Diese Grenzallergie ist nicht zum ersten Mal zu gewärtigen bei ihr. Die grenzenlose Freiheit hat sie immer als das große Geschenk ihres Lebens bezeichnet. Vielleicht ist das psychologisch auch gar nicht anders möglich bei jemandem, der von seinen Eltern freiwillig aus einem freien Land in ein unfreies gebracht wurde, dessen Grenzen sich jahrzehntelang als undurchdringlich wie eine Gefängnismauer erweisen sollten.

Immer mindestens eine Woche zu spät

Aber auf Merkels Reserven nehmen die Landeschefs keine Rücksicht mehr. Sie setzen Grenzen, klare Grenzen. Schränkten die Freiheit massiv ein. Das ist hart, aber konsequent und richtig. Mag sein, dass bei Söder viele eine Profilneurose dahinter vermuten, wobei dieser Vorwurf, käme er denn von Armin Laschet, recht possierlich wäre, dem diese Eigenschaft auch nicht gerade fremd ist. Entscheidend ist auch nicht die Frage des Motivs. Sondern ob die Entscheidungen richtig oder falsch sind. Und sie waren nunmehr dreimal richtig: Jedesmal wenn Söder voranging, zogen die andern nach. Eher dürfte Söder also getrieben sein von einem Verantwortungsgefühl. Und von der Erinnerung daran, dass die Ministerpräsidenten die Kanzlerin schon einmal in der Flüchtlingskrise gewähren ließen und hinterher die Folgen der Merkelschen Entscheidungen in den Griff kriegen mussten.

Söder und übrigens auch der Ministerpräsident des Saarlands,Tobias Hans, handeln ja nicht überstürzt. Es ist eher alles immer mindestens eine Woche zu spät, was getan wird, weil sich das stürmische Virus so lange intubiert und die Fälle erst mit dieser Verzögerung eintreten. Was passieren würde, wenn die Länderchefs nicht das Heft des Handelns einfach in die Hand nehmen, kann man im zentralistischsten Land Europas sehen: Dort waren die Reserven und Fehleinschätzungen des Premierminister Boris Johnson so groß, dass er nun selbst einräumen muss, dass das ohnehin morsche Nationale Gesundheitssystem des Landes ebenso einbrechen wird wie jenes von Italien.   

Politik darf sich nicht ausruhen

Darüber staunt übrigens die Insel: Warum es in Deutschland so viele offizielle Corona-Fälle und so vergleichsweise wenig Tote bisher gibt. Von einem German Rätsel schreiben die britischen Zeitungen, und El Mundo aus dem ebenfalls furchtbar betroffenen Spanien wundert sich über das deutsche „Enigma“.

Es ist aber keines. Es ist kein Rätsel. Deutschland verfügt über eines der besten, wenn nicht das beste Gesundheitssystem der Welt. Vom Corona-Test bis zum Beatmung auf der Intensivstation. Das gilt ebenso für die medizinische Seite wie für die Verwaltungsseite, inklusive der Gesundheitsämter.

Deshalb ist Deutschland ein Massensterben wie in Spanen oder Italien bisher erspart geblieben. Auf einem starken Gesundheitssystem aber darf sich Politik nicht ausruhen oder sich in falscher Sicherheit wiegen. Schon gar nicht, kostbare Zeit verstreichen lassen. Markus Söder, das mag sich auch Armin Laschet in einem ruhigen Moment noch einmal durch den Kopf gehen lassen, sollte man daher nicht beschimpfen. Sondern danken.

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