Covid-Pandemie - Lotterie für Impfmuffel

Wie bekommt man mehr Menschen zum Impfen? Eine staatliche Impflotterie könnte ein Anreiz sein. Das würde zwar auch Kosten und Ungerechtigkeiten mit sich bringen, aber verglichen mit den Unsummen, die die Pandemie-Bekämpfung kostet, wären das nur Peanuts.

Ob eine Covid-Lotterie sich ähnlicher Popularität erfreuen würde wie die spanische Weihnachtslotterie „El Gordo“? / dpa
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Autoreninfo

Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Mit Speck fängt man bekanntlich Mäuse, mit einer Bratwurst manchmal Impfmuffel, die sich, aus welchen Gründen auch immer, den „Piks“ gegen Corona noch nicht abgeholt haben. Thüringen war der Vorreiter beim Locken mit der Wurst. An vielen Orten Deutschlands wurde das nachgeahmt. Zur Belohnung fürs Impfen gab‘s manchenorts auch mal Glühwein, Freikarten für Sportereignisse oder ein Freilos bei einer Online-Lotterie. In Österreich hat am Heiligen Abend eine 18-jährige Schülerin bei einer TV-Weihnachtslotterie ein Einfamilienhaus im Wert von 500.000 Euro gewonnen. Ihr „Los“: der Impfnachweis.

Ja, die Menschen verhalten sich bisweilen seltsam. Nicht jeder, der das Coronavirus noch immer auf die leichte Schulter nimmt, ist deshalb ein Querdenker, der in Bill Gates den Hauptverantwortlichen für diese Pandemie sieht. Mancher denkt halt nur insofern „quer“, als er sich einfach nicht aufraffen kann, sich aus dem Fernsehsessel in ein Impfzentrum zu bewegen. Kleine Geschenke können da die Vorfreude aufs Impfen schon anheben. Aber mal ehrlich: Wer nur wegen der Aussicht auf eine Gratis-Wurst an die eigene Gesundheit denkt, der ist doch ohnehin irgendwie verloren, oder?

Nicht nur Geiz ist geil

Wenn wir also wollen, dass die Impfneigung nachhaltig steigt, darf der Staat sich nicht länger auf Appelle beschränken. Ebenso wenig auf den Einfallsreichtum von Kommunen, Arbeitgebern oder Händlern, die mit kleinen Geschenken neue Impffreundschaften zu begründen versuchen. Nein, da müssten Bundeskanzler Olaf Scholz und sein allgegenwärtiger Coronaminister Karl Lauterbach schon die Bazooka rausholen.

Bei schätzungsweise mehr als zehn Millionen ungeimpften Erwachsene sollte sich der Staat Anreize in ganz anderen Größenordnungen einfallen lassen. Da muss dringend geboostert werden. Verbinden wir das Impfen also mit der Vermögensbildung in breiten Schichten – mit einer staatlichen Impflotterie. Gesamtausschüttung insgesamt bei zehn Ziehungen: 100 Millionen Euro. Wöchentliche Hauptgewinne: 10 mal eine Million. Fanatische Verschwörungstheoretiker wird man so nicht vor die Spritze bekommen, aber viele Bequeme und Denkfaule schon. Nicht nur Geiz ist geil; dass trifft auch auf Gier zu.  

Die Grundregeln der Impflotterie: Wer sich zum ersten Mal impfen lässt, bekommt drei Lose geschenkt, beim zweiten „Piks“ gibt es zwei Lose, und beim Boostern winkt ein Los. Die Losausgabe gegen Impfnachweis über die staatlichen Lottogesellschaften sollte kein organisatorisches Problem sein. Jedenfalls sind die Lotto- und Toto-Annahmestellen – anders als die Gesundheitsämter und das RKI – digital mit ihren Zentralen vernetzt.

Der Zweck heiligt die Mittel

Um gleich auf den gewichtigsten Einwand einzugehen: Ja, das Ganze ist höchst ungerecht. Die vielen Millionen, die sich anfangs sogar um Impftermine gerissen haben, die brav den Aufforderungen zum Impfen und Boostern nachgekommen sind, werden benachteiligt. Wer jedoch gegen jede Vernunft noch immer den Gang zum Arzt oder ins Impfzentrum nicht angetreten hat, wird durch eine dreifache Gewinnchance belohnt.

Ungeachtet solch schreiender Ungerechtigkeit: Hier sollte der Zweck, nämlich die deutliche Anhebung der Impfquote, das Mittel – die Privilegierung der Impfmuffel – heiligen. Einzelfallgerechtigkeit gibt es auf dieser Welt ohnehin nicht. Nur ein Beispiel: Die Solidargemeinschaft wird bei vielen Wechselfällen des Lebens wie Krankheit oder Armut zur Kasse gebeten, ganz gleich, ob die Hilfsbedürftigen unverschuldet in diese Lage gekommen sind oder durch Faulheit und Leichtsinn.

Ein Beitrag zur Verteilungsgerechtigkeit

Gerechtigkeitsapostel seien wenigstens an die Umverteilungskomponente der vorgeschlagenen Impflotterie erinnert. Bekanntlich ist die Impfquote in den finanziell bessergestellten Schichten der Bevölkerung deutlich höher als bei Menschen in weniger komfortabler Lage. Es würden also deutlich mehr Lose in Haushalten von Transferempfängern oder Beziehern niedriger Einkommen landen als in Millionärsvillen. Wenn das nicht ein Beitrag zur größeren Verteilungsgerechtigkeit wäre, was dann?

Bleibt die Frage der Finanzierung. Die ist einfach zu beantworten. Was sind schon 100 Millionen Euro für Gewinne plus einer Aufwandsentschädigung für die Lottoannahmestellen gegenüber den Unsummen, die Olaf Scholz als Finanzminister „bereitgestellt“ hat, wie er es gerne formuliert? Davon sind noch 60 Milliarden aus dem Haushaltsjahr 2021 übrig. Die Kosten einer Impflotterie wären da nur Peanuts – aber gesundheitspolitisch gesehen sehr nahrhafte Peanuts.

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