Corona und die CDU - Schlechte Nachrichten für Friedrich Merz

Die Corona-Krise trifft die CDU in einer Phase der Schwäche. Armin Laschet dürfte eher vor den Umständen profitieren als seine Konkurrenten. Doch der eigentliche Macher der Stunde ist Markus Söder: Er präsentiert sich als Kanzler in spe.

Zum Dasein als politische Randfigur verdammt: Friedrich Merz / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

So erreichen Sie Alexander Marguier:

Anzeige

Große Krise frisst kleine Krise: Viele Politiker kennen diesen Spruch aus eigener Erfahrung. Allerdings trifft er den Kern der Sache nicht ganz korrekt, denn von „auffressen“ kann keine Rede sein. Die kleine Krise ist trotz der großen Krise nämlich immer noch da – sie findet nur keine Beachtung mehr. Um es konkret zu machen: Die Führungs- und Identitätskrise der CDU ist durch das Coronavirus nicht kleiner geworden. Man redet nur nicht mehr so viel darüber.

Kein neuer Termin für Parteitag

Eigentlich hätte der Parteitag mit der Wahl des neuen CDU-Vorsitzenden am 25. April stattfinden sollen; wegen der Corona-Krise wurde dieser Termin bekanntlich abgesagt. Ein neues Datum steht noch nicht fest, man müsse die Entwicklung der Pandemie beobachten, heißt es aus dem Konrad-Adenauer-Haus. Ob und in welcher Form die CDU-Delegierten noch vor der Sommerpause ihre neue Parteiführung bestimmen können, ist derzeit also die eine große Frage. Die andere große Frage: Welchem der drei Kandidaten nützt die Verschiebung, wem schadet die Corona-Krise?

Merz als politische Randfigur

Dass Friedrich Merz, der selbst mit dem Virus infiziert ist, zu den ersten Corona-Opfern im engeren Sinne zählt, macht die Sache für ihn besonders tragisch. Denn nicht nur fällt er für eine längere Zeit als Wahlkämpfer in eigener Sache aus. Die gesamte krisenhafte Situation ist zudem nicht hilfreich für einen Kandidaten, der selbst über kein Regierungsamt verfügt. Diese schlechte Ausgangsposition teilt Merz mit Norbert Röttgen, der zwar immerhin Bundestagsabgeordneter ist, aber in dieser Funktion auch keine große Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen kann. In der Corona-Krise sind Merz und Röttgen – letzterer ist ohnehin praktisch chancenlos –, zum Dasein als politische Randfiguren verdammt.

Da sieht es bei Armin Laschet und seinem „running mate“ Jens Spahn natürlich ganz anders aus. Laschet steht als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten (und von Corona besonders betroffenen) Bundeslandes Nordrhein-Westfalen täglich an vorderster Krisenfront. Für Jens Spahn, dem jetzt als Bundesgesundheitsminister ein enormes Arbeitspensum abgefordert wird, gilt dasselbe. Allein schon die aufgrund der aktuellen Ereignisse bestehende Dauerpräsenz von Laschet und Spahn in den Medien stärkt ihre Chancen für den Parteivorsitz beziehungsweise für den Vizevorsitz. Und da sich beide in ihrer Rolle als Krisenbewältiger zu bewähren scheinen, dürfte das auch für die Delegierten beim nächsten Parteitag ein Argument sein.

Söder setzt die Standards

Doch wer auch immer zum neuen CDU-Chef gewählt wird: Die Frage der Kanzlerkandidatur ist damit noch lange nicht beantwortet. Denn die derzeitige Performance des bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden lässt keinen Zweifel aufkommen: Markus Söder ist nicht nur der eigentliche Kraftquell der Unionsparteien; als Regierungschef des Freistaates gibt er derzeit auch deutschlandweit den Kurs bei der Bewältigung der Corona-Krise vor. Söder war es, der bei den Schulschließungen den Anfang machte; seither eiern die anderen Bundesländer den Bayern mal mehr, mal weniger unwillig hinterher. Klar ist: Bayerns Ministerpräsident setzt die Standards. Ob die jedes Mal richtig sind, darüber lässt sich streiten. Über Söders Führungsanspruch dagegen nicht.

Imagewandel im Rekordtempo

Dem CSU-Chef ist es in einem erstaunlichen Tempo und mit einer erstaunlichen Konsequenz gelungen, sich seit dem Machtwechsel in Bayern als moderner Konservativer zu inszenieren, dem ein gesunder Patriotismus genauso am Herzen liegt wie eine gesunde Umwelt. Und der sich vor allem als Politiker präsentiert, der mit einer Mischung aus klaren Worten und daraus abgeleiteten Taten die Klaviatur des Leadership beherrscht. Dass ausgerechnet die traditionell CSU-feindliche Süddeutsche Zeitung an diesem Donnerstag eine, man kann es nicht anders sagen – Hymne auf Markus Söder verfasste („Ein Mann für jede Rolle“), spricht für sich. Und dafür, dass Söders Strategie aufgeht.

CSU in der K-Frage entscheidend

Dass der 53 Jahre alte Nürnberger sich das Amt des Bundeskanzlers zutraut, steht außer Frage. Jetzt geht es darum, dass auch immer mehr Wählerinnen und Wähler das so sehen. Und zwar nicht nur in Bayern, sondern in NRW genauso wie in Niedersachsen oder Mecklenburg-Vorpommern. Sollte es dem nächsten CDU-Vorsitzenden jedenfalls nicht gelingen, seinen eigenen Laden schnell zu befrieden (was angesichts der Zerstrittenheit innerhalb der CDU kaum möglich erscheint), läuft es bei der K-Frage fast automatisch auf Söder hinaus. Es sei denn, die CDU bliebe derart schwach, dass die Union insgesamt nur ganz schlechte Chancen auf den Wiedereinzug ins Kanzleramt hätte. Für ein Himmelfahrtskommando würde Markus Söder seinen Job in Bayern nämlich eher nicht riskieren.

Corona hat viel Bewegung in die Politik gebracht, und daran wird sich auch so schnell nichts ändern. Die Ungewissheit ist groß. Ziemlich sicher ist nur: Markus Söder wird nicht als Verlierer aus dieser Krise hervorgehen.

Anzeige