Studie belegt Corona-Ausbruch an Hamburger Schule - Hat Schulsenator Ties Rabe die Öffentlichkeit getäuscht?

Im Kampf gegen Corona galten Schulen bislang als ungefährliche Orte. Jetzt hat eine Studie erstmals belegt, dass ein einzelner Schüler in Hamburg bis zu 40 Mitschüler angesteckt hatte. Hamburgs Schulsenator spricht von einem Einzelfall. Aber warum hat er die Studie nicht veröffentlicht?

Hat brisante Forschungsergebnisse zurückgehalten: Hamburgs Schulsenator Ties Rabe / dpa
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Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Stellen Sie sich vor, in einer Hamburger Schule steckt ein Schüler 40 Mitschüler mit Covid-19 an. Der Schulsenator gibt dazu eine Pressemitteilung heraus, eine große deutsche Boulevard-Zeitung titelt: „Also doch: Schulen sind Superspreader".

Deutschlands Kultusminister wären blamiert bis auf die Knochen. „Wirtschaft First", heißt die Maxime in der Coronapolitik. Die Schulen haben sich diesem Ziel unterzuordnen. Der Unterricht findet statt, koste es, was es wolle. Aerosol-Filter? Geteilte Klassen? Digitales Homeschooling? Alles „Nice to have“, aber kein „Must“. Man hat sich darauf verständigt, dass das Virus in den Schulen keine Gefahr darstellt. Und statistisch gesehen sind Corona-Infektionen in Schulen bislang auch nicht ins Gewicht gefallen. Bis zu den Herbstferien konnten 98 Prozent der Schülerinnen und Schüler am Präsenzunterricht teilnehmen. 

Ansteckungen sind „auf eine Quelle zurückzuführen" 

Wie leichtsinnig, wenn nicht gar grob fahrlässig diese Politik aber möglicherweise ist, zeigt ein Schriftwechsel auf dem Blog „FragDenStaat". Es veröffentlicht die Antwort des Hamburger Senats für Arbeit und Gesundheit auf die Anfrage einer Hamburgerin zu einem Vorfall in der Heinrich-Hertz-Schule. Dort war es im September zu einem der ersten großen Corona-Ausbrüche an Schulen gekommen. Fast vierzig Schüler hatten sich infiziert. 

In der Schule? Die Behörden hatten das damals bestritten. Dabei kamen Virologen des Heinrich-Pette-Institutes und des Uniklinikums bei Untersuchungen im Oktober zu genau diesem Ergebnis.  Und der Senat für Gesundheit hat das jetzt schwarz auf weiß bestätigt: Die Forscher hätten eine hohe Anzahl von identischen Genomsequenzen in den Proben gefunden, die sie Infizierten entnommen hätten. Die Ansteckung sei also „auf eine Quelle zurückzuführen." 

Sind Schulen wirklich sichere Orte? 

Hamburgs Kultusminister Ties Rabe (SPD) bringt das in Erklärungsnot. Denn seine Schulbehörde hatte die Ergebnisse heruntergespielt. „Für uns ergeben sich leider keine relevanten Erkenntnisse, aus denen sinnvolle schulische Schutzmaßnahmen abgeleitet werden können", hatte Rabes Sprecher im Oktober auf eine Anfrage der Zeit gesagt.   

Veröffentlichen wollte die Hamburger Schulbehörde die Ergebnisse der Untersuchung jedoch nicht. Das hat  jetzt an ihrer Stelle der Senat für Gesundheit getan. Hat der Schulsenator die Öffentlichkeit bewusst getäuscht? Inzwischen hält seine Behörde die Ergebnisse zwar doch für relevant, spielt den Ausbruch an der Heinrich-Herz-Schule aber immer noch als Einzelfall herunter. Schulen seien im Verhältnis zu anderen Lebensbereichen sichere Orte, lässt Thies Rabe seine Sprecherin sagen. 

Das Timing der Enthüllung hätte für den Schulsenator kaum ungünstiger kommen können. Anfang Januar berät die Kultusministerkonferenz, wie es mit den Schulen nach dem Lockdown weitergehen soll. Die Weichen stehen auf eine schnelle Wiederaufnahme des Regelbetriebs. Es darf bezweifelt werden, dass brisante Forschungsergebnisse einer einzelnen Schule die Minister umstimmen kann.

Egal, ob sie mit Vorsatz unterdrückt wurden oder nicht. 

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