Cicero im April - Bildungsnotstand in der Corona-Krise

Die Große Koalition hat sich großspurig für Kinderrechte im Grundgesetz ausgesprochen. Doch was haben Kinder von Verfassungsrechten, wenn gleichzeitig ihre realen Probleme während der Corona-Pandemie beinahe komplett ignoriert werden? In unserer neuen Ausgabe gehen wir auf sie ein.

Cicero im April
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Es ist nicht so, dass Kinder in Deutschland nicht zählten – zumindest auf dem Papier. Im geltenden Koalitionsvertrag, den CDU, CSU und SPD vor drei Jahren vereinbart haben, heißt es pathetisch: „Wir werden Kinderrechte im Grundgesetz ausdrücklich verankern. Kinder sind Grundrechtsträger, ihre Rechte haben für uns Verfassungsrang. Wir werden ein Kindergrundrecht schaffen.“ Solche Sätze schreiben sich leicht dahin. Doch die Corona-Krise macht abermals deutlich, wie weit Anspruch und Wirklichkeit in der einstigen „Kulturnation“ auseinanderklaffen. Denn was wir seit Ausbruch der Pandemie erleben, ist insbesondere für Kinder und Jugendliche ein Desaster: monatelanger Unterrichtsausfall; Schulen, die bei der Digitalisierung völlig abgehängt sind; geschlossene Kitas und Sportvereine mit verordneter Nullaktivität.

Frage: Was haben Kinder davon, wenn die Regierungsparteien ihnen großzügig eigene Verfassungsrechte versprechen – die politisch Verantwortlichen aber gleichzeitig schulterzuckend danebenstehen, wo eine ganze Generation körperlich und seelisch verwahrlost? Die Nonchalance, mit der insbesondere die weniger behüteten Schülerinnen und Schüler ihrem Lockdown-Schicksal überlassen werden, ist wahrscheinlich der größte Skandal in dieser mit der Pandemie völlig überforderten Republik. Das Bundesbildungsministerium hat es bis heute nicht einmal geschafft, eine Strategie zu entwickeln, mit der Kinder und Jugendliche ihre coronabedingten Lerndefizite halbwegs wieder aufholen können.

Schäden für das gesamte Berufsleben

Übrigens geht es keineswegs nur um ein paar Wissenslücken, die sich im Lauf der Jahre von selbst wieder schließen: Einer Studie des Ifo-Instituts zufolge bedeutet der Verlust von etwa einem Drittel Schuljahr über das gesamte Berufsleben gerechnet im Durchschnitt rund 3 bis 4 Prozent weniger Erwerbseinkommen. So verspielt man nicht nur die Kompetenz junger Menschen, sondern auch den Wohlstand von morgen. Wir haben uns in der aktuellen Titelgeschichte ausführlich mit den Kollateralschäden von Schulschließungen und faktischem Hausarrest für die „Generation Lockdown“ befasst. Das Fazit: Die deutsche Corona-Politik befindet sich auf einem verheerenden Irrweg. Denn die Älteren zu schützen und dabei die Jugend zu vergessen – das kann nicht gut gehen.

Trotzdem dürfen wir nicht in Kulturpessimismus verfallen. Unsere 16 Sonderseiten zum Start in den Literatur-Frühling sind da zumindest mal ein erster Lichtblick.

Dieser Text stammt aus der April-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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