Christian Lindner - Häuptling doppelte Zunge

Der FDP-Chef will in Niedersachsen keine Ampel- , im Bund aber eine Jamaika-Koalition anstreben. Doch seine Begründungen sind weder logisch noch konsistent

Christian Lindner: mit hohem Ton vorgetragene Ablenkungsmanöver / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Christian Lindner redet immer fest und klar. Deshalb klingt bei ihm alles so zwingend, so plausibel. Selbst wenn es nicht so ist. Dieser Tage erklärte der FDP-Chef im Deutschlandfunk, warum seine Partei in Niedersachsen nicht in ein Ampelbündnis eintrete. Er begründete das so, dass ein Politikwechsel nicht möglich sei, wenn die FDP lediglich das bisher bestehende rotgrüne Bündnis mit den notwendigen zusätzlichen Stimmen versorge. Es sei „anmaßend“ zu glauben, als kleinster Partner diesen Politikwechsel in einer Ampel herbeizuführen. Außerdem könne man staatspolitische Verantwortung auch dadurch übernehmen, indem man in die Opposition ginge.

Lindner redet da mit zwei Zungen. Denn als die SPD im Bund ummittelbar nach der Wahl eine abermalige Große Koalition mit ebenjener Begründung ablehnte, kritisierte sie Lindner dafür scharf. Sein Hinweis, als kleinster Partner nicht viel an Politikwechsel herbeiführen zu können, gilt im Übrigen erst recht für ein Jamaikabündnis aus vier Partnern auf der Bundesebene, das Lindner im Unterschied zur Ampel in Niedersachsen anstrebt. Die wahre Anmaßung besteht darin zu glauben, einem Jamaikabündnis einen liberalen Stempel aufdrücken zu können. Bei vier Partnern bleiben für die FDP wenige Möglichkeiten, den eigenen Farbtupfer zu hinterlassen. Bei vier Parteien verdünnt sich der Einfluss eines einzelnen Partners mehr als in einem Dreierbündnis. Das ist so logisch wie evident.

Auf nationalliberalem Kurs

Die Einlassungen und Erklärungen von Lindner zu Ampel und Jamaika, zur Verantwortung in Regierung und Opposition sind weder logisch noch konsistent. Sondern Ausflüchte. Mit hohem Ton vorgetragene Ablenkungsmanöver. Das war schon im Zuge der drei aufeinanderfolgenden Landtagswahlen im Frühjahr dieses Jahres so. Auch da hatte Lindner mit fester Stimme herumgeeiert.

Hinter Lindners Sophistereien steht etwas ganz anderes. Er möchte die FDP eher nationalliberal als linksliberal positionieren. Er will die Ampel nicht. Er hat einen Widerwillen gegen die SPD. Er will die FDP in einem bürgerlichen Bündnis sehen. Zur Not eben mit den Grünen. Deshalb, nur deshalb scheut er die Ampel. Am deutlichsten wird das bei seinen Einlassungen zu Europa. Man wolle schon ein Europa, aber ein anderes. Das klingt vordergründig proeuropäisch. Aber so formulieren das Europagegner auch, wenn sie nicht als solche erkannt werden wollen.

Wiederauferstehung nur ein One-Hit-Wonder?

Christian Lindners Verdienst ist es, die FDP wieder in den Bundestag geführt zu haben. Sein ganzes Bemühen ist darauf ausgerichtet, dass seine Partei sich wieder dauerhaft in den Parlamenten von Bund und Ländern etabliert. Sein Projekt Wiederauferstehung darf kein One-Hit-Wonder sein. Warum er für dieses Ziel seine FDP nicht in Äquidistanz zu den beiden großen Volksparteien hält und eine Ampel in Niedersachsen nicht ebenso anpeilt wie ein Jamaika-Bündnis im Bund, bleibt sein Geheimnis.

Offenbar sieht er es als gefährlicher an, bei verschiedenen Koalitionsoptionen zu einem prinzipienlosen Mehrheitsbeschaffer abgestempelt zu werden. Und er meint, aus den Fehlern von Guido Westerwelle in dessen Bündnis mit Angela Merkel gelernt zu haben, um nicht abermals darin unterzugehen. Vielleicht sollte sich Lindner einmal mit Sigmar Gabriel unterhalten. Der hatte zu Beginn der zweiten Großen Koalition der SPD mit Merkel auch getönt, diesmal wisse er, wie man es machen müsse, um daran nicht kaputt zu gehen.

Der Ausgang ist bekannt.

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