CDU und Migration - Hetzerin Merkel?

Wer heute die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin kritisiert, wird schnell in die rechte Ecke gestellt. Dabei gehörte Angela Merkel selbst vor ein paar Jahren noch zu den Zuwanderungsskeptikern. Eine Dokumentation ihres Gesinnungswandels

Die vielen Gesichter der Angela Merkel / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Es war das klassische Verhaltensmuster, das der Professor mittleren Alters, CDU-Mitglied aus dem Rheingau-Taunus-Kreis bei seiner Kritik an der Flüchtlingspolitik der Partei an den Tag legte. Der eigentlichen Aussage wird eine Beteuerungsformel vorangestellt. Er sei ein „ganz harmloser Mensch“ und habe mit Rechtspopulisten nichts zu tun, versicherte er vergangene Woche im Videochat mit der Bundeskanzlerin im Vorfeld des CDU-Bundesparteitages. Er habe nur zum ersten Mal  in seinem Leben Angst um die Zukunft seiner Kinder und die Stabilität der Gesellschaft.  

Wie dem Professor aus dem Rheingau erging es in den vergangenen 16 Monaten allen, die sich erlaubten, kritische Einwände gegen Angela Merkels Flüchtlingspolitik vorzubringen. Die Nazi-Keulen kreisen tief, die Rassismus-Vorwürfe folgen auf dem Fuße. Unlängst hat sich ein Kommentator bei Spiegel Online zu der These aufgeschwungen, alle AfD-Wähler und -Sympathisanten seien Rassisten.

Andere Zeiten, andere Worte

Wer beispielsweise so redet, steht ganz schnell als Hetzer da:

„Da muss man natürlich darüber sprechen, dass es den Missbrauch des Asylrechts gibt. Da muss man natürlich sagen, die Folge kann nur sein, Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung. Alles andere wird keine Akzeptanz in der Bevölkerung finden.“

Das hat Angela Merkel den Delegierten des CDU-Bundesparteitags 2003 in Leipzig zugerufen. War die Kanzlerin etwa auch mal eine Hetzerin? Sie lieferte seinerzeit ihre Sicht auf jene Form der Diffamierung gleich mit, der heute die Kritiker ihrer Politik ausgesetzt sind:  

„Manche unserer Gegner können es sich nicht verkneifen, uns in der Zuwanderungsdiskussion in die rechtsextreme Ecke zu rücken, nur weil wir im Zusammenhang mit der Zuwanderung auf die Gefahr von Parallelgesellschaften aufmerksam machen.“ So redete Angela Merkel im Dezember 2003 und fuhr fort: „Das, liebe Freunde, ist der Gipfel der Verlogenheit, und eine solche Scheinheiligkeit wird vor den Menschen wie ein Kartenhaus in sich zusammenbrechen.“

Das Maß des Zumutbaren ist überschritten

Sie meldete diese Zweifel nicht nur beim Parteitag an. Schon im Jahr zuvor, im Aufgalopp zur Bundestagswahl am 22. September 2002, nahm sich die Oppositionschefin Merkel die in ihren Augen falsche Migrationspolitik der Regierung zur Brust und redete wie neuerdings CDU-Vize Thomas Strobl:

„Auch wenn Sie mit noch so treuen Augen, Herr Clement, hier über die Zuwanderung sprechen: Sie wissen doch, wie es ist. Die Menschen im Lande wissen, dass Ihre Gesetze eben keine Begrenzung der Zuwanderung bieten. Und die Menschen im Lande wissen, dass der Herr Schily (…) gesagt hat: Das Maß des Zumutbaren ist überschritten. Und sie wissen, dass spätestens nach Pisa doch in Deutschland völlig klar ist: Bevor wir über neue Zuwanderung reden, müssen wir erst einmal die Integration der bei uns lebenden ausländischen Kinder verbessern. (...) Sie haben keine einzige Mark vorgesehen, um das Problem zu beseitigen, dass hier in Berlin-Kreuzberg 40 Prozent der ausländischen Kinder und Jugendlichen weder einen Schulabschluss haben noch einen Berufsabschluss, und trotzdem reden Sie über mehr Zuwanderung!“

Diskussionskultur am Tiefpunkt

Seit Angela Merkel diese Sätze gesagt hat, sind in ihrer Verantwortung während 16 Monaten mindestens 1,2 Millionen Migranten zusätzlich nach Deutschland gekommen. Die Merkelschen Sätze mit ihren Schlüsselbegriffen echoen da im Kopf wie ein Kommentar zu ihrem eigenen Regierungshandeln.

Merkels Alleingang hat das politische Klima in Deutschland vergiftet. Viele, wie der Professor aus dem Rheingau, trauen sich nicht, ihre Meinung zu sagen, weil sie dafür umgehend in die rechtsextreme Ecke gestellt und mundtot gemacht werden. Obwohl man sich auf die Kanzlerin selbst berufen und sagen kann, was diese Art von Diskussionskultur ist:

Der „Gipfel der Verlogenheit“ und eine „Scheinheiligkeit, die wie ein Kartenhaus zusammenbrechen wird“.

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