CDU-Fraktionsvorsitzender Niedersachsen - „SPD und Grüne haben den schlummernden Vulkan nicht gesehen“

Es war ein Paukenschlag: Die Abgeordnete Elke Twesten wechselt von den Grünen zur CDU, zerstört so die knappe Mehrheit der rot-grünen Koalition in Niedersachsen und bringt Ministerpräsident Stephan Weil in Bedrängnis. Welche Rolle spielte die CDU dabei? Ein Gespräch mit Fraktionschef Björn Thümler

Elke Twesten und Björn Thümler: „Das war keine Intrige“ / picture alliance
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Chiara Thies ist freie Journalistin und Vorsitzende bei next media makers.

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Herr Thümler, die Entscheidung von Elke Twesten, die Fraktion der Grünen zu verlassen und zur CDU zu wechseln, hat die Politikwelt in Niedersachsen durcheinandergewirbelt. Waren Sie auch überrascht?
Frau Twesten hat das Gespräch mit mir gesucht. Deswegen war das für mich natürlich nicht so überraschend wie für alle anderen. Der Schritt an sich wirkt einerseits überraschend – andererseits war er auch erwartbar. Frau Twesten hat ja Signale an SPD und die Grünen in Niedersachsen ausgesendet, die allerdings von beiden Seiten nicht wirklich wahrgenommen worden sind. Offenbar waren Grüne und SPD schlicht und ergreifend nicht fähig zu erkennen, dass dort ein schlummernder Vulkan sitzt.

Nun haben Sie Frau Twestens Schritt aber auch als „doch etwas kurios“ bezeichnet. Was meinten Sie damit?
Das war eine flapsige Zwischenbemerkung in der Pressekonferenz. Gemeint ist im Grunde genommen nur, dass das schon eine tiefe Zäsur ist, die so ein Schritt nach sich zieht. Dem man sich eben auch nicht leichtfertig hingibt, den man wohl durchdacht und überlegt geht. Das war keine spontane Entscheidung, Frau Twesten hat lang darüber nachgedacht, das konnte ich in den Gesprächen mit ihr erkennen.

Stichwort „durchdacht“ und „lange drüber nachgedacht“. Ministerpräsident Stephan Weil hat den Vorgang als „Intrige“ bezeichnet. War der Schritt denn schon länger geplant und vorbereitet?
Nein. Das ist der Versuch einer Legendenbildung. Frau Twesten hat sich erst am Donnerstag mir gegenüber offenbart und gesagt, sie hätte sich entschieden, den Schritt zu tun. Wir haben dann entsprechend adhoc die Vorbereitungen getroffen, um am heutigen Tage die Erklärung zu geben. Also eine Intrige wie sie Herr Weil, Herr Stegner und andere da sehen, kann ich beim besten Willen nicht erkennen. Ganz im Gegenteil, es ist die Entscheidung einer Abgeordneten gewesen, die von ihrer Partei seit längerem enttäuscht ist.

Eine Entscheidung, die auch als „Schwächung der Demokratie“ bezeichnet wurde.
Ja, wenn man nicht mehr weiter weiß, kommt man immer mit diesen stereotypen Antworten. Das hat mit Schwächung von Demokratie nichts zu tun. Dann wäre ja der Vorgang in Thüringen, wo SPD, Grüne und Linke einen Ex-AfD-Mann in ihren Reihen aufgenommen haben, um ihre Mehrheit aufrecht zu erhalten, auch demokratieschädlich oder eine Intrige. Die SPD sollte bei solchen Dingen in der Wortwahl abrüsten und die Bürger nicht ständig mit so einem Kram verwirren. Es geht jetzt einfach darum, dass wir nach den veränderten Mehrheitsverhältnissen schnell zu Neuwahlen kommen müssen. Diesen Weg kann die Landesregierung unter Stephan Weil freimachen, indem sie zurücktritt. Dann können wir diese Dinge auch sehr flott angehen.

Sie fordern also den Rücktritt des Ministerpräsidenten?
Wenn Herr Weil zurücktritt, wäre das ein sauberer Schritt auf dem Weg zu Neuwahlen. Diese Landesregierung ist am Ende. Theoretisch wären Neuwahlen mit der Bundestagswahl möglich.

Bei den nächsten Landtagswahlen in Niedersachsen kann Elke Twesten noch nicht für die CDU antreten, weil die Listen schon feststehen. Aber kann sie sich jetzt gute Chancen auf einen Listenplatz bei der übernächsten Bundestagswahl bei Ihnen ausrechnen?
Darüber haben wir noch gar nicht gesprochen. Frau Twesten ist ja aus freien Stücken zur CDU gekommen. Das hat auch unserer Landesvorsitzende ihr in einem Gespräch deutlich gemacht, dass es keinerlei Zusagen gibt. Natürlich kann sich Frau Twesten jetzt in der CDU politisch betätigen.

Was sind denn die nächsten Schritte bei der CDU in Niedersachsen?
Erst einmal müssen wir mit der FDP sprechen. Darüber, wie wir es schaffen können, eine Mehrheit im Landtag hinzubekommen. Das heißt, dass wir eine Zählgemeinschaft mit der FDP bilden wollen. Das führt dann zu einer Neubesetzung der Ausschüsse, der Präsidien, des Ältesten-Rates und aller Gremien, die daran haften. Dann können wir mit dieser Mehrheit auch entscheiden, was im Landtag noch beraten wird und was nicht. Dazu kommt, dass eine Selbstauflösung des Parlaments möglich ist, wenn die Landesregierung nicht die Kraft findet, zurückzutreten. Auch wie wir das angehen, müssen wir besprechen.

Sie sind also gedanklich schon bei einem neuen Landtag.
Wir streben so schnell wie möglich Neuwahlen an. Das haben wir ja heute auch erklärt. Und wie gesagt, der richtige Schritt auf dem Weg wäre der Rücktritt der Landesregierung.

Mit dem möglichen Koalitionspartner FDP?
Noch ist nicht die Zeit, Koalitionsverhandlungen zu führen. Wir sind gerade dabei, die momentane Regierung loszuwerden, dann zu wählen und daraufhin eine neue Regierung zu bilden. Aber wie der neue Landtag zusammengesetzt ist, entscheidet natürlich der Wähler.

Aber eine schwarz-grüne Koalition ist jetzt keine Option mehr, oder?
Wie heißt es so schön? Sag niemals nie.

 

 

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