CDU-Wahlkampf in Stralsund - Kühler Empfang für Laschet und Merkel

Die Kanzlerin will Armin Laschet in ihrem Heimat-Wahlkreis Schwung für die letzte Wahlkampfwoche geben. Aber der gemeinsame Auftritt in Stralsund versprüht nur Müdigkeit.

Angela Merkel und Armin Laschet am Dienstagabend in Stralsund, links Philipp Amthor / dpa
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Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Angela Merkel schmeißt sich noch einmal in den Ring. Die Kanzlerin, die sich eigentlich weitgehend aus dem Wahlkampf heraushalten wollte, steht an diesem Dienstagabend um kurz nach sieben Uhr im cremefarbenen Blazer auf der Bühne auf dem Alten Markt von Stralsund und redet an.

Gegen die weiter historisch schlechten Umfragewerte der Union auf Bundesebene, gegen die katastrophalen Umfragewerte für die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern, wo ihre Partei um die 15 Prozent liegt, gegen den Regen, der gnadenlos über das Kopfsteinpflaster treibt, und gegen die vielen Störer hinter den Absperrungen, die der Kanzlerin „Wir sind das Volk“ und „Frieden, Freiheit, keine Diktatur“ entgegenbrüllen.

150 CDU-Unterstützer im Regen

Vor der Bühne schmiegen sich unter ihren Regenschirmen wie eine Schafherde etwa 150 CDU-Unterstützer aneinander. An keinem Moment dieses Abends kommt etwas auf, was auch nur im entferntesten an Euphorie erinnert. Der Beifall ist meist so dünn, dass man jedes Klatschen einzeln hört. Insgesamt wirkt die Veranstaltung - etwa im Unterschied zu den Auftritten Baerbocks oder Scholz' - merkwürdig provinziell: Die Bühne sieht aus, als ginge es an diesem Abend um die Bürgermeisterwahl von Stralsund, die musikalische Untermalung von „Rob und Frankie“ (Country-Versionen von Purple Rain und Sweet Dreams) fügt sich hervorragend in dieses Bild.

Aber die maue Stimmung haben auch die Redner zu verantworten. Merkel malt pflichtschuldig die Gefahr einer rot-rot-grünen Regierung an die Wand, mit der es keine Rückkehr zur Schuldenbremse geben werde. „Wir wollen Sicherheit“, sagt die Kanzlerin, dafür dürfe man aber kein „Misstrauen gegenüber unseren Polizistinnen und Polizisten“ verbreiten. Am Sonntag gehe es um viel, nämlich um die Frage, ob es weiter einen Kurs von „Maß und Mitte“ gebe.

In Merkels Fußstapfen

Weder in der Art, wie sie vorgetragen werden, noch inhaltlich sind das Sätze, die einen Marktplatz in Wallung bringen können, egal in welchem Teil der Republik. Und man fragt sich doch, wie es Merkel gelang, diesen Wahlkreis achtmal hintereinander direkt zu gewinnen.

Der nun „in ihre Fußstapfen treten“ wird (Merkel), ist der 34 Jahre junge Georg Günther. Auch er steht mit auf der Bühne, mit denen, die er eigentlich nicht unterstützt: Er hatte sich bei der Frage der Merkel-Nachfolge an der Spitze der CDU klar für Friedrich Merz positioniert.

Es ist einer dieser Faktoren, der zum Misserfolg dieses Abends beiträgt: Armin Laschet ist in und außerhalb der CDU im Osten Deutschlands einfach nicht wohlgelitten, Friedrich Merz und Markus Söder wären es - ungeachtet ihrer sonstigen Schwächen - gewesen.

Laschet findet keine passende Ansprache

Der Aachener Laschet findet an diesem Abend keine gemeinsame Sprache mit den Norddeutschen. Hölzern wirkt sein Verweis auf das „ganz großartige Bundesland“, das nach der Wende das erste gewesen sei, in dem er Urlaub gemacht habe. Das ist gekünstelt, und das merken die Menschen auch.

Laschet spult sein Programm ab, lobt die Zusammenarbeit von Bund und Ländern bei der Verhinderung des Anschlags auf die Synagoge in Hagen, schwärmt vom „klimaneutralen Industrieland“, das Deutschland werden müsse, vom in Deutschland produzierten klimaneutralen Stahl, mit dem dann auch die Werften hier in Mecklenburg-Vorpommern beliefert werden. Im Schiffsbau haben die Menschen hier im Norden aber schon so viele Täler der Tränen durchwandert, dass man von Versprechungen der großen Politik eigentlich nichts mehr hören will.

Wer führt hier eigentlich Regie?

Und wieder kommt Laschets Albernheit zur Geltung, mit der er sich schon mehrfach im Wahlkampf selbst ein Bein gestellt hat: „Wir hoffen beide, dass wir Nachfolger werden, Du in einem Wahlkreis, ich in einem anderen Amt“, sagt er an Günther gewandt. Allzu menschlich vielleicht, dieser Laschet, um die Bundesrepublik zu führen.

Viel zu ausführlich sind auch seine Verneigungen vor Merkel: Glaubt er noch immer, von ihr profitieren zu können? Der Name dieses Landes, sagt er bezogen auf Mecklenburg-Vorpommern, werde auf lange Jahre mit dem Namen Angela Merkels verbunden sein. Es ist die letzte Verneigung vor ihr, dann wünscht er den Anwesenden „einen guten Endspurt im Wahlkampf.“ Es wird geklatscht, die hinter den Gittern rufen „Hau ab, hau ab.“

Und dann. Ist nicht Schluss, sondern es redet noch einmal Georg Günther, geschlagene sieben Minuten lang. Man fragt sich in diesem Moment, wer bei der CDU, der größten Volkspartei Deutschlands, bei einem der wichtigsten Wahlkampfauftritte wenige Tage vor der Wahl, eigentlich Regie führt? Unschlüssig steht Angela Merkel daneben, während Günther davon erzählt, wie schlimm die Bürokratie beim Bau des Radwegs „zwischen Süderholz und Greifswald“ gewesen sei. Laschet schaut mit versteinertem Gesicht in den dunkel-verregneten Abendhimmel. Aus diesem Blick spricht vieles, aber nicht „Wir schaffen das.“

Als Günther endet, singt man noch die Nationalhymne, dann gehen alle nach Hause.

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