CDU nach Niedersachsenwahl - Die schwerhörige Kanzlerin

Bei den Wahlen in Niedersachsen wurde die CDU für das Verhalten von Angela Merkel nach den Bundestagswahlen bestraft. Ohne Demut und Einsicht verfolgt sie das Ziel des Machterhalts um jeden Preis und nimmt die programmatische Pleite ihrer Partei in Kauf

Nach der Bundestagswahl ist Angela Merkel auch nicht gewillt, den zweiten Schuss aus Niedersachsen zu hören / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Wenn es Jörg Schönenborn von der ARD nicht schon gäbe, man müsste ihn erfinden. Niemand sonst schafft es an einem Wahlabend, wie am vergangenen Sonntag wieder, so souverän mit elegantem Wisch über einen riesigen Screen und sanften Berührungen auf dem Bildschirm in Zahlen und Kurven  zu analysieren, was da gerade an den Wahlurnen passiert ist. Die zwei aufschlussreichsten Charts: jene der Wählerwanderungen hin zur SPD, die dieser den Wahlsieg ermöglichte. Und ein Vergleich der Entwicklung der Bundes-CDU mit den Umfragewerten der Landes-CDU.

Aussage der beiden Charts: Die SPD hat massiv von Nichtwählern und früheren CDU-Wählern profitiert. Und die niedersächsische CDU um den Spitzenkandidaten Bernd Althusmann kam in den vergangenen Wochen in den Abwärtssog der Bundes-CDU. Ein Abwärtssog, der sich nach dem miserablen Wahlergebnis der Bundestagswahl weiter fortgesetzt hat, ja, erst richtig verstärkt hat.

Keine Demut bei CDU und Merkel

Die Wahl der sechs Millionen Wahlberechtigten im Flächenland Niedersachsen darf insofern als Nachwahl zur Bundestagswahl betrachtet werden. Dabei wurde die SPD nach ihrem historischen Tief der 20,5 Prozent dank eines vertrauenswürdigen Kandidaten verwöhnt, die AfD mit ihren sechs Prozent (bei der Bundestagswahl lag sie in Niedersachsen zwischen 9 und 10 Prozent) nicht mehr in dem Maße als Denkzettel benutzt. Und die CDU wurde abermals getunkt.

Das hat damit zu tun, dass die CDU, namentlich ihre Vorsitzende Angela Merkel, nach den schwachen 32,9 Prozent bei der Bundestagswahl nicht einmal einen Anflug von Demut und Einsicht gezeigt hatte. Sie könne nicht erkennen, was man hätte anders machen sollen, sagte die Kanzlerin in bizarrer Indolenz, um nicht zu sagen: Ignoranz gegenüber dem Wählerwillen, der sich am 24. September manifestiert hatte. Die Wahl in Niedersachsen gab einem Zehntel der Wahlbevölkerung die Möglichkeit, der etwas begriffstutzigen und/oder halsstarrigen Angela Merkel auf die Sprünge zu helfen

Die programmatische Insolvenz der CDU

Allerdings deutet gar nichts darauf hin, dass die CDU-Vorsitzende diesen zweiten Schuss, diesmal aus Niedersachsen, zu hören gewillt ist. Im Gegenteil: Ihre Reaktion auf die Doppelwahl im Bund und in Niedersachsen: mehr vom Gleichen. Noch mehr programmatische Ausrichtung der CDU Richtung links. Auf keinen Fall auch nur eine Handbreit Boden für diejenigen in CDU und CSU, die sich so sehnlich wieder ein etwas konservativeres Profil ihrer Partei wünschen, die ihnen fremd geworden ist. Sie schauen sehnsuchtsvoll über den Inn und blicken am gleichen Wahlabend auf eine ÖVP unter Sebastian Kurz, die zeigt, dass eine andere Strategie als jene der Kanzlerin zum Erfolg führt.

Merkels Strategie folgt dabei nur einem Ziel: dem Machterhalt. Genauer: ihrem Machterhalt. Um jeden Preis. Der Preis ist die programmatische Insolvenz der CDU. Merkel ist als Kanzlerparteichefin zur Insolvenzverwalterin ihrer selbst und ihrer Partei geworden. Die CDU ist politisch pleite. Das politische Kalkül, dem Merkels Vorgehen folgt, ist nicht neu. Auch ihr Vorgänger Gerhard Schröder hat mit einem weiten und kalkulierten Ausfallschritt ins Lager der Anderen seine Macht errungen und erhalten. Bis heute hat sich die SPD davon nicht erholt. Die CDU nach Merkel wird es noch härter treffen als die Sozialdemokraten. Weil sich zur programmatischen Entkernung eine beispiellose personelle Leere gesellt.

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