CDU-Vorsitz - Helge Braun führt das Team „Merkel II“ an

Kandidat Helge Braun stellt zwei Frauen als Mitstreiterinnen vor: Serap Güler und Nadine Schön, zwei ausgewiesene Merkelianerinnen. Dafür will Friedrich Merz die CDU familienfreundlicher machen.

Kohl-Double als Feminist: Helge Braun mit Serap Güler und Nadine Schön / dpa
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Autoreninfo

Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Am 22. November 2005 wurde Angela Merkel zum ersten Mal zur Bundeskanzlerin gewählt. Auf den Tag genau 16 Jahre später präsentiert ihr Kanzleramtsminister Helge Braun (49) die beiden Frauen, die im Fall seiner Wahl zum CDU-Vorsitzenden seine wichtigsten Mitstreiterinnen wären: die Bundestagsabgeordneten Serap Güler (41) und Nadine Schön (38) – zwei ausgewiesene Merkelianerinnen. Güler war bisher Integrationsstaatssekretärin in Kabinett Laschet in Nordrhein-Westfalen, Schön ist stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Das Datum mag ein Zufall sein. Aber Braun und seine Mitstreiterinnen können durchaus als Bannerträger des „Merkelismus“ gesehen werden. Dass der Kanzleramtsminister gleich zwei Frauen aufbietet, ist sicher ganz im Sinne der spätberufenen Feministin Merkel. Güler soll Generalsekretärin werden, Schön ebenso die Programmarbeit leiten wie die Parteistruktur modernisieren.

Ganz ohne Frauen geht die CDU-Chose nicht

In der Frauenfrage lässt Braun damit seine Konkurrenten Friedrich Merz und Norbert Röttgen weit hinter sich. Röttgen will die unbekannte Hamburger Neu-Abgeordnete Franziska Hoppermann zur Parteimanagerin machen. Merz möchte die ebenfalls unbekannte Christina Stumpp aus Waiblingen, ebenfalls neu in den Bundestag gewählt, auf den noch gar nicht existierenden Posten einer stellvertretenden Generalsekretärin hieven. „Ganz ohne Frauen geht die Chose nicht“, lautet der neue CDU-Schlager. Aber Braun intoniert ihn am kräftigsten.

Braun und seine Frauen haben noch eine andere Erkennungsmelodie: die Sozialpolitik. Die CDU soll für die „hart arbeitende Bevölkerung mit ihren Alltagssorgen“ da sein. Mit der Forderung nach sicheren Arbeitsplätzen, sicheren Altersbezügen und sicheren, das heißt bezahlbaren, Wohnungen, will Braun die soziale Wurzel der CDU wieder deutlich machen. Nun kann niemand Merkel vorwerfen, ihre Regierung habe die Sozialleistungen nicht massiv ausgeweitet. Nur hatte die Union meist nur vollstreckt, was die SPD ihr diktiert hatte.

Auch Merz entdeckt das Soziale

Das Soziale spielt bei Röttgen keine große Rolle. Dagegen hat Merz mit der Benennung des Berliner Sozialpolitikers Mario Czaja als potentieller Generalsekretär deutlich gemacht, dass ihm viel daran liegt, die sozialen Sicherungssysteme „zukunftsfest“ zu machen. Doch Güler kann sich als Kind eines türkischen „Gastarbeiters“ präsentieren, das weiß, dass es vom 17. eines Monats an knapp werden kann.

Als Generalsekretärin will Güler einen neuen Stil einführen mit den Elementen „Verbindlichkeit, Verlässlichkeit, Menschlichkeit“. Jedoch ist die überzeugte Laschet-Unterstützerin bisher nicht als allzu verbindlich aufgefallen. Gegen „Parteifreunde“ rechts der Mitte teilt sie gerne und kräftig aus. Wenn es um die von Braun angekündigte Stärkung auch der „konservativen Wurzeln“ der Partei geht, erscheint Güler nicht gerade als die ideale Frontfrau.

Braun lässt keine Merkel-Kritik zu

Braun macht keinen Hehl daraus, dass die CDU in der Opposition anders agieren muss als in der Regierung. Aber Kritik an Merkel lässt er nicht zu. Sie sei unter den deutschen Politikern unverändert am beliebtesten. Fragt sich nur, ob die 400.000 Parteimitglieder das auch so sehen. Schließlich wird an der Parteibasis über die Sozialdemokratisierung in der Ära Merkel der CDU mehr geklagt als in den meisten Medien.

Helge Braun wirkt – nicht nur körperlich – wie eine Kopie Helmut Kohls: Er hat die Ruhe weg. Und ist dabei überaus verbindlich. Auch Röttgen gibt sich stets staatsmännisch – elegant und intellektuell allen anderen überlegen. Merz war dagegen bisher eher der schneidige Mann der klaren Kante. Doch der neue Merz tritt anders auf. Das zeigte sich am Montagabend, als Merz sich per Video-Schalte den Fragen von rund 10.000 Parteimitgliedern stellte. Als ein Parteifreund unterstellte, die Ampel werde sich schnell zerlegen, widersprach er ihm. Und nicht nur das. Merz gestand SPD, Grünen und FDP sogar zu, sie hätten eine Chance verdient. Und setzte noch einen drauf: Die künftige Regierung werde es „vielleicht“ sogar besser machen als die noch amtierende Koalition. Ob das seinen Hardcore-Fans gefällt?

Der neue Merz entdeckt die Familienpolitik

Bei seinem dritten Anlauf auf den Parteivorsitz entpuppt sich der Wirtschaftsexperte sogar als Familienpolitiker. Sein Mantra: Die Politik solle familienfreundlicher werden, damit auch junge Mütter und Väter leichter mitwirken können. Das sagen viele in der CDU, die bekanntlich zu wenig Frauen und zu wenige jüngere Männer in ihren Reihen hat. Aber in einem Punkt hat Merz jetzt ein Alleinstellungsmerkmal. Als Vorsitzender will er in der Parteizentrale „Konrad-Adenauer-Haus“ dafür sorgen, dass die CDU ein „familienfreundlicher Arbeitgeber“ ist. Von „Mutti Merkel“ war während ihrer 18-jährigen Partei-Regentschaft derlei nie zu hören.

Merz hat noch ein Alleinstellungsmerkmal. Anders als Röttgen und Braun gibt er dem bis April gewählten Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus keine Jobgarantie.

In dem von der Bundes-CDU veranstalteten „CDU live“ versicherte Merz, er bewerbe sich um das Amt des Parteivorsitzenden: „Nur darum geht es.“ Doch liebäugelt Merz nicht etwa doch mit dem Fraktionsvorsitz? So ganz klar ist das jedenfalls nicht. Es gebe „im Augenblick keinen Grund, an der jetzigen Konstellation etwas zu ändern“, hatte er am Wochenende in einem Interview geäußert.

Macht Braun Röttgen zum Parteichef?

Dass aus dem Duell Merz-Röttgen durch Braun ein Triell wurde, kam überraschend. Unter den drei Bewerbern ist Braun der Außenseiter. Aber er könnte durchaus zum „Königsmacher“ werden. Sollte Merz nämlich im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit verfehlen, könnten die Braun-Anhänger in der Stichwahl den Ausschlag geben – zugunsten von Röttgen.

Man darf getrost unterstellen, dass Merkel ein Braun-Sieg am liebsten wäre. Merz hat sie schon 2002 den Fraktionsvorsitz weggenommen. Zudem hat sie zwei Mal ihre Truppen mobilisiert, um Merz als Parteichef zu verhindern. Röttgen, einst „Muttis Klügster“, hat sie 2012 als Umweltminister gnadenlos abserviert, weil dieser bei der Landtagswahl krachend gescheitert war. Wenn Braun jetzt Merz zum dritten Mal verhindern könnte – Merkel würde das in ihrem „Austragstüberl“ still genießen.

 

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