CDU-Parteitag - Fanal gegen die Alternativlosigkeit

Beim Parteitag der CDU war die Kritik am Kurs von Angela Merkel unüberhörbar. Die Alleinherrschaft der Kanzlerin und ihrer Entourage scheint am Ende zu sein. Nur Merkel selbst lässt weiter alles von sich abperlen

Das freut die Kanzlerin: Annegret Kramp-Karrenbauer wurde mit 99 Prozent Zustimmung zur Generalsekretärin gewählt / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Es war jedenfalls kein Huldigungs-Parteitag für die große Vorsitzende. Das Ergebnis dürfte zwar durchaus im Sinne Angela Merkels sein: Koalitionsvertrag mit großer Mehrheit der Delegierten angenommen und Annegret Kramp-Karrenbauer mit fast 99 Prozent Zustimmung zur neuen CDU-Generalsekretärin gewählt. Aber die Redner, die nach dem Vortrag der Bundeskanzlerin in der Berliner „Station“ zu Wort kamen, untermauerten keineswegs den Nimbus der Union, ein reiner Abnick- und Jubelperser-Verein zu sein. Zumindest war die Kritik am Kurs der Chefin und der Parteiführung unüberhörbar. Dieser Unmut lag zwar schon seit langem in der Luft. Aber man erinnere sich nur an den nicht enden wollenden Applaus für Merkel beim Karlsruher Parteitag im Dezember 2015, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise. Es hat den Eindruck, als sei die Union wieder einigermaßen bei Sinnen. Was nicht zuletzt daran liegt, das die Basis deutlicher aufmuckt, als dass es vom Führungspersonal noch ignoriert werden könnte.

Wie bei einem Ehestreit

Wie sehr es in der CDU brodelt, wird schon daran deutlich, dass der vermeintliche Merkel-Chefkritiker Jens Spahn beinahe staatstragend für den Koalitionsvertrag werben musste – und im Vergleich zu manch anderem Parteifreund geradezu versöhnlich wirkte. Natürlich zeigt da dessen Einbindung in die Kabinettsdisziplin bereits ihre Wirkung. Aber derart deutlich wie etwa Eugen Abler aus Baden-Württemberg, Klaus-Peter Willsch aus Hessen, wie dessen Landsmann Christean Wagner oder andere Delegierte war Spahn auch zu seiner ärgsten Rebellenzeit nie geworden. Tatsächlich kam auf offener Bühne alles zur Sprache, die Atmosphäre glich teilweise einem regelrechten Ehestreit: die Flüchtlingspolitik, die Zugeständnisse an die SPD in den Koalitionsverhandlungen, mangelnde Diskussionskultur innerhalb der Partei, ausbleibende Fehleranalyse nach der misslungenen Bundestagswahl und noch vieles mehr.

Die CDU habe „das Profil eines abgefahrenen Reifens“, schallte es der Parteivorsitzenden etwa entgegen; eine andere Vertreterin der Basis wusste zu berichten, dass Briefe ans Konrad-Adenauer-Haus ohne Antwort geblieben seien – wie überhaupt die Distanz der Spitze zu den einfachen Mitgliedern die Atmosphäre in der Partei nachhaltig vergiftet zu haben scheint. Das dürfte auch der neuen Generalsekretärin sehr bewusst sein, die in ihrer Bewerbungsrede davon sprach, „die Diskussionen mit Bürgerinnen und Bürgern“ zur Grundlage ihrer künftigen Arbeit zu machen. Und dass es künftig „zunächst ums zuhören“ zu gehen habe. Wenn nicht alles täuscht, ist die Alleinherrschaft Merkels und ihrer devoten Entourage spätestens mit dem heutigen Tag zu Ende gegangen. Dieser Parteitag war jedenfalls ein Fanal gegen die Alternativlosigkeit – wenn nur die CDU-Fraktion sich nicht wieder nach bewährter Manier von Volker Kauder und Konsorten einlullen lässt.

Merkels politischer Gemüsegarten

Angela Merkel selbst verrichtete in der „Station“ allenfalls Dienst nach Vorschrift und lieferte in ihrer Rede den üblichen Gang durch ihren politischen Gemüsegarten, der sich am besten mit ihrem Satz von wegen „Wir wollen, dass Deutschland auch in Zukunft erfolgreich ist“ auf den nicht vorhandenen Punkt bringen lässt. Denn das will hoffentlich jeder, der sich irgendwann, irgendwie politisch engagiert hat. Und so ging es von Familien über Bildung und Sicherheit, die angeblich „nicht verhandelbar“ ist, bis zum Schließen von Funklöchern in der bundesdeutschen Provinz. Merkels Versprechen einer „neuen Dynamik“, ihr an Christian Lindner erinnernder Ausspruch, es müsse „weg mit allem, was lähmt und bremst“, war geprägt von einer betörend kontrafaktischen Note: Die Botschaft hör‘ ich gern, allein mir fehlt der Glaube.

Denn es scheint inzwischen tatsächlich alles abzuperlen an der deutschen Regierungschefin. Weder ging sie nach der ungewohnt lebhaften Diskussion auf die Kritik der Delegierten ein, noch war ihr daran gelegen, das zurückliegende Bundestagswahlergebnis auch nur halbwegs aufzuarbeiten. Zwar tat sie angeblich genau das, aber dabei heraus kam eine seltsam amorphe Begründung, bestehend aus drei Punkten: Bedenken der Wähler in Hinblick auf Recht und Ordnung, Sorgen wegen der technologischen Möglichkeiten sowie die Instabilität der politischen Weltlage. Warum letztere nun ausgerechnet der CDU geschadet haben soll, das müssen dann wohl die Demoskopen erörtern. Wenn sie es nicht bereits zur Zufriedenheit der Auftraggeber im Adenauer-Haus getan haben.

Für die CDU war das heute trotzdem ein guter Tag. Sie hat gezeigt, dass sie nach bald 18 Jahren mit Angela Merkel an der Spitze gewillt ist, „wieder laufen zu lernen“, um deren eigenes Diktum aus dem Jahr 1999 aufzugreifen. Wie sagte es die neue Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer in ihrer schwungvollen Bewerbungsrede doch gleich: „Wir sind eine interessante Partei!“ Das kann man so oder auch anders verstehen. Jedenfalls ist es an der Zeit, diesen Satz durch Taten und Diskussionen zu unterfüttern. Ein Anfang wäre gemacht.

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