Personalrochade bei der CDU - Jünger, weiblicher und bunter als unter Angela Merkel

Nach dem Parteitag der CDU zeigt sich: Nie zuvor gab es bei den Christdemokraten so viele Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte in den Führungsgremien, die obendrein im Schnitt nun fünf Jahre jünger besetzt sind als unter Angela Merkel. Und das alles ganz ohne Quote. Bei der großen Personalrochade fiel allerdings auf, dass ausgesprochene „Merkelianer“ schlechte Karten hatten.

Sieht so die neue CDU aus? Die Bremerin Wiebke Winter (26) ist das jüngste Vorstandsmitglied der Partei / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Friedrich Merz hatte einen Neuanfang versprochen. Und der Parteitag hat geliefert, was sich der neue erste Mann der CDU gewünscht hatte: So viele neue Gesichter gab es in den Führungsgremien der CDU nach Neuwahlen noch nie, so viele Jüngere und so viele Frauen auch nicht. Merz, der gern als „Mann von gestern“ diskreditiert wird, beginnt mit einer Mannschaft, die jünger und weiblicher ist, als sie jemals unter Angela Merkel war – und bunter obendrein. Das alles ganz ohne Quote.

Bei der großen Personalrochade fiel auf, dass ausgesprochene „Merkelianer“ schlechte Karten hatten. Merkels Kultur-Staatsministerin Monika Grütters (60) kandidierte erst gar nicht mehr für das Präsidium. Annette Widmann-Mauz (56) hingegen, einst Staatsministerin für Integration und weiterhin Vorsitzende der Frauen-Union, wollte ihren Platz im Präsidium unbedingt behalten. Sie fiel mit 45 Prozent durch.

Delegierte wollten personellen Neuanfang

Die als Wissenschaftsministerin eher farblose Anja Karliczek (50) wurde bei ihrem Versuch, wenigstens Beisitzerin zu werden, geradezu gedemütigt. Mit 43 Prozent der Stimmen landete sie auf Platz 33 unter 39 Kandidaten. Ex-Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (49), bisher stets Stimmenkönigin unter den stellvertretenden Vorsitzenden, bekam als neue Schatzmeisterin bescheidene 73 Prozent – bei auffällig vielen Delegierten, die sich an dieser Abstimmung erst gar nicht beteiligt hatten.

Deutlich gesunken ist der Stern von Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (41), der sich noch vor zwei Jahren Hoffnungen auf die Kanzlerkandidatur gemacht hatte. Seine 60 Prozent waren das schlechteste Ergebnis der sieben gewählten „weiteren Mitgliedern des Präsidiums“. Hermann Gröhe (59), als ehemaliger CDU-Generalsekretär und Ex-Gesundheitsminister ein ausgewiesener Merkel-Mann, kam nur mit einem mittelmäßigen Ergebnis (63 Prozent) in den Vorstand.

Die Delegierten schienen in einem Punkt übereinzustimmen: Ein personeller Neuanfang ist dringend notwendig. Dies hatten die beiden gegen Merz gescheiterten Bewerber für den Parteivorsitz, Ex-Kanzleramtsminister Helge Braun und das bisherige Präsidiumsmitglied Norbert Röttgen, offenbar geahnt; sie verzichteten auf eine Kandidatur. 

CDU hat kein „Frauenproblem“

Es wäre falsch, aus der Wahlschlappe von Widmann-Mauz auf ein „Frauenproblem“ in der CDU zu schließen. Denn die von der Jungen Union unterstützte 32-jährige Bundestagsabgeordnete Ronja Kemmer zog mit 70 Prozent ins Präsidium ein, ebenso wie zwei weitere Neulinge: die Vorsitzende der hessischen CDU-Landtagsfraktion Ines Claus (44 / 72 Prozent) und die nordrhein-westfälische Heimat- und Bauministerin Ina Scharrenbach (45 / 68 Prozent). Bei den Beisitzerwahlen erreichte die 32-jährige Jessica Heller, Intensivkrankenschwester und Leipziger Stadträtin, sogar das viertbeste Ergebnis unter den 26 Gewählten. Die Bremerin Wiebke Winter (26), schon bisher jüngstes Vorstandsmitglied und Gründerin der „Klima Union“, kam mit 65 Prozent auf Platz sieben.

Die CDU ist in ihren Führungsgremien deutlich jünger geworden, im Schnitt fünf Jahre. Darin spiegelt sich unter anderem wider, dass die Junge Union ihre sieben Kandidaten durchgebracht hat. Da Personaltableau ist auch bunter als jemals zuvor. Chialo Joe (51) aus Laschets Zukunfsteam, Berliner Musikmanager mit afrikanischen Wurzeln, war bei den Beisitzerwahlen mit 83 Prozent der Spitzenreiter. Wiedergewählt wurde Serap Güler (41), ehemalige Integrations-Staatssekretärin in Düsseldorf und Tochter türkischer Einwanderer, wenn auch mit angesichts ihrer großen Medienpräsenz bescheidenen 62 Prozent. Mit der schleswig-holsteinischen Bildungsministerin Karin Prien (56) wurde erstmals eine Nachfahrin jüdischer Emigranten stellvertretende Parteivorsitzende.

Sozialausschüsse geschwächt

Friedrich Merz plädierte seit Wochen dafür, die CDU müsse ihr sozialpolitisches Profil schärfen. Die CDU-Sozialausschüsse (Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft / CDA) sind in seiner Mannschaft jedoch schwächer vertreten als bisher. Der CDA-Bundesvorsitzende Karl-Josef Laumann (64), Arbeits- und Gesundheitsminister in Nordrhein-Westfalen, verteidigte mit 84 Prozent souverän seinen Platz im Präsidium. Ebenfalls wiedergewählt wurde die stellvertretende DGB-Bundesvorsitzende Elke Hannack (60), für die Friedrich Merz sehr geworben hat. Die Gewerkschafterin ist in der Vergangenheit freilich so gut wie nie als CDU-Frau öffentlich in Erscheinung getreten. 

Dagegen fehlten Laumanns Stellvertreter an der Spitze der Sozialausschüsse, dem Europaparlamentarier Dennis Radtke, elf Stimmen für seinen Wiedereinzug in den Vorstand. Für ihn hat es sich nicht ausgezahlt, dass er nicht nur gegenüber der politischen Konkurrenz, sondern ebenso gegenüber dem eigenen Wirtschaftsflügel stets klare Kante zeigt. Die CDA-Frau Monica Wüllner schaffte es ebenfalls nicht erneut in den Vorstand.

So gesehen wurden die Sozialausschüsse personell geschwächt. Der neue Generalsekretär Mario Czaja (46), ehemaliger Sozialsenator von Berlin, ist der CDA erst im Herbst vergangenen Jahres beigetreten, bei seiner Nominierung als künftiger Generalsekretär im Team Merz. Er wird den „CDA-Kollegen“ also noch beweisen müssen, dass er einer der Ihren ist.

Ungeachtet des schlechten Abschneidens der „linken“ CDA-Kandidaten kann von einem Rechtsruck keine Rede sein. Friedrich Merz war bei seinen drei Anläufen stets vom „Berliner Kreis“ unterstützt worden. Doch dieses Netzwerk konservativer, Merkel-kritischer CDU-Parlamentarier hat innerparteilich keinen großen Einfluss. Das bekam die bei der Bundestagswahl in ihrem Düsseldorfer Wahlkreis gescheiterte Sprecherin des Kreises, Sylvia Pantel (61), zu spüren. Bei den Beisitzerwahlen landete sie mit 215 von 961 abgegebenen Stimmen auf dem letzten Platz.

Inhaltliche Neuaufstellung steht noch aus

Noch können Friedrich Merz und seine Mannschaft nicht loslegen. Da laut Parteiengesetz digitale Wahlergebnisse nicht möglich sind, müssen die Delegierten die Entscheidungen vom Samstag noch per Briefwahl bestätigen. Dass sie dies tun werden, daran besteht kein Zweifel. Mit vielen neuen, interessanten Köpfen ist der CDU die personelle Neuaufstellung geglückt. Auf Merz und seine Mannschaft wartet indes die ungleich schwerere Herausforderung: die inhaltliche Neuaufstellung.

 

 

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