Bundestags-Comeback - „Merz zieht!“

Angeblich will Friedrich Merz wieder in den Bundestag. Angedeutet hatte er seine Ambitionen bei einer Veranstaltung im niedersächsischen Verden. Ein Gespräch mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Andreas Mattfeldt, in dessen Wahlkreis Merz am Montag zu Gast war

Der nächste Kanzler? Friedrich Merz werden weiterhin Ambitionen nachgesagt /dpa
Anzeige

Autoreninfo

Marko Northe hat die Onlineredaktion von cicero.de geleitet. Zuvor war er Teamleiter Online im ARD-Hauptstadtstudio und Redakteur bei der "Welt". Studium in Bonn, Genf und Berlin sowie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 

So erreichen Sie Marko Northe:

Anzeige

Herr Mattfeldt, was war da gestern Abend los?

Es ist schon beeindruckend, wenn man sich vor Augen führt, wie sich Friedrich Merz in den Dienst der Partei stellt, man möchte fast sagen, wie kaum ein Anderer. Man merkt, dass er dreimal pro Woche einen Auftritt für die Partei hat. Sicherlich nicht immer so große Veranstaltungen wie bei uns, wir hatten in Verden ja über 1.000 Besucher. Merz zieht! Wir haben das gemerkt, denn wir waren innerhalb von drei Tagen ausgebucht. Ich hätte das Doppelte an Karten vergeben können.

Welchen Eindruck hat Merz gemacht? 

Er war sehr aufgeräumt, hat einen Parforceritt durch die Weltpolitik gegeben, natürlich auch durch die deutsche Politik. Vielen in der Union fehlt die Vorgabe, ein Kompass. Hier hat er geliefert und diesen Kompass hat er den Unionssympathisanten vorgegeben. Es mag sein, dass dies jemand wie Merz auch besser kann, weil er von außen die Politik betrachtet und nicht selbst alles verantwortlich mitgestalten und entscheiden muss. Die Menschen, die auf der Verdener Veranstaltung waren, haben diesen Kompass sehr dankbar aufgenommen. Das führte sogar dazu, dass die alle aufgestanden sind und Standing Ovations gegeben haben.

Sie sagen, Merz stellt sich in den Dienst der Partei – tut er das wirklich oder macht er nicht eher nur Werbung für sich?

Natürlich schließt das eine das andere nicht aus. Natürlich ist es klar, dass er auch für seine Person werben möchte, wenn es um gewisse Positionen geht, die irgendwann zu verteilen sind. Aber für mich relativiert sich das alles so ein bisschen. Friedrich Merz ist jetzt 64 Jahre alt, er ist auch gereifter als damals, als er aufgehört hat im Bundestag. Er ist ruhiger, er ist vielleicht nicht mehr ganz so impulsiv. 

Offenbar hat Merz auf die Frage, ob er sich vorstellen könnte, wieder Bundestagsabgeordneter zu werden, gestern mit einem knappen „Ja“ geantwortet.

Hinterher rief gleich die Bild-Zeitung an: „Hat Merz jetzt seine Kanzlerkandidatur bekanntgegeben?“ Ich meinte nur „Stop“, so weit ist er nicht gegangen. Aber wenn man sich um ein politisches Mandat bemüht, dann gehört dazu auch, für den Deutschen Bundestag zu kandidieren. Das hat er gesagt. 

Andreas Mattfeldt / Dodenhof

 

Vor allem, wenn man Kanzler werden will, oder nicht? Dafür braucht man ja ein Bundestagsmandat.*

Ich hätte das jetzt nicht gesagt, aber man merkt ihm natürlich mit jeder Faser seines Körpers an, dass er das anstrebt.  

Ist das tatsächlich noch so? Er hat ja in letzter Zeit wieder einige Rückzieher gemacht…

Es wäre ja klug für die Bewerber der K-Frage, wenn man sich irgendwie einigen würde. Und ich glaube, dass das Verhältnis zwischen ihm und Annegret Kramp-Karrenbauer und Markus Söder entspannt ist. Jens Spahn merkt man natürlich auch an, dass er das Kanzleramt mit jeder Pore seines Körpers angehen möchte. Und ich halte das auch für richtig, denn Spahn macht einen verdammt guten Job.

Sie erwähnten vorhin selbst, dass Friedrich Merz 64 Jahre alt ist. Kann man in dem Alter noch als Hoffnungsträger gelten? Gibt es da nicht bessere Optionen?

Doch, das hat Charme. Er ist noch jung genug, um das Kanzleramt anzustreben. Wir wissen, dass das keine drei Perioden werden, sondern vielleicht zwei. Dann ist er 73, wenn er aufhört.

Bestes Adenaueralter, sozusagen.

Na ja, da hatte Adenauer gerade erst angefangen. Das Alter passt eigentlich perfekt. Spahn hingegen ist noch viel jünger. In Zukunft läuft eh alles auf Spahn hinaus. So, wie der sich verkauft, wie der liefert, ist er irgendwann deutscher Bundeskanzler.

Spahn wird also Kanzler, aber erst, nachdem es Merz war?

Ich glaube, die Bewerber sind klug genug, um das unter sich auszumachen. Es mag sein, dass der Bewerberkreis um die K-Frage sich einigt und feststellt, dass die Zeit für einen Jens Spahn noch nicht gekommen ist. Das müssen die intern in diesem Bewerberkreis abklären. 

Was erwarten Sie sich denn von Friedrich Merz in einer aktiven politischen Rolle?

Zwei Sachen, die aber auch für die anderen Bewerber gelten. Ich glaube, dass die Union gut beraten ist, das wirtschaftsliberale Profil mehr zu schärfen. Ich glaube, sie ist auch gut beraten, für einen starken, souveränen Staat einzutreten. Und das meine ich auch mit Hinsicht auf die innere Sicherheit, ganz besonders mit Blick auf die Clankriminalität. Und eins noch: Wir haben in Deutschland relativ wenig Probleme; die Probleme, die wir haben, können gelöst werden. Ein Problem wird aber in den kommenden Jahren immer wieder auf uns zukommen, das ist der Migrationsdruck in unser Land und die Frage, wie wir uns hier aufstellen und verantwortliche Signale senden. Hier geben wir als Union nur halbherzig Antworten, und ich bin überzeugt, dass wir in dieser Sache viel vom österreichischen Bundeskanzler Kurz lernen können. Für mich als Unionspolitiker ist ganz klar, dass wir als souveräner Staat unsere Grenzen schützen müssen. Sich hier mit eindeutigen Antworten zu positionieren, wird vom zukünftigen Bundeskanzler oder einer künftigen Kanzlerin erwartet. Die Menschen in der Unionsfamilie erwarten ein klares Bekenntnis, sie erwarten klare Worte. Merz hat hier gestern Antworten gegeben.

In seinen Reden auf den letzten Parteitagen wirkte Merz eher etwas professoral, nicht mehr so bissig wie früher.

Ich glaube, die Leute finden das gar nicht so schlecht. Er kann gut mit Menschen umgehen, ob er das schon 2003 gekonnt hätte, weiß ich nicht. Gestern war das eine angenehme Atmosphäre.

Sie klingen ja geradezu verzückt...

Verzückt bin ich nicht, dafür bin ich zu lange im Geschäft. Aber insgesamt kann es uns gut tun, jemanden wie Friedrich Merz an vorderster Front dabei zu haben. Es gibt immer qualifizierte Menschen, die zwar das Zeug dazu hätten, die aber sagen, sie streben kein Amt an. Wenn aber einer wie Friedrich Merz, ausgestattet mit einem besonderen politischen Talent und wirtschaftlichem Sachverstand, sagt, ich möchte eine verantwortliche Position in der Union oder gegebenenfalls in der Regierung anstreben, dann können und sollten wir darauf in den kommenden Jahren nicht verzichten.

Merz vermittelt doch eher den Eindruck eines permanenten aufreizenden Zauderns. Jetzt ja auch wieder: Erst sagt er, er könne sich vorstellen, wieder Bundestagsabgeordneter zu werden, dann rudert sein Sprecher zurück.

Klar, das ist aber doch das normale Geplänkel. Jetzt kommt drive rein, die ersten Nominierungsveranstaltungen für die Aufstellungen für die Bundestagswahl werden jetzt terminiert, da werden auch von ihm und von den anderen Bewerbern um die K-Frage Aktivitäten reinkommen. Der Wahlkampf wird dann langsam eröffnet.

*Anmerkung der Redaktion: Für die Wahl zum Bundeskanzler benötigt ein Bewerber kein Bundestagsmandat. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

Anzeige