Bundespräsident Steinmeier - Gediegener Langweiler auf der Promi-Party

Ein Bundespräsident darf kein Revolutionär sein. Aber so langweilig, wie es mit Frank-Walter Steinmeier werden wird, muss er auch nicht sein. Gedanken zur Bundespräsidentenwahl

Frank-Walter Steinmeier: Bundespräsident ohne Überraschungspotenzial / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Der vielleicht bestmögliche Bundespräsident in Deutschland hielt am Sonntag seine Abschiedsrede, ohne je zum Staatsoberhaupt gewählt worden zu sein. Norbert Lammert, scheidender Präsident des Bundestages, gab zum vorgezogenen Abschied seines Daseins als Parlamentarier noch einmal eine Kostprobe seines rhetorischen Könnens zum Besten, als er die Bundesversammlung zur Wahl des zwölften Staatsoberhauptes der Bundesrepublik Deutschland begrüßte.

Lammert – der bessere Präsident

Was hätte das werden können, wenn Angela Merkel, seine Parteichefin, zur rechten Zeit Lammerts Ambitionen auf dieses Amt erhört hätte. Ihr wäre die Schmach erspart geblieben, brav den Kandidaten ihres Koalitionspartners SPD mitzuwählen und diesem damit noch zusätzlichen Aufwind in dessen derzeitiger Hausse zu geben. Und dem Land wäre unter Umständen auch mehr gedient gewesen. Denn: So präsidiabel natürlich auch der Wahlsieger Frank Walter-Steinmeier ist: Munterer wäre es mit Lammert auf alle Fälle geworden.

Narrative Narkose zu erwarten

Das zeigte dann auch der unmittelbare Redenvergleich. Nach der Wahl, die der Kandidat der Großen Koalition haushoch gewann, gab Steinmeier seinerseits eine Kostprobe dessen, was wir die kommenden fünf Jahre von ihm zu erwarten haben: gediegene Langeweile. Narrative Narkose. Es sind Reden von der Art, bei denen man müde so lange nickt, bis man tatsächlich eingenickt ist.

Daran ist nichts falsch, der Hausherr von Schloss Bellevue hat in unserem Staatsaufbau nicht die Rolle eines Revolutionärs wie Danton oder Robespierre. Aber etwas mehr Profil und Kante darf man sich schon wünschen. Das hatte auch Joachim Gauck, in dessen pastoralem Gestus immer noch ein Rest Revoluzzertum schlummerte, etwas vom Geist der Kirche in der DDR, hinter deren Mauern bekanntlich die Wende begann.

Von Frank-Walter Steinmeier werden wir in den kommenden Jahren das hören, was er auch als Außenminister immer predigte: dass man mit allen reden muss. Außer mit Donald Trump natürlich, dem er nicht zum Wahlsieg gratulierte und einen Hassprediger nannte. Frank-Walter Steinmeier ist das Gutgesinnte in Person, deshalb lieben ihn die Menschen auch so, deshalb steht er auf der Politikertreppe auch seit langem ganz weit oben. Aber er ist eben auch eins: sterbenslangweilig.

Der Bürger bleibt außen vor

Illuster dagegen zeigte sich am Wahlsonntag das Plenum im Reichstag. Was hatte da nicht alles an Prominenz Platz genommen. Von Veronica Ferres bis Roland Kaiser. Die Parteien sollten sich bei künftigen Anlässen dieser Art sehr gut überlegen, ob sie statt einer Drag Queen und Natalia Wörner nicht lieber Frau Müller-Hermes aus dem Ortsverein Wanne-Eickel zur Wahl entsenden (was teilweise ja auch geschieht).

Denn dieser Opernball des Politbetriebs macht sonst mehr Verdruss als Lust: Die Leute an den Fernsehern könnten sich in ihrem Gefühl bestätigt sehen, dass diese Promiparty ganz ohne sie und ihr Zutun stattfindet. Könnten sich in ihrem Eindruck bestätigt sehen, dass da eine Oligarchie der sich wichtig Fühlenden am Werke ist - und erst auskartelt, wer es wird, und diesen dann auch gemeinsam und unter sich bleibend wählt.

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