Bundesparteitag der CDU - Das Problem heißt Merkel, nicht AKK

Auf ihrem Bundesparteitag stellten sich die Christdemokraten geschlossen hinter ihre Parteivorsitzende. Die Unterstützung für AKK reicht aber nicht aus, um der CDU aus ihrer Krise zu helfen. Denn das eigentliche Problem trauten sich auch die Maulhelden in der Partei nicht anzusprechen

Quälende Sesshaftigkeit: Warum traut sich in der CDU niemand, das eigentliche Problem beim Namen zu nennen? / picture alliance
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Die CDU hat ihren Parteitag hinter sich, Annegret Kramp-Karrenbauer hat ihn überstanden. Unbeschadet, gestärkt wäre zu viel gesagt. Sie hat eine ordentliche Rede gehalten, inhaltlich intoniert entlang des Refrains: Merkel war gestern, das ist mein Morgen. Am Ende hat sie nach nur einem Jahr als Vorsitzende zur Waffe der letzten Wahl gegriffen und die Vertrauensfrage gestellt. Das hat Friedrich Merz und seine Anhänger unschädlich gemacht – aber gegen einen hohen Preis. Es ist wie beim Skat: Wenn der Kreuz Bube mal gespielt ist und man gerät wieder in die Defensive, ist das Spiel aus. 

Schon am Tag nach dem Rede-Wettbewerb mit Merz hat AKK aufgezeigt bekommen, wonach sich ihre Delegierten wirklich verzehren. Nach Leidenschaft, Coolness, Lockerheit, Raffinesse und souveränem Selbstbewusstsein. Es stimmt schon, ein Grußwort ist keine Parteitagsrede und ungleich leichter, und dennoch hat Markus Söder, der CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident, mal eben das Haus der Schwesterpartei gerockt wie die bayerische Bläsertruppe von La Brass Banda. 

Drohende Insolvenz

Das wahre Problem des CDU-Parteitags liegt aber gar nicht bei Annegret Kramp-Karrenbauers Talenten und Schwächen. Das Problem ist, dass die eigentliche Ursache der Misere der Partei gar nicht angesprochen wird. Es geht zu wie in einer Firma, in der alle wissen, dass die drohende Insolvenz daran liegt, dass sich der Patriarch nicht von etwas trennen kann, das das gesamte Betriebsergebnis Jahr für Jahr wieder verhagelt. Also wird auf der Hauptversammlung herumgedoktert an Nebenschauplätzen. Weil der Alte da ist und ihm keiner sagen mag: Trenn Dich endlich von dem, was der Firma sonst den Untergang beschert. 

Das Problem der CDU heißt nicht AKK. Es heißt Merkel. Genauer gesagt: Merkel und die Migration. Das und nur das hat die CDU (die CSU herausgerechnet) auf die 20 Prozent heruntergeführt. Solange Angela Merkel da sitzt, im Kanzleramt und wie eine Altlast auch auf dem Parteitag, würde jeder Parteivorsitzende vor dem gleichen Problem stehen wie Annegret Kramp-Karrenbauer. Die Kanzlerin hat ihre Partei in Kollektivhaft genommen, sie lastet auf ihr wie seinerzeit Helmut Kohl als Ehrenvorsitzender nach der Parteispendenaffäre.

Quälende Sesshaftigkeit 

Der britische Intellektuelle Timothy Garton Ash hat diese quälende Sesshaftigkeit der Kanzlerin in einem fulminanten Aufsatz im Guardian, in deutscher Fassung im Tagesspiegelbrillant beschrieben und in das Bild gefasst, dass sogar in Bayreuth bei den Wagner-Festspielen die Götterdämmerung schneller vorbei sei als bei der Kanzlerschaft der regelmäßigen Bayreuth-Besucherin Merkel. 

Ashs Befund: Weder Europa noch die CDU können sich weitere zwei Jahre Merkel leisten. Und niemand in dieser Partei der Duckmäuser und Maulhelden hat den Mut, das auszusprechen und zu ändern. Den Mut, den damals eine gewisse Angela Merkel aufgebracht hat, als sie Kohl mit einem Handkantenschlag abräumte und den Weg frei machte für eine CDU ohne den Schatten und die Hypothek des Alten. Es hat ihr den ewigen Zorn des Patriarchen eingebracht – aber eben auch eine lange Kanzlerschaft. 

Armutszeugnis der Maulhelden 

Bei der CDU von heute ist es schon ein Zeichen von Insubordination, wenn Friedrich Merz seine Rede beginnt, ohne Angela Merkel persönlich zu begrüßen. Mehr Mannesmut ist nicht. Was für ein Armutszeugnis all der Maulhelden in der CDU! Merkel hat damals eine Abrechnung mit Kohl in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung platziert. Was hätte dagegen gesprochen, dass einer der Merkel-Kritiker sie bei seiner Rede in den Blick genommen hätte und ihr ins Gesicht gesagt hätte: Du, Angela, Du bist das Problem. Aber zu mehr als Mofa-Frisieren im Sauerland reicht der Mumm selbst bei den Widerständigsten in dieser CDU nicht. 

Deshalb ist nach dem Leipziger Parteitag nichts anders als vor dem Leipziger Parteitag. Die Hoffnungen der CDU ruhen auf der SPD und deren Sehnsucht danach, diese Merkel-Koalition zu verlassen. Man kann es so sagen: Der eigentliche Redner des CDU-Parteitages vom Wochenende hieß Kevin Kühnert, und er redete beim Juso-Kongress in Schwerin, wo er sich wiederwählen ließ. Kühnert steht wie kein anderer in der SPD für einen sofortigen Rückzug der SPD aus der Großen Koalition.  

Die nötige Befreiung

Kevin Kühnert ist aber nicht die SPD, auch wenn er manchmal den Eindruck erweckt. Die Wahrscheinlichkeit ist größer, dass Olaf Scholz und Klara Geywitz das Sagen haben werden in der SPD und dafür die Prokura bekommen auf einem Parteitag an übernächsten Wochenende. Dann wird die SPD der CDU nicht ihre eigenen Aufräumarbeiten abnehmen und weiter in der Koalition bleiben. Timothy Garton Ashs ewige Götterdämmerung ginge einfach weiter. Für ein paar schöne unbeschwerte Kanzlermonate der Angela Merkel. Und zu Lasten einer CDU, die sich derweil so neidisch wie hilflos am Beispiel der CSU und Markus Söder anschauen kann, wie befreiend es ist, wenn die nachfolgende Generation den Patriarchen beiseite geräumt hat. 

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