„Black Lives Matter“ - Schwarze als Maskottchen linker Bewegungen

Die Welt rückt nach dem Polizeimord an George Floyd zusammen und protestiert gegen Rassismus und Polizeigewalt. Besonders linke Feministen machen sich dafür stark. Doch wie viel bringt diese mediale Aufmerksamkeit wirklich? Wie viel Rassismus steckt in der Antirassismus-Bewegung?

Besonders linke Feministinnen setzen sich für die „Black Lives Matter“-Bewegung ein / dpa
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Autoreninfo

Judith Sevinç Basad ist Journalistin und lebt in Berlin. Sie studierte Philosophie und Germanistik und volontierte im Feuilleton der NZZ. Als freie Autorin schrieb sie u.a. für FAZ, NZZ und Welt. Sie bloggt mit dem Autoren-Kollektiv „Salonkolumnisten“. 

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Weiße zeigen Afroamerikaner gerne als ihr schwarzes Maskottchen vor, schrieb der schwarze Ökonom Thomas Sowell vor einiger Zeit in der konservativen Zeitschrift National Review auf. Es seien vor allem weiße Linke, die sich in Wahrheit nicht um das Wohlbefinden von schwarzen Menschen scherten. Vielmehr seien sie daran interessiert, sich in der Öffentlichkeit als die moralisch bessere Person darzustellen.

Nun steht es außer Frage, dass die Ermordung von George Floyd ein grausames Verbrechen ist und rassistische Gewalt in den USA dringend bekämpft werden muss. Wenn man sich aber die „Black Lives Matter“-Bewegung im Netz ansieht, wird man unweigerlich an Sowell erinnert. Denn viele Menschen instrumentalisieren den Hashtag gerade, um sich als Retter der schwarzen Community zu inszenieren. Und es sind vor allem Antirassisten und Feministen, die Schwarze dabei zu schutzbedürftigen Maskottchen herabsetzen.

Rassistische Gewalt wird Realpolitik bekämpft, nicht Hashtags

Das zeigte etwa der Hollywood-Star Julianne Moore neulich auf Instagram. „Ich habe als weiße Person Privilegien, weil ich all diese Dinge tun kann, ohne zwei Mal nachzudenken“, schrieb sie in einem Post. Es folgt eine Liste von Alltagshandlungen, wie Musik hören oder Joggen gehen, wegen denen Schwarze aus rassistischen Motiven ermordet wurden. „Weiße Privilegien sind real. Denken Sie doch mal eine Minute darüber nach, was schwarze Personen im Alltag erfahren“, heißt es dort weiter.

Es ist offensichtlich, dass es der Schauspielerin hier nicht um das Leid von Afroamerikanern geht. Denn rassistische Gewalt wird nicht durch Hashtags, Tränen und pathetische Phrasen einer weißen Lifestyle-Elite bekämpft, sondern durch Realpolitik. Und die ist mitunter zermürbend: Man muss mit Betroffenen reden, die aktuelle Rechtslage verstehen, mit Institutionen verhandeln, Gelder akquirieren und sich sinnvolle politische Forderungen überlegen.

Unter dem Deckmantel des Antirassismus

Doch das ist den „Social Justice Warriors“ zu anstrengend. Viel wichtiger ist das weiße Ego. Wenn sich Weiße auf Demos zu Tausenden auf den Boden knien und Hashtags mit schwarzen Bildern posten, dann geht es nicht um pragmatische Lösungen. Es geht darum, sich selbst als couragierten Kämpfer für Gerechtigkeit, als einen neuen Martin Luther King, zu feiern – bevor man das Leid der Afroamerikaner in den USA wieder wegswipt und ein süßes Bild von seiner Katze postet.

Besonders abstrus wird es, wenn Feministinnen unter dem Deckmantel des Antirassismus Schwarze auf ihre Hautfarbe reduzieren. Das konnte man vor Kurzem in der Süddeutschen nachlesen. Dort schrieb die Kolumnistin Samira El Ouassil folgendes: „Haben Sie einen schwarzen Menschen in ihrem Umfeld gefragt, wie es ihm nach der Veröffentlichung des Videos von Floyd ging? Kennen Sie überhaupt einen schwarzen Menschen, den Sie das fragen könnten? Fühlen sie sich gerade zu Unrecht vorverurteilt, behandle ich sie ungerecht? Tja so geht es schwarzen Menschen täglich“, heisst es dort.

Menschen werden aufgrund ihrer Hautfarbe homogenisiert

Die Autorin degradiert hier Individuen aufgrund der Hautfarbe nicht nur zu Schutzbedürftigen, die bereitwillig mit wildfremden Menschen über ihre Gefühle reden wollen. Sie wertet auch alle Schwarzen – ganz in der Manier Sowells – zu Vorzeige-Maskottchen ab, mit denen man als Weißer besser befreundet ist, weil man sonst als Menschenfeind dasteht. Hier verhält sich die feministische Linke wie die extreme Rechte: Sie homogenisiert Menschen aufgrund der Hautfarbe zu einer Masse, steckt sie in Schubladen und zwängt ihnen bestimmte Charaktereigenschaften auf. Das ist vor allem eines: rassistisch.

Begründet wird dieser Duktus mit dem Ansatz der weißen Privilegien, der in den Medien gerade als die Superwaffe gegen strukturellen Rassismus gehypt wird. Schwarze, so heißt es dann, seien per se Opfer einer weißen Dominanzhierarchie, die durch die Ausbeutung während des Kolonialismus entstanden sei. Wegen dieser Erbsünde sollten sich Weiße daher regelmäßig selbst in Frage stellen und sich Schwarzen gegenüber demütig und unterwürfig verhalten.

Ideologie am Rande des Wahnsinns

Wo diese Ideologie enden kann, wurde vor Kurzem in North Carolina deutlich. Weiße Polizisten knieten sich bei einem Black-Lives-Matter-Protest vor zwei schwarzen Priestern nieder und wuschen ihnen (es ist bizarr) die Füße. Der Grund: Die Uniformierten wollten um Vergebung für die kolonialen Sünden ihrer weißen Vorfahren bitten. In der TAZ schrieb indes ein Demonstrant, dass er einem Polizisten während eines Protests in Berlin ein „Fuck the Police“-Schild vor die Nase hielt, weil er hoffte, dass sich dieser dann hinknien oder dem Rassismus abschwören würde.

Nun gibt es in jeder politischen Sammelbewegung ein paar Spinner, die es übertreiben. Das ist ja ganz normal, könnte man meinen. Aber so einfach ist es nicht. Denn in der medialen Aufregung um den Tod von George Floyd zeigt sich eines: wie Menschen, die sich selbst als progressiv bezeichnen, Schwarze nicht als Ebenbürtige akzeptieren wollen und dabei einer rassistischen Ideologie auf dem Leim gehen.

Der Afroamerikaner nicht als mündiger Bürger, sondern als Teddybär

So wurden Personen im Netz häufig als Menschenfeinde dargestellt, weil sie die gewaltvollen Proteste in den USA kritisierten. Es wäre doch nachvollziehbar, dass Afroamerikaner, nachdem sie jahrhundertelang von Weißen unterdrückt wurden, keine andere Möglichkeit hätten als gewalttätig zu werden, lautete der Tenor. Straftaten wie Raub und Körperverletzung seien also legitim – solange sie ein Mensch mit schwarzer Hautfarbe begeht.

Hier zeigt sich das wahre „White Privilege“: Der antirassistische Linke, der Afroamerikaner nicht als mündige Bürger anerkennt, sondern sie zu Teddybären verniedlicht, denen man die Fähigkeit abspricht, sich amoralisch zu verhalten. Fakt ist doch: Auch Afroamerikaner können Straftaten begehen, Unsinn reden und Menschen diskriminieren – genauso wie Weiße und Menschen mit anderen Hautfarben. Schwarze sind nicht nur Schwarze, sondern Individuen mit unterschiedlichen Einstellungen, Erfahrungen, Fähigkeiten und Meinungen. Das sollte eigentlich jedem Menschen auf der Welt bewusst sein.

Linke Feministen instrumentalisieren Schwarze als Maskottchen

Es sind vor allem linke Feministen, die gerade hart daran arbeiten, diesen humanistischen Konsens zu zerstören. So regte sich etwa Sophie Passmann auf Twitter darüber auf, dass Weiße sich weigerten, Menschen nach Hautfarben zu beurteilen. Die Aussage, „Ich sehe keine Hautfarben, ich sehe nur Menschen“ sei der „größte Feelgood-Scheiß, den der Linksliberalismus je hervorgebracht hat“, schrieb sie. Ein anderer feministischer User teilte auf Twitter dann ein Sharepic, auf dem die Aussage „Ich sehe keine Farben“ als ein „weißes Privileg“ verteufelt wurde.

Es ist absurd: Hier verhindern Feministen aktiv Antirassismus, indem sie Menschen auffordern, wieder in Hautfarben zu denken. Darf man Schwarzen auf Augenhöhe begegnen? Dürfen Schwarze die Opferposition verlassen, um gleichberechtigt und frei von pauschalen Zuschreibungen zu leben? Für viele Linke lautet die Antwort: Nein. Denn sie brauchen ihr schwarzes Maskottchen, um sich groß zu fühlen.

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