Bildungsmonitor 2019 - Berlin dilettiert sogar bei der Integration

Der neue Bildungsmonitor stellt linker Bildungspolitik ein miserables Zeugnis aus. Berlin hat von Bremen die Rote Laterne übernommen, Sachsen und Bayern thronen über dem Rest der Republik

Obwohl Integration groß geschrieben wird, haben es Flüchtlingskinder in Berlin schwer / picture alliance
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Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Bildung und Beton haben vieles gemeinsam. Der alte Werbeslogan für das Zementgemisch – „Es kommt drauf an, was man draus macht“ – gilt für die Bildung erst recht. Der Wert guter Bildung erweist sich im Leben, wenn das geistige Fundament gegossen ist. Bildung sollte eine stabile Basis sein, haltbar für Jahrzehnte.

Deshalb kommt es wie beim Beton auf die Zutaten an, aus denen sie gemacht ist. Insofern kann man am „Bildungsmonitor 2019“, erstellt vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln im Auftrag der Initiative „Neue Soziale Marktwirtschaft“, manches kritisieren. Das Ergebnis aber ist von höchster politischer Relevanz: Sachsen liegt an der Spitze, Berlin bildet das Schlusslicht auch hier.

Ein Staat erwirtschaftet keine Gelder

Laut der Verfasser steht im Fokus ihrer Studie die Frage, „welchen Beitrag das Bildungssystem leistet, um den Wohlstand zu sichern, Aufstiegsmöglichkeiten für den Einzelnen zu schaffen und Teilhabe zu gewährleisten.“ Der Bildungsmonitor beschreibe „Handlungsnotwendigkeiten und Fortschritte in zwölf bildungsökonomisch relevanten Handlungsfeldern aus einer explizit ökonomischen Perspektive“.

Damit ist dem Transparenzgebot genüge getan. Ein Wirtschaftsinstitut sorgt sich um die ökonomische Bildung, weil deren Zustand zentral ist für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. In schwärmerischen Zeiten wie diesen ist es gut, daran zu erinnern, dass ein Staat keine Gelder erwirtschaftet. Er ist auf ökonomisch erfolgreiche Menschen angewiesen, um Daseinsvorsorge für alle leisten zu können.

Wundert’s wen?

Darum muss der Staat seine Bürger zu einem Leben in Bildung und aus der Bildung heraus befähigen, an Schulen, Hochschulen, Universitäten, vielleicht schon in den Kindertagesstätten. Alarmierend ist manches Fazit: „Im Vergleich zum Vorjahr gab es beim Bildungsmonitor 2019 sogar in mehr Handlungsfeldern Rückschritte als Fortschritte.“ „Berlin, Brandenburg, Bremen und Nordrhein-Westfalen belegen fast durchweg einen der hinteren Plätze.“

In drei dieser Länder regiert die SPD, in Nordrhein-Westfalen tat sie es noch bis 2017: Ein Unverhältnis der Sozialdemokratie zur Ökonomie, die Umverteilung erst ermöglicht, spricht aus diesen Zahlen. Und dass 2019 Berlin von Bremen die Rote Laterne übernommen hat, Brandenburg Vorletzter blieb: Wundert’s wen? Berlin ist die Metropole des guten Redens, nicht des richtigen Handelns.

Auch in Berlin nicht alles schlecht

Dennoch ist auch in der rot-grün-dunkelrot verwalteten Hauptstadt nicht alles schlecht: Bei den Unterrichtsstunden an den „Schulen der Sekundarstufe I, den Grundschulen und den beruflichen Teilzeitschulen ist Berlin weit vorne. Weiterhin kamen im Jahr 2017 in Berlin 13,2 Schüler der Sekundarstufe I (Gymnasium) auf einen Lehrer (Bundesdurchschnitt: 14,9). Dies ist der beste Wert aller Bundesländer.“

Katastrophal hoch sind mit knapp zehn Prozent die allgemeine Schulabbrecherquote und die Zahl derjenigen Schüler, die bei Vergleichsarbeiten nicht die Mindeststandards erreichen. Eklatant dilettiert Berlin auf jenem Feld, das es sonntagsrednerisch zu seinem Markenkern erhoben hat, der Integration. Unter ausländischen Jugendlichen beträgt die Abbrecherquote fast 21 Prozent.

Thüringen hat sich am stärksten verschlechtert

Ganz anders stellen sich die Verhältnisse an der Spitze dar: „Sachsen und Bayern weisen einen Vorsprung vor den übrigen Ländern auf.“ Beide werden von der Union regiert. Thüringen hat sich von allen Ländern seit 2013 am stärksten verschlechtert, belegt aber noch den dritten Rang. Seit Ende 2014 stellt die Linkspartei mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten.

An Sachsen rühmt die Studie hohe Ganztagsquoten in den Kitas – 82 Prozent bei einem Bundesdurchschnitt von 46 Prozent – und den Grundschulen – 87 statt 42 Prozent – und eine besonders effektive Ausbildung des Forschernachwuchses. In der Summe schneide Sachsen „in den meisten der 12 untersuchten Handlungsfelder sehr gut ab. Besondere Stärken weist Sachsen bei der Förderinfrastruktur, der Schulqualität, der Bildungsarmut, der Forschungsorientierung, der Internationalisierung und im Bereich Hochschule und MINT auf. (…) Sachsen ist für Studierende aus anderen Bundesländern sehr attraktiv.“

Sachsen verfügt über Attraktivitätswerte

Was folgt daraus politisch? Sachsen verfügt über Attraktivitätswerte, die nichtsächsische Medien, nichtsächsische Politiker planvoll ignorieren. Denunziatorisches Sachsen-Bashing, wie es in westlichen Landesteilen zum schlechten Ton gehört, sollte sich nach diesen Zahlen noch mehr verbieten. Sachsen taugt bildungsökonomisch weit eher zum Vorbild als Hessen oder Nordrhein-Westfalen. Die ewigen Schlusslichter Bremen und Berlin werden angesichts jüngster Entwicklung in der Abstiegszone verharren.

In der Hansestadt trat soeben eine rot-grün-dunkelrote Regierung der Kapitalismuskritiker an, die dem Wählervotum Hohn spricht. Und in Berlin wird weiter an der Legende gestrickt, Unternehmertum sei von Übel, Eigentum rechtfertigungsbedürftig und Bambule ein Menschenrecht. Wer aber zahlt für Berlins Eskapaden, wenn ökonomische Zugpferde wie Bayern oder Sachsen ins Stottern geraten? Wenn ökonomische Bildung importiert werden muss? Vieles ist in Beton gegossen, aber kein Friede je in Stein gemeißelt.

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