Berliner Runde - Sieben Erkenntnisse zur künftigen Regierung

Noch liegt das Wahlergebnis nicht vor, doch Olaf Scholz, Armin Laschet und Markus Söder umwerben Annalena Baerbock schon auf das heftigste. Die aber kennt nur ein Thema. Und Christian Lindner will Union und Sozialdemokraten zur Manövriermasse degradieren. Nach dem Motto: Wer darf mit Grünen und der FDP regieren?

Die Berliner Runde in Aktion / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Dass es bei einem weiterhin unklaren Ausgang der Bundestagswahl eine zähe „Berliner Runde“ im Ersten Deutschen Fernsehen werden würde, war zu erwarten. Dennoch gab es den einen oder anderen Erkenntnisgewinn. Die wichtigsten Punkte aus der Sendung, in der als Gäste dabei waren: die drei Kanzlerkandidaten Olaf Scholz (SPD), Armin Laschet (CDU) und Annalena Baerbock (Grüne) sowie der CSU-Parteivorsitzende Markus Söder, der FDP-Chef Christian Lindner, die AfD-Bundestagsfraktionsvorsitzende Alice Weidel und Linken-Co-Chefin Susanne Hennig-Wellsow.

Erkenntnis 1: Söder ist offenbar von seiner Vorgabe abgerückt, dass die Union nur als stärkste Kraft eine Regierungskoalition bilden könne. Genau so war es noch vor einigen Tagen von München aus verkündet worden, doch scheint das nicht mehr zu gelten. Stattdessen verkündete der bayerische Ministerpräsident, es sei eine Misstrauensbekundung der Bürger gegenüber Olaf Scholz, dass es für Rot-Rot-Grün nicht ausreiche. Der hatte sich zwar nie explizit für Die Linke als möglichen Koalitionspartner ausgesprochen, aber egal. Vielmehr ging Söder durchaus freundlich auf die Grünen ein, sprach davon, die Wähler hätten ein „Bedürfnis nach Veränderung“ zu erkennen gegeben. Das sind jedenfalls deutliche Avancen.

Erkenntnis 2: Armin Laschet will trotz des schlechten Abschneidens seiner Partei deren Vorsitzender bleiben. Ob er den Fraktionsvorsitz im Bundestag anstrebt, blieb unklar. Jedenfalls hat er klar das Ziel im Auge, Bundeskanzler zu werden und ist, zumindest seiner Wortwahl zufolge, bereit, den Grünen sehr weit entgegenzukommen. Er präsentierte sich in der Bonner Runde denn schon in seiner Lieblingsrolle als Moderator, der unterschiedliche Interessen gut zusammenführen kann. Sein Ziel: eine Koalition, „die man gerne macht“. Vielleicht, so Laschet, „entsteht etwas, das dem Land neuen Schub geben kann“. Baerbock dürfte sich geschmeichelt fühlen.

Erkenntnis 3: Annalena Baerbock scheint nur drei Themen zu kennen, nämlich Klima, Klima und Klima. Wer sie reden hört, muss zwangsläufig den Eindruck bekommen, als gäbe es keine anderen Probleme in diesem Land. Damit wollte sie natürlich so früh wie möglich Pflöcke einrammen und die Latte für künftige Koalitionspartner so hoch wie möglich hängen. Immer wieder kam von ihr der Satz, die nächste Regierung müsse eine „Klimaregierung“ sein. Auch ließ sie durchscheinen, dass ihr Co-Vorsitzender Habeck künftig wieder eine größere Rolle spielen werde. Eine Koalition mit Union und FDP schloss sie jedenfalls nicht aus.

Erkenntnis 4: Christian Lindner schlug vor, dass sich zunächst die FDP und die Grünen zusammentun sollten, um ihre Schnittmengen zu eruieren und gemeinsam darüber zu befinden, ob man eher mit der SPD oder mit der Union ein Bündnis schließen solle. Ein kluger Schachzug, weil er damit die Machtverhältnisse praktisch umkehrt, die beiden „großen“ Parteien in ihre Schranken weist und sie gewissermaßen zur Manövriermasse degradiert. Deswegen auch seine klare Ansage: 75 Prozent der Wähler hätten nicht für einen künftigen Kanzler Scholz beziehungsweise Laschet gestimmt. Ansonsten blieb Lindner bei seiner Marschrichtung, dass aus Sicht der FDP allein die Inhalte für die Wahl des Koalitionspartners zählten.

Erkenntnis 5: Schuld am schlechten Abschneiden von AfD und Linkspartei haben irgendwie die anderen. Alice Weidel sprach davon, ohne die Freien Wähler und ohne die Anti-Coronamaßnahmen-Partei Die Basis hätte ihre AfD sogar zugelegt. Hennig-Wellsow wiederum führte für das schlechte Abschneiden von Die Linke etwa in Mecklenburg-Vorpommern die Stärke der dortigen SPD-Ministerpräsidentin an – gestand aber immerhin ein, auch ihre eigene Partei habe in der Vergangenheit Fehler gemacht.

Erkenntnis 6: Sämtliche Vertreter der in Frage kommenden Koalitionsparteien (SPD, CDU/CSU, Grüne, FDP) wollen die bevorstehenden Verhandlungen nicht mit Kleinklein belasten und deswegen nicht alle möglichen Details schon vorab regeln. Sondern sie streben eher einen großen Wurf an, bei dem man sich über die generelle Marschrichtung einig wird. Es soll kein Koalitionsvertrag dabei herauskommen, der dann (wie in der zurückliegenden Legislaturperiode) mühsam abgearbeitet wird.

Erkenntnis 7: Alle Beteiligten wünschen sich, dass der Koalitionsvertrag noch vor Weihnachten steht und Angela Merkel eine abermalige Neujahrsansprache erspart bleibt.
 

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