Bayerns Innenminister und das „Neger“-Gate - Solche Begriffe ebnen Radikalen den Weg

Bayerns Innenminister Herrmann ist kein Rassist, nur weil er den Begriff "Neger" in einer Talkshow verwendete. Sein Ausrutscher aber zeugt von fehlender Empathie. Respekt vor Menschen beginnt mit der Sprache

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Islamwissenschaftlerin, Islamische Religionslehrerin und Autorin

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„Man soll nicht päpstlicher sein als der Papst und jedes Wort auf die Goldwaage legen.“ So oder so ähnlich ist es zu hören und zu lesen. Von Sprachpolizei, gar von Zensur ist mitunter die Rede, wenn es um Kritik an der jüngsten Äußerung von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann geht.

In der Fernseh-Talkshow „Hart aber Fair“ hatte er den Satz geäußert: „Roberto Blanco war immer ein wunderbarer Neger, der den weißen Deutschen wunderbar gefallen hat.“ Ein deutscher Innenminister benutzt das Wort „Neger“. Dafür hat der CSU-Politiker zunächst im Internet, später in der breiteren Öffentlichkeit heftig Schelte bekommen. 

Joachim Herrmann ist kein Rassist
 

Der Duden ist hier übrigens ganz klar. Unter „Besonderer Hinweis“ heißt es: „Die Bezeichnung Neger gilt im öffentlichen Sprachgebrauch als stark diskriminierend und wird deshalb meist vermieden.“ „Neger“ ist heute also negativ konnotiert. Deswegen führt der Hinweis mancher, das Wort sei früher vermeintlich wertfrei im Deutschen benutzt worden, nicht weiter. „Weib“ war einst auch gang und gäbe und heute würde niemand mehr Angela Merkel im öffentlichen Diskurs so bezeichnen. 

Um es gleich zu betonen, Joachim Herrmann ist in meinen Augen kein Rassist. Er ist ein höflicher, zuvorkommender Mann, im persönlichen Umgang mit mir jedenfalls bislang über jeden Zweifel erhaben. Jeder, der jetzt - vielleicht aus durchaus berechtigtem Ärger über so manche Ein- und Ausfälle von diversen CSU-Politikern in der Einwanderungsdebatte - die Rassismuskeule herausholt, folgt eher einem Reflex und trägt damit zur Entwertung des Begriffs „Rassismus“ bei.

Der von Herrmann geäußerte Satz mag rassistisch sein, aber es ist illegitim von einer einzigen Aussage auf die Attitüde eines Menschen zu schließen.

Dennoch liegen diejenigen, die den Vorfall als Lappalie abtun wollen, die von Sprachpolizei und Zensur reden, aus mehreren Gründen falsch. In der Aufregung eines TV-Polittalks kann einem schon mal ein falsches Wort herausrutschen. Aber man muss je nach Person andere Maßstäbe anlegen.

Mangelnde Empathie für Flüchtlinge
 

Verglichen mit Mit-Diskutanten aus Reihen der Zivilgesellschaft trägt ein etablierter Politiker, erst Recht vom Rang eines Ministers, viel mehr Verantwortung für das, was er sagt. Und etablierte Politiker können diese Verantwortung auch tragen, weil sie im öffentlichen Diskurs geübt sind, um die Wirkungsmacht von Sprache wissen und ihre Worte für gewöhnlich immer sorgsam wählen.

Sprache ist mitunter entlarvend. Die Spontaneität und Unbekümmertheit, mit der Joachim Herrmann den Begriff „Neger“ gebraucht hat, offenbart etwas Wichtiges: eine mangelnde Empathie für einen Teil der Bevölkerung (Einwanderer, Flüchtlinge, Fremde) und bis zu einem gewissen Grad Ignoranz gegenüber der Lebenswelt dieser Menschen in Deutschland. 

Da tut es auch nichts zur Sache, dass der geäußerte Satz im Zusammenhang mit einem vorhergehenden Einspieler steht, in dem ein Mann abfällig über Afrodeutsche als „Neger“ redet. Das Wort „Neger“ ohne ein „so genannt“ vorweg zu schieben oder ohne das Wort anderweitig zu apostrophieren, würde keinem Deutschen über die Lippen kommen, der seine Aufmerksamkeit auch auf Personen richtet, die nicht der vermeintlichen gesellschaftlichen Norm entsprechen. Kurz gesagt, so etwas passiert in der Regel einer mehr oder weniger deutschtümelnden Klientel. 

Kein Verständnis für Radikale zeigen
 

Und der muss man sagen: Leute, wacht auf. Die Gesellschaft verändert sich. Geht in die Schulen, schaut euch die Klassen an. Überall sitzen Kinder, deren Vorfahren aus den verschiedensten Ländern kommen. Auch wenn ihr den Spruch „Deutschland ist bunt" hasst, er beschreibt längst die Realität. Was wollt ihr dagegen tun? Ihr könnt euch nur zivilisiert darauf einstellen. Überlegt mit, wie wir die Zukunft gemeinsam gestalten, wie Deutsche und Neudeutsche von einander profitieren können.

Wenn politische Parteien in Zukunft Volkspartei sein wollen, funktioniert das nur noch für eine begrenzte Zeit mit herkömmlichen Rezepten - das muss auch eine CSU erkennen.

Es ist wichtig, wie wir über andere Menschen reden. Taten folgen Worten. Worte beeinflussen Haltungen. Respekt vor Menschen fängt im Alltag mit der Ansprache an. Wer abfällig oder unbedacht über Gruppen von Menschen redet, ebnet Radikalen den Weg. Anfang des Jahres stellten sich einzelne Politiker hin und warben um Verständnis für die angeblich besorgten Bürger, die bei „Pegida“ mitgelaufen sind.

Das gab den „Pegida“-Anhängern Auftrieb. Heute sind manchem „Pegida“-Versteher die Worte von damals peinlich. Zu spät! Inzwischen randalieren dieselben „besorgten Bürger" in Heidenau und Freital oder klatschen dem Mob Beifall.

Sprachliche Unaufmerksamkeiten
 

Die Gesellschaft muss sich solchen Entwicklungen geschlossen entgegenstellen. Erst, wenn diese Auswüchse eingedämmt werden, kann und muss man sich sachlich und kritisch dem Thema stellen. Das Entgegenstellen beginnt mit geschärfter Sensibilität für Sprache. Als Frank Plasberg, der Moderator von „Hart aber fair“, in einer seiner vergangenen Sendungen auch den unsäglich Gegensatz „Deutsch“ und „Muslimisch“ aufbaute, musste ich ihm ins Wort fallen.

Ich musste ihn darauf hinweisen, dass Muslime genauso deutsch sein können. Ebenso wenig wie Joachim Herrmann hatte Frank Plasberg die Aussage böse gemeint. Dahinter steckte schlicht Unaufmerksamkeit. Das kann passieren, dennoch muss man dann darauf hinweisen. Plasberg bekam so die Möglichkeit, noch in der Sendung darauf zu reagieren - und den Hinweis auch anzunehmen. 

Joachim Herrmann wurde diese Chance genommen. Denn niemand in seiner Talk-Runde ist näher auf die „Neger“-Aussage eingegangen. Lediglich Ranga Yogeshwar äußerte sich kurz. Focus-Chefredakteur Ulrich Reitz grinste die Aussage weg. Grünen-Chefin Simone Peter lachte kurz auf und Frank Plasberg entfuhr ein „Holla“. Dann ging es weiter im Thema...

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