Bayern oder Berlin? - Die nervige Koketterie des Markus Söder 

Wenn Markus Söder es ernst damit meint, dass sein Platz in Bayern sei, sollte er sich auch so verhalten. Er hat aber längst die politische Bühne Berlins zu seinem Balzplatz gemacht und präsentiert sich kanzleresk. Das wirkt kokett und am Ende verlogen.

Markus Söder vor dem Reichstagsgebäude: Soll er oder soll er nicht? / dpa
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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In fast 30 Jahren der politischen Berichterstattung bin ich mit einem Prinzip ganz gut gefahren und würde es jederzeit gegen Anfeindungen verteidigen. Das Prinzip lautet: Nimm Politik ernst und also auch diejenigen, die sie machen, und nimm ihnen auch ab, dass sie diesen nicht einfachen Beruf im Sinne des Allgemeinwohls ausüben, auch wenn das aus individueller Perspektive manchmal anders ausschauen mag. Nimm außerdem ernst, was sie sagen, gehe erst einmal davon aus, dass das was sie sagen, so gemeint ist, wie sie es sagen. Es ist, das kann ich nach den bald 30 Jahren sagen, meistens auch der Fall. Jedenfalls viel öfter, als gemeinhin vermutet wird.

Dieses Prinzip wende ich auch bei Markus Söder an. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef sagt im Zusammenhang mit einer etwaigen Kanzlerkandidatur für die Bundestagswahl 2021: „Mein Platz ist in Bayern.“ Er freue sich darüber, dass ihm Aufgaben darüber hinaus zugetraut würden, fühle sich aber in erster Linie seinen bayerischen Wählerinnen und Wählern verpflichtet. So gleich doppelt und beinahe wortgleich wiederholte er das dieses Wochenende in zwei Interviews. 

Reden und Handeln klafft auseinander

Damit wäre dann ja eigentlich alles klar und alles gesagt zu dieser Frage. Gäbe es nicht noch eine zweite Beobachtung über all die Jahre: Dass Reden und Handeln in der Politik zusammenpassen müssen. Und da klafft bei Markus Söder etwas so weit auseinander, dass man allmählich etwas ungehalten werden kann ob dieses Schauspiels, das der Mann aus Nürnberg da veranstaltet. 

Vorweg als mildernder Umstand zugutegehalten: Markus Söder ist ohne Frage ein Spitzenpolitiker, einer der wenigen, die es derzeit gibt, und wie der Name schon sagt, zieht es Spitzenpolitiker an die Spitze. Wer sich selbst für den Besten hält – und daran hat Markus Söder nur sehr selten Anflüge von gelindem Zweifel, und wenn dann nicht öffentlich – und diese Beobachtung seiner selbst dann auch noch im Urteil anderer bestätigt sieht, der will immer mehr. 

Der eine rüttelt dann an Gitterstäben, der andere lebt diesen Machttrieb anders aus. Beides ist ihnen nicht vorzuwerfen. Im Gegenteil. Es ist die Conditio sine qua non für den politischen einflussreichsten Posten, der in diesem Land zu vergeben ist. Angela Merkel hatte Zeit ihres politischen Lebens diesen unbedingten Willen, Gerhard Schröder, der Stäberüttler, ebenso wie Helmut Kohl. Edmund Stoiber schon viel weniger, weshalb es vielleicht am Ende auch knapp nicht zur Kanzlerschaft gereicht hat. 

Söders Platz in Bayern

Jetzt das große Aber. Wenn Söder am Ende dieser Abwägungen von Machttrieb und Verpflichtung für die CSU und seine Heimat sagt, sein Platz sei in Bayern, dann, lieber Markus Söder, verhalten Sie sich doch auch danach. 

Als ehemaligem Journalisten sei ihm dazu ein Vergleich aus unserer Branche anempfohlen. Eine Regionalzeitung heißt Regionalzeitung, weil sie sich vor allem um die regionalen Belange kümmert. Es gibt sehr erfolgreiche Regionalzeitungen in Deutschland, nach wie vor, die in den vergangenen Jahren ihr Heil gesucht und gefunden haben in einer verstärkten Regionalisierung und nicht in dem Versuch, den bundesweit wahrgenommenen Zeitungen wie FAZ und SZ Paroli bieten zu wollen.

Auf Augenhöhe mit Merkel?

Markus Söder aber hat längst die politische Bühne Berlins zu seinem Balzplatz gemacht. Er hat sich bei Pressekonferenzen immer wieder in kleinen Scharmützeln mit der Bundeskanzlerin gefallen, um zu zeigen: Mit der bin ich auf Augenhöhe. Was die kann, kann ich auch. Wer sich den Spaß macht, sich nochmal bei Youtube diese Konferenzen anzuschauen, dem sei ein Vergleich empfohlen: Wie sich der Herr zu Merkels Linken, der SPD-Mann Peter Tschentscher da verhält, und wie dagegen der Mann zu ihrer Rechten: Markus Söder.

Tschentscher, der Hamburger Hanseat, dezent und zurückgenommen, Söder immer bemüht, die Regie zu übernehmen. Eine Bilderorgie wie bei Merkels Besuch auf Herrenchiemsee vor wenigen Wochen: unvorstellbar bei Tschentscher.   

Deutschlands oberster Corona-Kämpfer

Darüber hinaus: Keine Sondersendung zu Corona, in der nicht Markus Söder als Deutschlands erster und vorderster Corona-Kämpfer aufgetreten wäre. Und in denen er der Nation jedes Mal aufs Neue erklärt, was sich der Rest des Landes von Bayern abschauen kann. 

Wenn Markus Söder in Abwägung aller Fürs und Widers für sich also wirklich zu dem Befund gekommen ist, dass es sein erstes und oberstes Ziel ist, mit absoluter CSU-Mehrheit wieder zum Ministerpräsidenten in Bayern gewählt zu werden, dann sollte er sich mehr danach verhalten. Sonst passen Worte und Taten nicht zusammen – und seine Worte wirken koketter und am Ende verlogener, je öfter er sie wiederholt.

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