Attacke auf Frank Magnitz - „Das Bekennerschreiben ist eine plumpe Fälschung“

Sicherheitsexperten haben erhebliche Zweifel an der Echtheit eines Bekennerschreibens der Antifa zum Überfall auf Bremens AfD-Chef Frank Magnitz. Max Kraft vom Portal AfD Watch Bremen erklärt, warum das Schreiben unglaubwürdig ist und gut ins Bild der Ungereimtheiten passt, die sich um die Tat ranken

Der Tatort der Attacke auf Frank Magnitz in Bremen / picture alliance
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Herr Kraft, in einem Bekennerschreiben bekennt sich eine Gruppe namens Antifaschistischer Frühling Bremen zu der Attacke auf Bremens AfD-Chef, Frank Magnitz. Wie glaubwürdig ist das? 
Nach unserer Einschätzung handelt es sich um eine plumpe Fälschung. Erstens gibt es hier gar keine Gruppe, die sich Antifaschistischer Frühling Bremen nennt – und wenn doch, dann ist sie bislang nicht in Erscheinung getreten. Zweitens stimmt die Uhrzeit in dem Bekennerschreiben nicht mit der Zeit überein, die Polizei und Staatsanwaltschaft als Tatzeit angegeben haben. Demnach geschah der Überfall am Montag um 17.20 Uhr, in dem Brief ist aber von 18 Uhr die Rede. Was uns drittens misstrauisch macht, ist die Formulierung, Herr Magnitz gehöre „wie jeder andere Nazi mundtot gemacht.“ Das ist ein im neurechten Spektrum übliches Narrativ. Rechte sehen sich als Opfer einer Diktatur, in der sie ihre Meinung nicht sagen dürfen. Wahrscheinlich war den Verfassern nicht bewusst, dass sie das aus ihrer eigenen Diktion übernommen haben. 

Das angebliche Bekennerschreiben wurde gestern abend um 18 Uhr bei de.indymedia.org veröffentlicht. Inzwischen wurde es wieder gelöscht. Was ist das für ein Portal?
Es ist ein für alle offenes Portal, auf dem man anonym Mitteilungen posten kann. [Nicht zu verwechseln mit dem 2017 verbotenen Portal linksunten.indymedia, Anm. der Red.] Wenige Stunden nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund 2017 war dort  auch ein angebliches Bekennerschreiben aus der Antifa-Szene aufgetaucht. Die Meldung wurde damals zuerst von dem rechten Verschwörungsportal PI-News öffentlich gemacht. Die Deutsche Presse-Agentur  und tagesschau.de äußerten öffentlich Zweifel, trotzdem verbreitete sich die Nachricht weiter. Später entpuppte sie sich als Fälschung. Auch hier hatten Angehörige des rechten Spektrums versucht, dem politischen Gegner den Anschlag in die Schuhe zu schieben. Das ist nicht unüblich. Solche gefälschten Bekennerschreiben sind ein beliebtes Instrument, um Verwirrung zu stiften. 

Warum Verwirrung? Für die AfD stand doch von vornherein fest, dass die Täter aus der Antifa-Szene kommen. 
Na ja, es gibt bestimmt auch Leute, die an dieser Version Zweifel hatten – und die jetzt denken: Vielleicht stimmt es ja doch. Es wird immer unklarer: Was ist wahr, was ist unwahr? Und das ist am Ende auch das Ziel solcher Desinformationskampagnen. Am Ende geht es gar nicht so sehr darum, die Ereignisse aufzuschlüsseln. Es geht darum, die Grenze zwischen Fakten und Fiktion zu verwischen. 

Frank Magnitz war nach eigenen Worten am Montag auf dem Weg zu einer linken Demo zum Gedenken an Laye-Alama Condé, einen Asylbewerber, der 2005 im Polizeigewahrsam nach dem Einsatz von Brechmitteln starb. Ist es da nicht naheliegend, dass die AfD die Täter im linken Spektrum vermutet? 
Nein, das ist nicht naheliegender als Spekulationen aus anderen Richtungen. Es gibt partei-intern in der AfD starke Zerwürfnisse. Der Landesverband Bremen ist bundesweit Spitze bei Parteiausschlussverfahren und Klagen gegen seine eigenen Mitglieder. Erst vor ein paar Wochen gerieten der stellvertretenden Landesvorsitzenden Thomas Jürgewitz und der einzige Bremer Afd-Bürgerschaftsabgeordneten Alexander Tassis öffentlich aneinander. Es soll auch Kontakte der Bremer AfD zu der Rocker-Gruppe Hells Angels geben. Die Polizei ermittelt in alle Richtungen. Herr Magnitz selber hat gesagt, er halt einen Raubüberfall nicht für ausgeschlossen. 

Von dieser Version hat er sich in einem Interview gerade wieder distanziert. 
Das ist auch typisch für die AfD. Sie wechselt ständig die Positionen. Das wirkt so, als würden irgendwelche Berater im Hintergrund sitzen, die sagen: Nee, bleib mal lieber bei diesem oder jenen Narrativ, das zieht mehr Leute. 

Am Anfang war noch von einem Kantholz als Tatgegenstand die Rede. Auf einem Video vom Tatort taucht das aber nirgendwo auf
Es gab offensichtlich kein Kantholz. Es gab auch keine Schlägerei. Herr Magnitz wurde auch nicht mehrfach getreten, als er schon am Boden lag. Man darf sich tatsächlich nur an dem orientieren, was die Polizei und der Staatsanwaltschaft sagen. All das ist auf dem Video nicht zu sehen. Trotzdem bleibt der stellvertretende AfD-Landesvorsitzende dabei: Es sei nicht auszuschließen, dass der Überfall trotzdem so passiert sei, wie es die Partei in einer ersten Version behauptet hatte. Er leugnet damit die Fakten.  

Am 26. Mai sind Bürgerschaftswahlen in Bremen. Die AfD hat derzeit nur einen Sitz in der Bürgerschaft. Sie muss sich gegen das stärkere Bündnis Bürger in Wut (BIW) behaupten, das auf ähnliche Themen setzt. Wie wirkt sich die Meldung von der Attacke auf Frank Magnitz auf den Wahlkampf aus? 
Dieser Überfall kommt der Partei ganz entgegen. Die AfD war zuletzt kaum noch ein Thema in Bremen. Jetzt bekommt sie überregional Aufmerksamkeit. Plötzlich kennt jeder in Deutschland den Namen Frank Magnitz. Vorher kannte den nicht mal jeder in Bremen.

Ihr Portal ist dezidiert AfD-kritisch, dass Sie öffentlich Zweifel an der Echtheit des Bekennerschreibens äußern, überrascht nicht. Und ist das nicht auch gute Werbung für Sie?
Wir sind kein kommerzielles Büro, die meisten Mitarbeiter engagieren sich ehrenamtlich. Wenn wir dazu beitragen können, eine Diskussion zu versachlichen, dann tun wir das gern. 

Versachlichen? Sie werden jetzt die Rechten geschlossen gegen sich aufbringen. 
Ob den Rechten das gefällt oder nicht, darum darf es nicht gehen.

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