Antisemitismus und Migration - Der Multikulti-Judenhass

Durch die jüngsten antiisraelischen Proteste rückte der Antisemitismus muslimischer Migranten in Deutschland in den Fokus. Es wäre jedoch falsch, nur auf diese Einwanderergruppe zu zeigen. Stattdessen wäre es Zeit, sich generell mit dem Antisemitismus der hier lebenden Migranten zu befassen.

Protest gegen Antisemitismus auf dem Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin-Mitte / dpa
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Autoreninfo

Thomas Dudek kam 1975 im polnischen Zabrze zur Welt, wuchs jedoch in Duisburg auf. Seit seinem Studium der Geschichts­­wissen­schaft, Politik und Slawistik und einer kurzen Tätigkeit am Deutschen Polen-Institut arbei­tet er als Journalist.

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Es ist ein verstörendes und erschreckendes Video, das der Zentralrat der Juden in Deutschland am 13. Mai auf Twitter veröffentlicht hat. Demonstranten, die vor der Synagoge in Gelsenkirchen „Scheiß Juden“ brüllen. Diese antisemitische Beschimpfung, geduldet von der Polizei, kommt aber nicht von deutschen Rechtsradikalen, sondern von in Deutschland lebenden Moslems. Die in dem Video zu sehenden türkischen, tunesischen, algerischen und palästinensischen Flaggen offenbaren es gnadenlos.

Spätestens seit diesem Video und den Ereignissen Mitte Mai, als eine „pro-palästinensische Demonstration“ voller judenfeindlicher Losungen in Berlin-Neukölln mit Ausschreitungen endete, bei denen 93 Polizisten verletzt wurden, dürfte vielen klargeworden sein, dass Deutschland ein Problem mit muslimischen Antisemitismus hat. Ein Problem, vor dem viele aus falsch verstandener Toleranz die Augen über Jahre verschlossen haben und zum Teil noch heute verschließen.

Kein neues Phänomen

Dabei ist muslimischer Antisemitismus in Deutschland kein neues Phänomen. 2018 sorgte der Fall eines Syrers, der sich vor Gericht selbst als staatenloser Palästinenser bezeichnet hat, weltweit für Schlagzeilen, weil er in Prenzlauer Berg einen Kippa tragenden Israeli mit einem Hosengürtel ausgepeitscht hat. Und wer glaubt, muslimischer Antisemitismus sei ein Phänomen, welches erst durch Merkels „Offene Grenzen“ 2015 aufgekommen ist, der sei erinnert an die Ereignisse von Duisburg im Januar 2009. Damals brachen Polizisten unter Gejohle einer von der islamistischen Bewegung Millî Görüş organisierten Demonstration die Wohnung eines Studenten auf, der aus Solidarität mit Israel sowohl an einem Fenster als auch an einem Balkon die israelische Flagge befestigt hatte. Der damalige Protestzug wurde nicht abgebrochen, sondern nach der Erstürmung der Wohnung sogar fortgesetzt. Nachlesen kann man dies alles ganz bei Wikipedia, wo die damaligen Ereignisse es unter dem Begriff „Duisburger Flaggenstreit“ zu einem eigenen Beitrag geschafft haben.

Spiegel politischer Diskussionen aus der Heimat

Es wäre jedoch zu einfach, bezüglich Antisemitismus jetzt nur auf muslimische Migranten zu zeigen. Ob es manchen gefällt oder nicht, aber Deutschland ist längst ein multikulturelles Land, in dem Menschen aus unterschiedlichen Nationen leben. Sie pflegen nicht nur die Bräuche ihrer Heimat, auch wenn dies bei der zweiten oder dritten Generation die Heimat ihrer Eltern und Großeltern ist. Nein, in ihren Communities spiegeln sich auch die politischen Diskussionen wider, die in ihren beziehungsweise den Ursprungsländern der Eltern und Großeltern geführt werden.

Dabei geht es auch um das Verhältnis zu Juden. Ein Beispiel dafür sind die in Deutschland rund 900.000 lebenden Polen, die mittlerweile zweitgrößte Einwanderergruppe. Rechnet man noch die rund 1,2 Million Aus- und Spätaussiedler hinzu, die bis 1989 als deutsche Staatsangehörige aus vorwiegend ehemaligen Reichsgebieten eingewandert sind, gibt es mehr als zwei Millionen Menschen in Deutschland, die eine Verbindung zu Polen haben.

Unsichtbarer polnischer Antisemitismus

Doch trotz ihrer großen Zahl gelten die in Deutschland lebenden Polen als „unsichtbar“. Was nicht nur daran liegt, dass sie im Gegensatz zu Migranten aus dem Mittelmeerraum vom äußeren Eindruck her nicht auffallen und gut integriert sind, sondern über Jahre auch nicht auffallen wollten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass unter ihnen nicht die gleichen Vorbehalte gegenüber Juden herrschen wie in ihrer Heimat. Es ist ein Antisemitismus, der sich nicht aus dem Nahost-Konflikt nährt, sondern aus dem schwierigen deutsch-jüdischen Verhältnis und der von einer Gruppe der in Deutschland lebenden Polen auch hier gepflegt wird.

Bestes Beispiel dafür ist der Verein „Polen in Essen“, der ein Ableger ist des in Polen weitverbreiteten „Klub Gazeta Polska“. Eine Art Freundeszirkel der nationalkonservativen Wochenzeitung „Gazeta Polska“, die den rechten Rand der PiS-Wählerschaft abdeckt. Neben patriotischen Konzerten und anderen kulturellen Veranstaltungen organisieren die „Polen in Essen“ auch Vorträge. Einer ihrer Gäste, und dies auch noch in den Räumen der Polnischen Katholischen Mission in Essen, war 2014 Stanisław Michalkiewicz.

Antisemiten in Räumen der Kirche

In Polen ist der nationalkatholische Publizist vor allem bekannt für seine antisemitischen Werke, in denen er auch von einer Fremdherrschaft Polens durch die Juden schwadroniert. „Herrenvolk auf jüdisch“, „Deutsche, Juden und Volksdeutsche“ oder „Antisemitismus? Eine wunderbare Idee!“ heißen vielsagend einige seiner Bücher. Zuletzt war Michalkiewicz, der auch in anderen deutschen Städten Vorträge hielt, Gast beim „5. Treffen patriotischer Gruppen aus Westeuropa“, welches im Mai 2019 im rheinland-pfälzischen Herdorf stattfand. Dort betreibt das „Christliche Zentrum für Kultur, Tradition und polnische Sprache in Deutschland“, ein Zusammenschluss von 65 polnischen Pfarreien in Deutschland, mit dem „Haus Concordia“ eine eigene Begegnungs- und Veranstaltungsstätte.

Und die Polen sind keine Ausnahme. Der Frankfurter Journalist Danijel Majic befasst sich seit Jahren mit allerlei nationalistischen Umtrieben in kroatisch-katholischen Gemeinden und stellt dabei erstaunt fest, dass dies in Deutschland kaum einen interessiert. Und dieses Desinteresse betrifft nicht nur die hier in Deutschland lebenden Kroaten, sondern auch Polen und andere Nationalitäten.

Notwendige Bildungsarbeit

Dabei gibt es bereits Initiativen, die sich mit dem Thema befassen. Beispielhaft dafür ist „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“. Diese Initiative bietet unter anderem Broschüren und Fortbildungsseminare für Lehrer an, die sich mit Rassismus unter Migranten beschäftigen. Eines der Themen ist auch Antisemitismus. Solche Initiativen sind wichtig, damit Judenhass nicht zu einem Integrationsfaktor wird zwischen antisemitischen Migranten, deutschen Rechten und irrlichternden Linken, die unter dem hippen Deckmantel „Antiimperialismus“ an antisemitischen Protesten teilnehmen.

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