Annegret Kramp-Karrenbauer - Die Vereidigungsministerin

Damit Annegret Kramp-Karrenbauer ihren Amtseid ablegen konnte, musste Aufwand in historischem Ausmaß betrieben werden. Erstmals wurde das ganze Plenum für die anberaumte Sondersitzung vom Reichstag ins Paul-Löbe-Haus verlegt. Herausgekommen ist eine „Quer-Veranstaltung“

Vor der Vereidigung: Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) / picture alliance
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Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Es ist unklar, wie lange Annegret Kramp-Karrenbauer tatsächlich als Verteidigungsministerin im Amt bleibt. Es liegt angesichts einer unsicheren Zukunft der Groko im Bereich des Wahrscheinlichen, dass die Zeitspanne eher kurz sein dürfte. Als Oberbefehlshaberin der Streitkräfte wird sie also womöglich nicht prägnant in Erinnerung bleiben. Trotzdem beschäftigte sie in den vergangenen Tagen, noch bevor ihr neuer Job so richtig beginnen konnte, ein ganzes Heer von Menschen. Denn ihre Ernennung nach der Wahl von Ursula von der Leyen zur neuen EU-Kommissionspräsidentin platzte überstürzt mitten in die Sommerpause des Parlaments. Mit Folgen für Abgeordnete und vor allem für die Beschäftigen im Bundestag. Sie werden Annegret Kramp-Karrenbauer deswegen wohl noch lange vor allem als die Vereidigungsministerin in Erinnerung behalten.

Ein neuer Teppich muss her /
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Denn zum ersten Mal in der Berliner Geschichte des Bundestages kann die anberaumte Sondersitzung des Parlaments nicht im Reichstagsgebäude stattfinden. Hier wird gerade erstmals seit 1999 ein neuer Teppichboden für 244.000 Euro verlegt. Und Wolfgang Schäuble (CDU), seines Zeichens Bundestagspräsident und Zahlenmeister, ließ ausrechnen, was es kosten würde, die Bauarbeiten zu unterbrechen. Alle Stühle wieder im Plenum zu installieren, womöglich noch ohne anständigen Boden. Und so kam es, dass die Vereidigung der Verteidigung im Paul-Löbe-Haus stattfinden sollte, gelegen zwischen Kanzleramt und Reichstag.

Die Mitarbeiter der Bundestagsverwaltung schwitzten seither und brüteten einen Plan aus, wie das gesamte Plenum aus dem Rund unter der Reichstagskuppel in den Schlauch des Paul-Löbe-Hauses umziehen könnte. Der viel beschäftigte Pressesprecher des Bundestages Sven Göran Mey wurde in mehreren Telefonaten zwischen Kabeltrommeln, Sonderausweisen, hunderten Emails nicht müde zu betonen, welch eine Herausforderung diese „Quer-Veranstaltung sei“.

Herausgekommen ist schließlich dies: 

Provisorisches Plenum im Paul-Löbe-Haus (Recherche)

Die Fraktionen sitzen im Grunde in der gleichen Anordnung wie im Reichstagsgebäude, nur eben parallel. Im Westen, Richtung Kanzleramt, sitzt die AfD. Zu erkennen sind außerdem drei Plätze für die inzwischen fraktionslosen AfD-Abgeordneten (wie Frauke Petry). Es folgen die Sitze für die FDP, dann die von CDU und CSU. In der Mitte nehmen die Grünen Platz, dann die Sozialdemokraten und ganz im Osten, Richtung Reichstag, die Fraktion der Linken. Das provisorische Gestühl ist dasselbe, das etwa schon bei der Wahl des Bundespräsidenten zum Einsatz gekommen ist, wenn im Bundestag auch die vielen Wahlfrauen und Wahlmänner Platz finden müssen neben den Bundestagsabgeordneten. Die einfache Bestuhlung werde verkettet, sagt der Sprecher.

Quer-Veranstaltung statt Runde Sache /
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Tische für die Abgeordneten gibt es nicht, eigene Mikrofone auch nicht. Wer etwas zu sagen hat, muss aus den Reihen treten und sich an eigens aufgestellte Standmikrofone zwischen den Fraktionen begeben. Das Bundestagspräsidium wird mittig platziert und rückt der Unionsfraktion so nah auf die Pelle wie sonst nie. Die Regierungsbank, auf der auch die Bundeskanzlerin erklärtermaßen Platz nimmt, ragt schräg nach hinten, die der Ministerpräsidenten gespiegelt ebenso. Die Schriftführer bekommen auch kleines Tischchen neben dem Präsidium. Die Pressevertreter müssen sich derweil zwischen AfD und Ausgang pressen. Nur wenige Sonderausweise gibt es aus Platzgründen. Die Redaktionen wurden aufgefordert, sich abzustimmen, wer kommt. Nur ein Mensch aus einer Redaktion ist erlaubt.

Erweitertes Snack- und Getränkeangebot

Aus Sicherheitsgründen werden die Balkone innerhalb des Hauses gesperrt. Zu groß ist die Gefahr, jemand könnte von oben etwas auf die Häupter der Volksvertreter fallen lassen – und sei es nur ein Smartphone, weil einer aufgeregt ein Foto dieses historischen Bahnhofs für AKK machen möchte. „Am Tag der Sondersitzung ist der Aufenthalt im mittleren Bereich der Halle im Erdgeschoss sowie auf den Galerien der 1. und 2. Ebene zwischen 10 Uhr und Plenumsende gänzlich untersagt“, hieß es in einem internen Schreiben der Bundestagsverwaltung an die Beschäftigten des Paul-Löbe-Hauses. Man könne die Fahrstühle benutzen, aber „der Aufenthalt an der Hallenbrüstung sollte unterbleiben“.

Zum leiblichen Wohl heißt es in schönstem Beamtendeutsch: „Die Espresso-Bar im Paul-Löbe-Haus wird anlässlich der Sondersitzung ein erweitertes Snack- und Getränkeangebot bereit halten.“

Bis auf 33 Urlauber schafft die Union fast volle Besetzung

Während die Techniker also Kabel verlegten, Stühle schleppten, Sicherheitsleute alle relevanten Widrigkeiten versuchten auszuräumen, die Espresso-Bar Sonderschichten fuhr, bemühten sich die Fraktionen, ganz besonders die Union, ihre Abgeordneten aus dem Urlaub zusammenzutrommeln. Zur Vereidigung der eigenen Parteivorsitzenden als Verteidigungsministerin sollten so viele wie möglich anwesend sein. Ein Sprecher der Fraktion teilte soeben mit, dass 33 der 246 Unionsabgeordneten fehlen werden und deshalb das übliche Bußgeld werden zahlen müssen. Die übrigen Fraktionen sahen sich außer Stande zu antworten. Womöglich waren die Pressestellen auch im Urlaub. Die Befürchtung, dass der Bundestag nach einem Antrag der AfD-Fraktion womöglich nicht beschlussfähig sein konnte, hat sich aber nicht bewahrheitet. Wo auch hätte der Hammelsprung stattfinden sollen?

Staubsaugen bis zum Schluss /
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Am Ende hat der ganze Spuk nur wenige Sekunden gedauert. Annegret Kramp-Karrenbauer wird sich nun vielleicht erstmal auf Fronturlaub begeben, während das stehende Heer im Bundestag wieder ranklotzen muss, um das provisorische Plenum ordnungsgemäß zu verräumen.

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