„Anne Will“ zum Krim-Konflikt - „Lieber hundert Mal reden, als den ersten Schuss abgeben“

Wie umgehen mit Putin und dem Konflikt zwischen Russland und der Ukraine? Das war das Thema bei „Anne Will“. Oder ging es doch eher um Annegret Kramp-Karrenbauers Ambitionen in der CDU? Die Diskussion verlief konfus, hervor tat sich nur ein Gast. Allerdings nicht positiv

Anne Will, Gäste: Diffuse Diskussion / ARD-Foto
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Chiara Thies ist freie Journalistin und Vorsitzende bei next media makers.

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„Der Krieg wird weitergehen, so lange sie an der Macht bleibt“, das hat Russlands Präsident Wladimir Putin über die derzeitige ukrainische Regierung gesagt. Damit scheint der Konflikt zwischen den beiden Ländern endgültig eskaliert zu sein. Vom Bau der Krim-Brücke, über das Rammen ukrainischer Militärboote, bis zum Kriegserlass des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko hat sich der Konflikt immer weiter zugespitzt. Anscheinend haben die noch bis zum mindestens 23. Juni 2019 geltenden Sanktionen der Europäischen Union nicht geholfen, die Lage zu entschärfen. Wie soll Deutschland also mit dem potenziellen Kriegsherd vor der Haustür der Europäischen Union umgehen?

Das war auch Thema bei „Anne Will“. Ihre Gäste: Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), Katarina Barley (SPD), Dietmar Bartsch (Die Linke), der Politikwissenschaftler Herfried Münkler und Tagesspiegel-Journalist Christoph von Marschall.

Diffuse Diskussion

Doch dieses so wichtige Thema wurde an diesem Abend leider kaum besprochen. Schon klar, wieso sollte auch in einer Stunde ein Lösungsansatz für einen Konflikt gefunden werden, der so kompliziert scheint und seit mehreren Jahren andauert? Die Diskussion wirkte jedoch insgesamt sehr diffus, brach oft in andere Teilbereiche aus. Es waren sich zwar alle einig, dass die bisherigen diplomatischen Strategien und Sanktionen nicht funktionieren. Was man jetzt tun könnte, darauf hatte fast niemand eine klare Antwort. Die gesamte Diskussion wirkte so ziellos, dass man am Ende dasaß und sich fragte, was zum Teufel dieses Sendeformat eigentlich wollte.

Kramp-Karrenbauer war sich lediglich sicher, dass „Putin weitermacht, bis er auf einen harten Punkt stößt“. Während Barley und Bartsch beide forderten, die Situation erstmal „nüchtern“ zu analysieren. Christoph von Marschall wollte härtere Sanktionen, gleichzeitig aber auch „smartere Lösungen“, wie auch immer die aussehen sollen. Und der Politikwissenschaftler Herfried Münkler forderte „Gratifikationen statt Sanktionen“. Klingt positiver als der Rest. Was das im Einzelnen bedeutet, ließ jedoch auch er offen. 

Der größte Redeanteil kam bei all dem Annegret Kramp-Karrenbauer zuteil. Sie hatte schon fünf Nachfragen Wills beantwortet, bevor überhaupt einer der anderen Gäste zu Wort kam. Ihre Antworten waren teilweise so missverständlich, dass Nachfragen jedoch unvermeidlich waren. Viele Fragen zielten auf Kramp-Karrenbauers Kandidatur um den CDU-Parteivorsitz ab. Da wäre es doch einfacher und ehrlicher gewesen, auch Jens Spahn und Friedrich Merz einzuladen. So verlor man an diesem Abend schnell den Überblick über die Themen.

Krude Vergleiche

Hervorgetan hat sich in dieser Runde dann jemand anders, allerdings nicht positiv: Christoph von Marschall, diplomatischer Korrespondent beim Tagesspiegel. Marschall kennt sich in der Materie hervorragend aus, redete sich jedoch oft in Rage, fiel anderen ins Wort und verteilte Spitzen, die überhaupt nicht im Kontext des Gesagten standen. Dabei wirkte er beinahe hysterisch, argumentierte nicht logisch versuchte das dann durch lauteres Reden auszugleichen. Wahrlich kein gelungener Auftritt. 

Aber nicht nur von Marschall zog an dem Abend krude Vergleiche. Dietmar Bartsch schaffte es, die Feierlichkeiten in Russland um den 9. Mai, den „Tag des Sieges“ im Zweiten Weltkrieg, mit der Gleichgültigkeit des Volkes gegenüber den Sanktionen zu vergleichen. Den genauen Zusammenhang ließ er dann offen. 

Wirklich gruselig wurde es dann bei einem unglücklichen Zwischenschnitt. Bartsch forderte den Wegfall der Sanktionen und stattdessen, lieber auch noch das hundertste Mal mit Russland zu reden, als den ersten Schuss abzugeben. Das Bild wird zu Kramp-Karrenbauer gewechselt, man sieht sie nur wütend den Kopf schütteln und die Lippen verziehen. Sie war sauer über „die Legende, die hier gestrickt wird“. Niemand wolle in der Runde einen Krieg beginnen. Russland wolle laut Kramp-Karrenbauer mit seiner Außenpolitik lediglich seine innenpolitische Spaltung überspielen.

Wenn nun also niemand einen Krieg beginnen will und wir die Situation auf der Krim nach Barley „nüchtern analysiert haben“, wie gehen wir dann mit Putin um? Hier wiederholte die Runde eigentlich nur das Bestreben von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die diplomatischen Beziehungen mit dem Normandie-Format zwischen Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine wieder aufleben zu lassen. Außerdem könne eventuell den Bau der Gaspipeline Nord Stream 2 von Russland durch die Ostsee nach Deutschland unterbrochen werden. 

Was wohl Putin von all dem hält? 

Die bisherigen diplomatischen Bemühungen sowie das Minsker Abkommen scheinen Putin bis jetzt schon nicht im Mindesten zu interessieren. Und selbst die in der EU umstrittene Gaspipeline Nord Stream 2 ist ein privatwirtschaftliches Projekt, für das die meisten Genehmigungen schon vorliegen. Abgesehen von Symbolpolitik hat die Bundesregierung hier absolut keinen Handlungsspielraum, das bemerkte auch die Sozialdemokratin Barley. Sie fügte dann jedoch an, dass man trotzdem die Diskussion innerhalb der EU erneut suchen müsse. Ob Putin sich nun groß an einer innereuropäischen Debatte stört, sei mal dahingestellt. Wahrscheinlich eher nicht. 

Und so verlief die Diskussion auch in diesem Punkt im Sande. Das Schlusswort ging dann wieder an Annegret Kramp-Karrenbauer, unter anderem mit der Frage, ob es bei der aktuellen weltpolitischen Lage überhaupt noch Sinn ergebe, Bundeskanzlerin zu werden Eigentlich kann einem zu dieser Frage gar nichts mehr einfallen. Kramp-Karrenbauer nutzte aber die Chance, sich zu profilieren: „Absolut. Durch die Auflösung von Bündnissen sind wir in einem Transformationsprozess hin zu flexiblen Allianzen.“

Also wie nun mit Putin umgehen? Darauf gibt es weiterhin keine Antwort. Wirklich in Erinnerung bleiben von dieser Sendung wird nur von Marschall mit seinem maßlos übertriebenen Auftritt. Dabei drängt die Zeit, Lösungen für den Krim-Konflikt zu finden. 
 

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