Feministischer Abgesang auf Angela Merkel - Lieber niederträchtig als hochschwanger

Noch regiert sie Deutschland, aber spätestens seit ihrem Rücktritt als Parteivorsitzende haben viele Bürger begonnen, Abschied von Angela Merkel zu nehmen. Was hinterlässt sie dem Land, außer der Raute? Viola Roggenkamp hat sich durchs Familienalbum der Kanzlerin geblättert

Nur echt mit Stirnpony: Angela Merkel, die allererste Frau, die in einer Bundeskanzlerhose steckte / picture alliance
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Viola Roggenkamp ist Schriftstellerin und lebt in Hamburg

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Es war ein strahlender Wintertag, als ich endlich ins Bundeskanzleramt vorgelassen wurde. Ihre engste Mitarbeiterin hatte mich um meine Vorschläge gebeten. Welche zielweisenden Vorgaben waren den Historikern zu machen hinsichtlich Merkels verantwortungsvoller Führungsrolle im ethisch-moralisch und ganzheitlich-bewusstem Sinne der Welt? Ich war vorbereitet und behielt den Überblick. Wir setzten uns. Draußen lag die Bundeshauptstadt. Vor uns das Buch der Geschichte. Wie und womit sollte in absehbarer Zeit die Altbundeskanzlerin daraus hervorragen? 

Natürlich mit ihrem Geschlecht. Merkels Mitarbeiterin hatte Bedenken, die ich im Nu auszuräumen vermochte. Ich ließ vor ihrem geistigen Auge Richtung Regierungsbank diverse Herrenhintern vorbeiziehen, zunächst in Bonn, dann in Berlin. In dieser prominenten Reihe charakteristisch ausgebeulter Bundeskanzlerhosen war Merkels die allererste, in der eine Frau steckte, und dazu noch dermaßen unattraktiv. Die hatte ja verboten ausgesehen. Nein, nein, nein! Nicht streichen. Das ist gerade aus feministischer Sicht wichtig für die Nachwelt festzuhalten. 

Nicht ohne meinen Stirnpony  

Noch unter Kohl damals verschlafen lauernd ihr Blick, ihre Mundwinkel, die ganze Körperhaltung ging total nach unten, dazu diese Haare mit dem Stirnpony. Was dahinter vor sich ging, wußte niemand. Die schmiedete es allein in ihrem Innern. Die wollte Bundeskanzler werden, exakt so in original DDR-Deutsch, ohne Gender-In und ohne Gender-Sternchen. Das war den Westdeutschen völlig neu gewesen. Noch nie hatte eine Frau verlangt, Bundeskanzler zu werden. Dazu geschieden und nicht einmal Mutter. Die Mitarbeiterin bot mir grünen Tee an.

Merkel gegenüber wagte kein Weiberfeind das Maul aufzusperren. Womit andere Politikerinnen stets zu Fall gebracht worden waren, so frauenfeindliche Argumente, die gerieten erst gar nicht in ihre Umlaufbahn. Wenn Angela Merkel von Friede Springer hörte, sie sei zu wenig auf die Menschen im Lande bezogen, da rührte sie sofort zu Hause am Herd vor laufender Kamera in der Gulaschsuppe, das machte der gar nichts als Frau, da zählte die am Backblech die Streusel auf dem Lieblingskuchen ihres Mannes. Spezifisch weibliche Bedenken verachtete sie. Wie sehe ich aus? Sitzen meine Haare? Die Kamera schaut auf mich. Die Weltöffentlichkeit schaut auf mich. Selbst Männer legen heutzutage in der Öffentlichkeit Wert auf einen eleganten Zwirn. Dagegen Merkels Outfit? Damit demonstrierte sie ihre Verachtung, und die trug sie in den Mundwinkeln, die hatte sich dort eingegraben, wahrscheinlich schon in frühen Mädchenjahren als sie beschloß, so zu werden wie Jesus. 

„Sie kennen mich.“

Freilich, knipste die Kanzlerin ihr Lächeln an, dann aber: Hallo! Damit löschte sie Zweifel und Widersprüche aus. Zweifel und Widersprüche hemmen die Funktionstüchtigkeit der Menschen, darum waren der Kanzlerin so demokratische Grundpfeiler wie der Disput im Parlament und das unveräußerliche Recht demokratischer Mehrheitsfindung unangenehm. Streit, Widerrede? Das führte bei ihr zuverlässig zum optischen Durchbruch massiver Unzufriedenheit. When I loose my temper, you loose your head. 

Bei ihr gab es keine Zwischenfragen im Parlament. Die Menschen in Deutschland wollen es nun mal harmonisch. Das verlangt Vereinfachung, und das konnte Angela Merkel. „Sie kennen mich.“ Reichte doch. Und brauchte sie mal was Inhaltliches, saugte sie es ab bei der SPD. Da staunten die Sozialdemokraten und waren, beraubt um ihr geistiges Eigentum, wieder einmal Merkels Meinung. Wenn aber nicht, wenn sich also jemand mit seiner Meinung ihr entgegenstellte, ich habe es erlebt. Nicht im Selbstversuch. Göttin bewahre.

Merkel for Friedensnobelpreis

Ein Repräsentant der öffentlichen Meinungsmacher war es. Damit konnte ja niemand rechnen. Mitten im Interview Widerspruch eines Journalisten gegenüber der Kanzlerin. Daraufhin totaler Zusammenbruch von Merkels Präsentation, ihre Mimik völlig entgleist, tödlich beleidigt. Aber tödlich für wen? Er habe an seine selige Mutter denken müssen, hatte mir der Kollege gestanden. Himmel, hatte er gedacht, das wird die sich merken, das wird Folgen haben. Hatte es. Und zwar live vor aller Augen. Abgekanzelt mit scharfen Worten. Seine Stirn war feucht gewesen. Den Frauen im Publikum war es Genugtuung und klammheimliche Freude. Ältere Feministinnen erinnerten sich an alte Zeiten: Lieber niederträchtig als hochschwanger! Befreit die sozialistischen Eminenzen von ihren bürgerlichen Schwänzen! Minuten später war die Kanzlerin heiter und leutselig. Die genierte ihr Ausbruch nicht, da war die total unerschrocken. 

Man denke an das Selfie. Bundeskanzlerin Angela Merkel, Wange an Wange mit einem fremden Flüchtling. Übrigens ein einzigartiges Illustrationsobjekt für Deutschlands Schulbücher. Um die Welt war es gegangen. Bei denen daheim im Islam wäre jede Frau für so ein Foto öffentlich gesteinigt worden. Danach stand es allgemein fest: Friedensnobelpreis. Na ja. War wieder nichts. Der kommt noch. Ihr UN-Migrationspakt. Da können die in Oslo gar nicht anders. Begründung etwa so: Angela Merkel war zukunftsprägend, sie nahm sich die Welt vor, ihr Universum war ein grenzenloses. Bei ihr konnte ein jeder wohin auch immer. Muslime nach Europa, Palästinenser nach Israel, wenn man so will jüdische Zerstreuung für alle, denn die Juden lagen ihr besonders am Herzen. 

Angie im Fußballstadion 

Woher kam ihr diese Kraft? Die Kanzlerin war DDRsozialisiert, protestantische Pfarrerstochter, sie war stark im Glauben an sich selbst. Menschen wie sie eignen sich für andere zum Hineinprojizieren, und das trägt unweigerlich. Sie wagte Gigantisches. Ich muss hier nicht in Details gehen. Die Auswirkungen sind bekannt. Sie besaß die Gabe zur Leichtfertigkeit verbunden mit einer Kraft zur Zerstörung von Bestehendem, was ihr, ohne Vorwarnung selbstverständlich, verzichtbar erschien. Darin war sie im besten Sinne eine Anarchistin, weshalb ihr, der CDU-Frau, die Linken zu Füßen lagen, die Grünen, die Autonomen, die Feministinnen und die Autoindustrie. 

Und der Fußball. Angie im Fußballstadion. Wie liebten die Menschen sie gerade dann. Deutschland schießt ein Tor, und Merkel auf der Ehrentribüne, springt hoch mit weit aufgerissenem Mund, ihr frenetisches Gegröle, die Arme emporgerissen, und neben ihr der Gastgeber im Nadelstreifenanzug mit Goldrandbrille, der Regierungspräsident der verlierenden gegnerischen Mannschaft, dezent das eine Bein über das andere gelegt. So konnte die Kanzlerin aus sich herausgehen, und genau so ging sie danach in die Umkleidekabine zu den verschwitzten Nationalspielern, wo es stank wie im Raubtierkäfig. Bloß die Ostdeutschen, die sahen ihre Größe nicht. Die machten ihr Angst. Kam sie dort vorbei, weil es nicht anders mehr ging, kramte der Ossi sofort Hammer und Sichel raus. 

Das Vaginazeichen des feministischen Frauenkampfs 

Merkels Mitarbeiterin sah auf die Uhr. Noch ein Wort zu AKK? Auch darauf war ich vorbereitet. Merkels beflissene Nachlassverwalterin. Das westliche Ausland liebte Merkel, denn sie war nicht im Saarland groß geworden, sondern hinterm antifaschistischen Schutzwall. Ein Opfer des Sozialismus, worin sie es zur Physikerin gebracht hatte und bei ihren Fähigkeiten Vorsitzende des ZK der SED hätte werden können, wenn Helmut Kohl sein Mädchen aus dem roten Osten nicht vorher befreit hätte. Angie war aus der DDR, als die DDR noch nicht die ehemalige gewesen war, und da hatte die Kanzlerin einen Bonus in der Welt, und den hat AKK aus Westdeutschland eben nicht.

Wir erhoben uns beide gleichzeitig. Merkels engste Mitarbeiterin stand vor mir, die Fingerspitzen ihrer Hände vor ihrem Bauch ganz so aneinander gelegt wie ihre Chefin. Ganz so wie das Vaginazeichen des feministischen Frauenkampfs. Aber natürlich, das Patriarchat log sich Angela Merkels symbolhafte Geste zur Raute zurecht. 

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