Ampel-Koalition im Bund? - Die gelbgrünrote Seifenblase

Rot-Grün-Gelb im Bund? Wie das inhaltlich funktionieren soll, dürfte auch Volker Wissing nicht erklären können. Der designierte FDP-Generalsekretär hatte die Ampel-Koalition ins Spiel gebracht. Er und sein Chef Christian Lindner haben eigentlich andere Probleme.

Es bleibt zu hoffen, dass Christian Lindner sich mit und für Wissing diesmal richtig entschieden hat / dpa
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Erwin Jurtschitsch ist Journalist und Unternehmer.

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„Die CDU nach so langer Zeit abzulösen, könnte ein wichtiges Signal des Aufbruchs für unser Land sein“ twitterte der designierte FDP-Generalsekretär Volker Wissing kurz nach seiner Installation. Hinter diesem von ihm erhobenen programmatischen Anspruch kann er nur mit Schaden für die eigene Partei zurückfallen. Denn nun feiern Sozialliberale in der FDP die neue Entschlossenheit zu regieren.

Und der Anspruch wird nun von allen FDP-Granden gefeiert wie ein strategischer Durchbruch und die „progressivste Option“ für die Partei bei der Bundestagswahl im nächsten Jahr. Dabei war der Anlass für die Ampeloption eigentlich sehr banal. Christian Lindner wollte seine Generalsekretärin Linda Teuteberg entsorgen und damit die Debatte um seine Person beenden. Mal sehen, was von den drei Dingen zu einem guten Ergebnis führt. Eines aber ist angesichts der heutigen Umfragewerte und der Situation innerhalb der Ampelpartner schon absehbar: Es handelt sich um eine schön schillernde Seifenblase aus dem Berliner Raumschiff namens Präsidium. 

Denn die Grünen und die SPD-Linken wollen partout nicht mit der FDP und das ist eine dramatische Untertreibung. In Teilen der Grünen und der SPD gelten die Liberalen als AfD light und seit Thüringen als „Nazis“. Im Hamburger Wahlkampf wurden hochanständige und sozialliberale FDP-Kandidaten nicht nur beschimpft und ihre Büros beschmiert. Grüne und SPD führten sich auf, als ob Anna von Treuenfels eine Koalition mit der AfD geschlossen hätte.

Scholz' ausufernde Sozialausgaben

Und Olaf Scholz? Nun, er hat dem nie widersprochen und hat sich schon vor der Hamburger Wahl geweigert, mit der damaligen Spitzenkandidatin und jetzigen FDP-Vize unter Lindner auch nur zu sprechen, geschweige denn zu verhandeln.  

Seitdem hat Scholz alles, aber auch wirklich alles, in Gesetze gegossen, was dem FDP-Programm diametral entgegensteht. Von ausufernden Sozialausgaben (inzwischen bei über einer Billion Euro und 300 Milliarden mehr als 2009) über einer dramatisch ansteigende Verschuldung und nicht gegenfinanzierte Projekten wie die Grundrente war und ist alles dabei. 

Kein Helmut Schmidt am Ruder

Nun wird unter dem Stichwort Corona eine Volkswirtschaft umgebaut und die Gelddruckmaschine angeworfen. Die von Altmaier eingeforderte Senkung der Unternehmenssteuer scheiterte an seinem Widerstand. Gleichzeitig wird die Aktienkultur weiter zerstört und die Finanzierung von Start-ups weiterhin steuerlich erschwert. Die Liste lässt sich beliebig verlängern. Da ist kein Helmut Schmidt am Ruder, da rudern Kevin und Esken/Borjans. 

Wie also soll die Ampel inhaltlich funktionieren und wo sind die gemeinsamen politischen Projekte für vier Jahre Regierung? Mal ganz abgesehen davon, dass auch die Zahlen nicht so richtig für die Ampel sprechen. Nimmt man die Umfragen ein wenig ernst, dann liegen die drei Partner bei 35 bis 39 Prozent und somit jenseits der Mehrheit der Sitze im Bundestag. 

Nagelprobe für Wissing und Lindner

Und man darf daran erinnern: Auch in Hamburg haben sich Lindner und Katja Suding viel zu früh auf die sogenannte „Deutschlandkoalition“ festgelegt und sich gleichzeitig gegen eine Zweitstimmenkampagne entschieden. Wie es ausgegangen ist, ist bekannt. Die Partei ist aus der Bürgerschaft geflogen. Die Nagelprobe für Volker Wissing und Christian Lindner aber werden also vier Dinge sein:

Honoriert der FDP-Wähler und der Zweistimmenwähler die neue strategische Option?
Kann Wissing dem Thüringer FDP-Chef Kemmerich seinen Plan, zur Wahl noch einmal anzutreten, „ausreden“?
Wird Olaf Scholz jetzt geschont und der Wirecard Untersuchungsausschuss der neuen strategischen Option geopfert? 
Und gelingt es ihm, Linda Teuteberg und den Osten einzubinden und die Partei diverser aufzustellen?

Zu oft danebengelegen

Denn verfestigt sich der Eindruck, bei der FDP handele es sich nun wieder um einen Männerverein, dann wird es der Partei kaum gelingen, über die fünf Prozent zu kommen. Das ist natürlich kein Aufruf zur Quotierung oder zu einer Genderdebatte, nein es geht um eine wirtschaftsliberale, weltoffene und moderne Partei, die sich dem rotgrünen Biedermeier entgegenstellt. Denn dass die FDP die einzige Partei ist, die seit 1950 keine Spitzenkandidatin, keine Vorsitzende hatte, ist und bleibt blamabel.

Reminiszenzen an sozialliberale Zeiten oder Seifenblasen wie eine Ampel ohne Inhalte und Mehrheiten sind da keine Lösung. Wer R2G verhindern will, muss sich eher an der NRW-Koalition orientieren, denn an Rheinland-Pfalz. Es bleibt zu hoffen, dass der Vorsitzende sich mit und für Wissing diesmal richtig entschieden hat. Zu oft hat der kluge Lindner in den letzten Jahren danebengelegen. 

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