Al-Quds-Tag in Deutschland - Das Hochfest aller Antisemiten

Ajatollah Chomeini rief den sogenannten al-Quds-Tag aus. Jeden letzten Samstag im Ramadan ziehen Demonstranten durch Berlin. Sie sind ausgestattet mit Hisbollah-Fahnen, skandieren antisemitische Parolen und drohen Israel mit Tod und Vernichtung. Müssen wir uns das gefallen lassen?

Die Demonstranten fordern den Massenmord an Juden. Muss eine freiheitliche Gesellschaft so etwas aushalten? / picture alliance
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Autoreninfo

Alexander Grau ist promovierter Philosoph und arbeitet als freier Kultur- und Wissenschaftsjournalist. Er veröffentlichte u.a. „Hypermoral. Die neue Lust an der Empörung“. Zuletzt erschien „Vom Wald. Eine Philosophie der Freiheit“ bei Claudius.

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Früher war vielleicht nicht alles besser, aber einfacher war es mitunter allemal. Zum Beispiel die Sprache, insbesondere die Sprache der Politik. Die war deutlich, klar und unverstellt. Man sagte, was man dachte – zumindest meistens. Wer etwa für eine Diktatur war, war für eine Diktatur, beschimpfte die Demokratie und verachtete den Parlamentarismus. Wer in der Freiheit ein Übel sah, machte daraus keinen Hehl und befürwortete den autoritären Staat. Rassisten bekannten sich zu ihrem Rassismus und Antisemiten zu ihrem Antisemitismus.

Aus und vorbei. Heutzutage geben sich auch knallharte Autokraten als Demokraten. Diktatoren schwadronieren von Menschenrechten. Rassist ist sowieso niemand. Und Antisemit immer der andere. Glaubt man der politischen Rhetorik, die zu Beginn des 21. Jahrhunderts weltweit gepflegt wird, müsste die Menschheit in einem Paradies leben, friedvoll, auf Ausgleich bedacht, gerecht, demokratisch, stets die Würde des Menschen achtend. Schaut man sich in der Welt um, wirkt das geradezu surreal.

Der al-Quds-Tag

Ein besonders bizarres Beispiel systematischer Sprachverdrehung liefert der alljährliche al-Quds-Tag, der „internationale Jerusalem-Tag“. Der geht auf einen Aufruf Ajatollah Chomeinis zurück, der kurz nach der Revolution im Iran alle Muslime dazu aufforderte, am letzten Freitag des Fastenmonats Ramadan ihre Solidarität mit dem palästinensischen Volk zu erklären und „den Usurpatoren und ihren Unterstützern die Hände abzuhacken.“

Seit den achtziger Jahren ist der al-Quds-Tag auch in Deutschland fester Bestandteil der Ramadan-Folklore. Und so ziehen Jahr für Jahr am letzten Samstag des Ramadan – Samstag, weil in Europa der Freitag ein Arbeitstag ist – ein paar hundert Demonstranten über den Kurfürstendamm, streng nach Geschlechtern getrennt, ausgestattet mit Hisbollah-Fahnen, antisemitische Parolen skandierend und dem Staat Israel Tod und Vernichtung androhend. Der al Quds-Tag, er ist das Hochfest aller Antisemiten und Antizionisten, mit einer Sympathisantenszene die, so viel ist sicher, weit, weit über die paar hundert Fahnenschwenker hinausreicht.

Wer kann dazu schon „nein“ sagen?

Präsentiert sich das Fußvolk auf der Straße mit geradezu anrührend altmodischer Ehrlichkeit, etwa wenn man den Tod Israels fordert oder – wie im Jahr 2014 – „Zionisten ins Gas“ wünscht, so zeigen sich die Initiatoren und Organisatoren der al-Quds-Demonstration als Virtuosen semantischer Glasperlenspielerei. Die Homepage des Quds-Tages schmückt die altbewährte Friedenstaube, Frieden und Gerechtigkeit fordernd. Wie auf dem schönsten Toleranz-Workshop betont man „Islam, das Christentum und das Judentum sind keine unterschiedlichen Religionen, sondern verschiedene Stufen beziehungsweise Versionen ein und derselben Religion“. Man sieht sich als Kämpfer gegen jede Form von Rassismus und fordert den Kampf für Gerechtigkeit, das Aufzeigen der Ungerechtigkeit und Verantwortung gegenüber den Unterdrückten dieser Welt. Und natürlich steht man – in schönstem NGO-Sprech – für Offenheit, Transparenz und Information. Wer kann dazu schon nein sagen?

Man muss schon genau lesen und den Jargon kennen, um zu wissen, was gemeint ist: Dass der Islam die Krönung einer religionsgeschichtlichen Entwicklung und damit über Juden- und Christentum steht; dass Gerechtigkeit und Kampf gegen Unterdrückung nicht anderes sind als Formeln, die die Vernichtung Israels rechtfertigen sollen; dass der Kampf gegen Rassismus nichts anderes ist, als ein Code, dessen eigentliche Botschaft der Tod des jüdischen Staates ist.

Die Verwahrlosung der politischen Sprache

So gesehen sind die Initiatoren des al-Quds-Tages auf der Höhe des postideologischen Zeitalters. Man gibt sich verbindlich, moderat, tolerant und weltoffen. Einfach weil man verstanden hat, das Toleranz und Weltoffenheit die Nullformeln sind, mit der man in der westlichen Welt reüssieren kann. Seinen Hass verschleiert man hinter Sprechblasen, die den Kampf gegen Unterdrückung fordern. Und die eigene Menschenverachtung kleidet man in den Evergreen vom Antirassismus.

Und so werden sie am heutigen wieder marschieren und nichts anderes fordern als den Massenmord. Ob eine freiheitliche Gesellschaft so etwas aushalten muss, darüber kann man streiten. Die Verwahrlosung der politischen Sprache aber muss man mit Nachdruck begegnen – nicht nur bei den Ideologen des al-Quds.

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