Abschottung vor den Flüchtlingen - Heute schon über den Zaun geschaut?

Die Angst vor dem Fremden ist menschlich. Aber sollten wir uns deshalb danach richten? Wer Zäune baut, schränkt dadurch nur seinen eigenen Horizont ein. Und wer seine Fremdenangst herausbrüllt, vertreibt damit die Fremden, nicht aber die Angst

Grenzzaun am Flüchtlingslager in Idomeni. Bild: picture alliance
Anzeige

Autoreninfo

HG. Butzko ist Satiriker und wird als „Hirnschrittmacher des deutschen Kabaretts“ bezeichnet.

Der gebürtige Gelsenkirchener verbindet das Politische und das Private, den Alltag und den Bundestag, die große Welt und den kleinen Geist, und hat dabei einen ganz eigenen Stil entwickelt, den die Presse als „Kumpelkabarett“ oder „Thekengespräch mit Publikum“ bezeichnete. In der Laudatio zum Deutschen Kleinkunstpreis hieß es, HG. Butzko sei „ein Meister des investigativen Kabaretts“.

So erreichen Sie HG. Butzko:

Anzeige

Der Philosoph Jean-Jacques Rousseau sagte mal: „Irgendwann kam der erste Mensch auf den Gedanken, ein Stück Land mit einem Zaun zu umgeben und zu behaupten, das gehöre jetzt ihm. Das Erstaunliche daran ist nicht, dass es einen Menschen gab, der diesen Gedanken hatte, sondern dass die anderen ihm geglaubt haben.“

Oder mal ins Neudeutsche übersetzt: Einer zieht Zäune im Äußeren, welche die anderen dann verinnerlichen. Die bloße Behauptung eines Zaunes ist also nicht das Hauptproblem, sondern das Hauptproblem ist das Problem im Haupt derer, die das glauben. Und kommen viele Leute zusammen, die einen solchen Glauben teilen, dann nennt man sie eine Glaubensgemeinschaft. Und bei den meisten dieser Gemeinschaften hat sich der Grenzglaube inzwischen so verselbständigt, dass es für viele ihrer Gläubigen völlig außer Zweifel steht, andere Menschen einzuteilen in Bewohner innerhalb und außerhalb ihrer Zäune.

Zaunmentalität ist legitim, solange...

Auch wenn wir sieben Milliarden Menschen sind, die alle als Heimat dieselbe Kugel im Weltall haben, erreicht man leider nicht jeden Zaun, wenn man mit diesem Pfahl winkt. Denn es gibt Menschen, deren Horizont am nächsten Zaun endet und die ihre Identität dadurch bestimmen, innerhalb welcher Grenzen sie denken. Das alles ist legitim.

Richtig grenzwertig wird’s aber dann, wenn außerhalb der Grenzen Krieg herrscht, und Menschen von draußen bei denen drinnen nach Frieden und Sicherheit suchen. Dann gereicht die Verteidigung ihrer Zäune einigen Leuten zum Anreiz, Menschen von außerhalb auszugrenzen. Und wenn solche Leute dann auch noch argumentativ die Schotten dicht machen und die Schranken runter, dann nennt man sie „nicht ganz dicht“, oder „beschränkt“. Was dann übrigens kein Schimpfwort ist, sondern eine präzise Beschreibung ihres Horizontes. Und das wird man ja wohl noch mal sagen dürfen.

Vom Wort zur Tat

Das Problem mit dem Zaunglauben ist dabei folgendes: Je mehr Leute gegen die Ausgegrenzten reden, umso mehr fühlen andere sich dadurch ermuntert, handgreiflich gegen diese Ausgegrenzten ein- und auszuschreiten.

Die Gründung einer Stiftung zur Verbreitung von brandgefährlichem Grenzglauben durch die Grenzdenker wurde noch immer zum Beschleuniger für die tatsächliche Brandstiftung durch die Grenzdebilen. Die Folgen sind seit Monaten an unzähligen deutschen Asylunterkünften zu besichtigen, oder wie jetzt nach dem Brexit in England mit einem Anstieg fremdenfeindlicher Übergriffe.

Angst vor Fremden ist menschlich. Das steckt seit der Steinzeit in unseren Genen. Die Evolution hat uns allerdings inzwischen die Wahl gegeben, ob wir im Umgang mit dieser Angst menschlich bleiben wollen oder unmenschlich.
Stecken ungeklärte Kindheitskonflikte dahinter?

Das Rausbrüllen der Angst kann tatsächlich heilsam sein. Allerdings nur, wenn man es bei einem Therapeuten macht. Der hilft dem Ängstlichen zu erforschen, welche anderen Motive da noch unentdeckt im Brüllen versteckt sein könnten. Am Ende landet man meistens bei ungeklärten Kindheitskonflikten mit Mami und Papi und hat große Chancen, die Angst zu überwinden.

Brüllt man seine Fremdenangst gegenüber den Fremden raus, vertreibt man damit die Fremden, aber nicht die Angst.

Und dann fehlt einem am Ende sogar der Zaun, an dem man nicht mehr alle Latten hat.

HG. Butzko live: 08. + 09.07. Würzburg / 23.07. Bielefeld

 

Anzeige