FDP-Bundesparteitag - Unter den Lindnern

Obwohl sich die FDP als moderne Partei inszeniert, dominieren die Lindners, Kubickis und Buschmanns. Aber nicht die Männer allein können die Partei aus der Defensive nach dem Jamaika-Aus führen. Die FDP muss endlich ihr Frauenproblem in den Griff bekommen

Warum fremdeln Frau mit der FDP? / picture alliance
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Autoreninfo

Michael Freckmann studierte Politikwissenschaft in Göttingen und York (UK). Er beschäftigt sich journalistisch und wissenschaftlich mit Parteien im Wandel sowie mit politischen Wahlen.

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Nach vier Jahren außerparlamentarischer Opposition, nachdem die FDP am Ende schien, gelang ihr bei der Bundestagswahl 2017 das triumphale Comeback. Erfolgreich baute die Partei ein modernes Image auf. Die FDP mobilisierte dabei jedoch vor allem junge Männer neu für sich. Seit dem Jamaika-Aus befindet sich die Partei aber in der Defensive. Gerade weil sie stark männlich geprägt ist, müsste sie nun alte Strukturen aufbrechen.

Das große Potenzial bei der jüngeren weiblichen Wählerschaft konnten die Liberalen bislang kaum nutzen: Dabei sind hohe Bildung, berufliche und individuelle Unabhängigkeit eigentlich klassisch liberale Themen. Auf dem Parteitag an diesem Wochenende sollen nun die Strategien dazu diskutiert werden. Das Thema Frauen ist für die FDP dabei keineswegs neu. Sie ist bereits oft daran gescheitert. Aber aus welchen Gründen eigentlich?

Altherrenhabitus der Brüderle-Partei

Die Situation scheint paradox. Nach dem Absturz der Partei bei der Bundestagswahl 2013 wollten sich die Liberalen von Grund auf erneuern. Man wollte auch das Image des Altherrenhabitus der Brüderle-Partei abschütteln. Und gegenwärtig sind an prominenter Stelle tatsächlich einige Frauen vertreten: Mit Marie-Agnes Strack-Zimmermann aus Nordrhein-Westfalen und der Hamburgerin Katja Suding hat die Partei zwei weibliche stellvertretende Bundesvorsitzende. Letztere ist dabei im Bundesvorstand ausdrücklich zuständig für das Thema „Frauen“. Auch das Amt der Generalsekretärin ist mit Nikola Beer weiblich besetzt, die JuLi-Vorsitzende ist mit Ria Schröder seit kurzem ebenfalls weiblich.

Doch die Gesamtpartei ist mehrheitlich männlich. Der Frauenanteil der FDP-Mitgliederschaft liegt momentan mit 21,8 Prozent nur noch knapp vor AfD und CSU. Das Präsidium besteht aus 13 Personen, davon sind nur drei Frauen. Im weiteren Bundesvorstand mit 60 Personen gibt es gerade einmal zehn weibliche Mitglieder. Selbst in der neuen Bundestagsfraktion, immerhin Ergebnis des „Erneuerungsprozesses“, sieht die Lage nicht besser aus. 18 von 80 Abgeordneten sind weiblich, im Fraktionsvorstand gibt es nur eine Frau neben zehn Männern; der Fraktionsvorsitzende und die parlamentarischen Geschäftsführer sind allesamt männlich. Unter den Neumitgliedern liegt der Frauenanteil nur noch bei 18,52 Prozent. Dies zeigt: Auch die „erneuerte“ FDP unter Christian Lindner konnte diese Entwicklung nicht umdrehen.

Zahlreiche Versuche, ohne Erfolg

Die Diskussion um die Erhöhung des Frauenanteils ist in der FDP nicht neu. Weder ein Frauenförderplan von 1989, noch der „Ladies Lunch“ von 2006, noch weitere Maßnahmen dieser Art konnten die Situation ändern. Vielmehr verringerte sich der Frauenanteil in der Mitgliedschaft seit den neunziger Jahren bis heute noch einmal. Die FDP galt lange Zeit als die männliche Partei schlechthin. Guido Westerwelles FDP sprach vornehmlich die sogenannten männlichen Leistungsindividualisten an

Lindners FDP heute zog bei den vergangenen Wahlen, besonders im Bund, die unter 30-jährigen Männer an, während die weibliche Wählerschaft dieses Alters bei der FDP wiederum merklich schwächer ausgeprägt ist. Besonders jüngere Frauen sind eher bei den Grünen zu Hause. In diesen Altersgruppen gilt geradezu ein spiegelverkehrtes Verhältnis innerhalb des jungen gebildeten Bürgertums. Dies macht eine Mobilisierung hin zur FDP für diese umso schwerer, müssen die Wählerinnen nicht aus dem Nichtwählerinnenlager aktiviert, sondern mühsam abgeworben werden.

Woran liegt's?

Es ist erstaunlich, dass sich die FDP so wenig ernsthaft um die weibliche Wählerschaft und Mitgliederschaft kümmert. Schon vor 20 Jahren hatte der Politikwissenschaftler Franz Walter von einem bemerkenswert großen Potenzial im „weiblichen Liberalismus der Wissensgesellschaft“ gesprochen. Auch eine an die FDP-Rhetorik anschlussfähige Modernisierung des Parteilebens, weg von hierarchisierten und lokal stattfindenden hin zu mehr digitalisierten und individualisierten Formaten, böte hier in der Balance von Beruf, Freizeit und Familie, nicht nur, aber eben auch für Frauen Anknüpfungspunkte. Dass dies in der FDP bisher nicht gelang, hat viele, auch substantielle, Gründe.

Einer der Hauptgründe der bisher fehlgeschlagenen Bemühungen der FDP, ihren Frauenanteil zu erhöhen liegt zunächst auf der personellen Ebene. Trotz wichtiger weiblicher Personen in der Führungsebene drang in den vergangenen Jahren nur Lindner, oder selten einmal Wolfgang Kubicki in der öffentlichen Wahrnehmung durch. Mochte dies auch der insgesamt reduzierten Wahrnehmung in der außerparlamentarischen Situation geschuldet gewesen sein, hätte es dennoch Möglichkeiten der Profilierung gegeben. Weibliche Führungspersonen in der Partei wie Beer oder Suding fallen derzeit höchsten mit Marktschreierei auf, oder werden nicht wahrgenommen.

Die Scheu der FDP vor weiblichen Themen

Dass dies nicht geschah, hängt damit zusammen, dass die Frauen in der Führung sich eben nicht mit Themen hervorgetan haben, die explizit Frauen angesprochen hätten. Besonders die Thematik der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerade bei berufstätigen hochgebildeten Frauen, wie sie bei den Liberalen häufig anzutreffen sind, hätte Raum geboten. Auch die Positionierung bei Frauenrechten, wie beruflicher Gleichstellung, war nirgendwo zu hören. Das Thema Bildung, was zuletzt von der FDP wieder prominent besetzt wurde, behandelt die Partei vornehmlich unter dem Aspekt der Technisierung. Auch bei der Diskussion um den Bildungsföderalismus wurde eine Chance vertan. Er wurde vor allem unter institutionellen Gesichtspunkten diskutiert. Aspekte zur Wissensgesellschaft und der Qualifizierung als Form der Individualisierung, was möglicherweise auch mehr jüngere Frauen angelockt hätte, fanden kaum statt.

Ein weiteres Problem liegt im liberalen Selbstverständnis begründet. Die Freien Demokraten scheuen eine Quote , weil in der Partei des Leistungsprinzips eine Frau nicht aufgrund ihres Geschlechts in eine bestimmte Position gelangen soll. So kann die Partei Frauen auch nur schwer – und lassen sich diese auch kaum –  in ihrer Eigenschaft als „als Frau“ fördern. Ein weiterer Grund liegt im Misstrauen der Liberalen gegenüber allem Kollektiven. Dies verhindert freilich ein allzu schlagkräftiges Auftreten „der Frauen“ in der FDP als geschlossene Formation. Die Vorfeldorganisation der „Liberalen Frauen“ ist zwar existent, jedoch nicht prominent zu hören, und erst gar nicht in wichtigen Positionen der Partei vertreten.

Frauen sind kein Image-Thema

Dass trotz einiger prominenter Führungspersonen die Partei zwar weitaus weiblicher scheint als sie ist, hängt mit dem von der FDP als so wichtig erachteten neuen „Image“ der Partei zusammen. Doch es zeigen sich hier einmal mehr die Begrenztheit der Reichweite von Marketingstrategien und der auf Umfragen basierten „Performance“ einer Partei. Innerparteiliche Reformprozesse bedürfen weitaus mehr Zeit und substantieller Arbeit. Weil die Partei vor der Krise 2013 wenig profilierte Frauen hatte, konnten keine bekannten über die Partei hinaus strahlenden weiblichen Gesichter diese ersetzen.

In der neuen FDP-Arbeitsgruppe wird über den Gebrauch genderneutraler Sprache nachgedacht. Dies scheint für eine Partei, in der auch lange mittelständisches Machotum und Altherrenwitz zu Hause waren, ein großer Schritt, lässt aber auch entsprechende kritische Diskussionen in der Partei erwarten. Auch diese werden manche Frau abschrecken, in die Partei einzutreten. Hinzu kommt, dass der Frauenanteil bei den Kreisvorsitzenden bei noch geringeren 15,8 Prozent liegt. Eine weibliche Vitalisierung der Partei kann jedoch nur „von unten“, beginnend von der Basis her, gelingen. Dort sind die Bedingungen aber noch einmal weitaus schwieriger.

So zeigt sich: Die FDP hat schon lange mit diesem Problem zu kämpfen und es lässt sich nicht leicht beheben. Das Schlimmste, was die FDP in dieser Situation nun tun könnte, ist, diese Diskussion zu einem „Image-Thema“ verkommen lassen. Das Schicksal vieler parteiinternen Arbeitsgruppen ist bekanntlich, dass ihre Ergebnisse niemals umgesetzt werden. Es sollte daher der FDP daran gelegen sein, dieses Thema nicht nur zu nutzen, um aus dem Jamaika-Loch herauszukommen, sondern auch, um sich endlich mit den parteikulturellen Widerständen zu beschäftigen. Die potentiellen Wählerinnen werden es registrieren, wie ernsthaft die Partei dieses Thema angeht.

 Vom Autor ist kürzlich in Kooperation mit der Otto-Brenner-Stiftung eine Studie zur Lindner-FDP erschienen. 

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