Facebook, Apple, Google und Amazon - „Unternehmen dort besteuern, wo sie Geld verdienen“

Die EU-Kommission will Digitalkonzerne wie Facebook, Apple, Google und Amazon mit einer neuen Steuer belegen. Dagegen wehren sich vor allem kleinere Mitgliedstaaten. Die Steuer könnte trotzdem kommen, sagt Sven Giegold, Abgeordneter der Grünen im Europaparlament

Facebook, Apple, Google und Amazon: Die digitalen Großkonzerne sollen Steuern zahlen / picture alliance
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Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Herr Giegold, Sie setzen sich seit vielen Jahren für eine gemeinsame europäische Steuerpolitik ein. Am heutigen Mittwoch hat die EU-Kommission ihre Pläne vorgestellt, wonach insbesondere digitale Großkonzerne wie Apple oder Amazon ihre Steuern nicht mehr nur an ihrem Sitz zahlen sollen. Dafür sollen diese eine neue Umsatzsteuer in dem Land zahlen, in dem ihr Umsatz entsteht. Werten Sie das als Erfolg?
Das ist tatsächlich ein weiterer großer Schritt im Kampf der Europäischen Union gegen das Steuerdumping. Die Pläne werden zu fairen Wettbewerb beitragen, weil künftig lokale Unternehmen nicht mehr so stark benachteiligt werden gegenüber digitalen Unternehmen. Bislang besteht etwa zwischen Amazon mit einem Sitz in Luxemburg und einem lokalen Buchhändler in Deutschland kein gerechter Wettbewerb. Das widerspricht der Idee der sozialen Marktwirtschaft. Die Buchhandlung erzielt ihren Gewinn vor allem dort, wo ihre Kunden sind und wo ihr Laden steht. Bei komplexen transnationalen Unternehmen kann dies auseinanderfallen. Das bedeutet regelmäßig eine extreme Unterbesteuerung vieler großer Digitalkonzerne.

Wie viel gemeinsame Steuerpolitik bedeutet so eine allgemeine Umsatzsteuer?
Es ist eine gute Lösung, wenngleich nur die zweitbeste. Denn letztlich wird dadurch eine Art Sondersteuer-Regime errichtet für das Erbringen von Dienstleistungen im digitalen Raum. Es wäre natürlich viel sinnvoller, wenn es endlich ein gemeinsames EU-weites Unternehmenssteuerrecht gäbe. Das ist aber aufgrund des Widerstandes europäischer Steueroasen einerseits und europasketisch gesinnter Regierungen andererseits nicht möglich. Von daher ist der jetzige Vorschlag der EU-Kommission tatsächlich eine gute zweitbeste Lösung.

Worin besteht ihrer Meinung nach der Hauptvorteil?
Es handelt sich um sehr komplexe und detaillierte Pläne. Das Grundprinzip aber bedeutet, dass eine Umsatzsteuer alle Einkünfte im digitalen Raum besteuert. Es wird also eine Art Ausgleich geschaffen dafür, dass sich Unternehmen für ihre Gewinne faktisch den günstigsten Steuerstandort in der EU aussuchen können.

Sven Giegold

In der Diskussion kursiert immer wieder der Begriff einer Google-Steuer. Geht es nur gegen die Großen?
Nach den Plänen der Kommission müssen die betroffenen Unternehmen einen Mindestumsatz von 750 Millionen Euro pro Jahr haben. Das heißt, kleine Unternehmen sind von den Plänen nicht betroffen. Das ist auch richtig, denn wir wollen ja gerade digitale Start-Ups stärken und nicht belasten. Insofern, wird anders als viele Kritiker behaupten, keine neue Mega-Bürokratie geschaffen.

Der EU-Kommission wurde immer wieder vorgeworfen, eine nachhaltige Besteuerung der Digitalunternehmen nur halbherzig anzugehen. Teilen Sie diese Auffassung?
Von mir haben Sie keinen solchen Vorwurf an die EU-Kommission gehört. Zunächst hat die Brüsseler Behörde versucht, auf internationaler Ebene eine Einigung zur Besteuerung digitaler Unternehmen zu befördern. Erst jetzt schlägt sie eine europäische Lösung vor. Überhaupt gilt, dass die EU-Kommission seit einigen Jahren den Kampf gegen das Steuerdumping vorantreibt, und das begrüße ich.

Einige Mitgliedsländer, die von Steuerdumping profitieren, wie Luxemburg, Irland und einige mehr, wehren sich gegen den Verlust ihres Geschäftsmodells.
Sicher muss man befürchten, dass diese Länder von den Vorschlägen wenig halten. Alle Mitgliedsländer neigen dazu, Europa schwach machen zu wollen, weil sie nationale Egoismen höher stellen, als die gesamteuropäische Stärke. Tatsächlich existiert im digitalen Bereich mit transnational operierenden Superunternehmen keine nationale Souveränität mehr. Wir müssen unbedingt die langfristigen Interessen Europas stärken, statt vor allem auf kurzfristige nationale Vorteile schauen. Auch Deutschland kennt das nur zu gut: Der schädliche Einfluss der Automobillobby über die Bundesregierung gegen zukunftsorientierte EU-Regeln für eine saubere und innovative Mobilität spricht Bände.

Wahrscheinlich werden eben diese Länder den Gesetzesvorschlag der Europäischen Kommission im Rat der Mitgliedsländer scheitern lassen.
In der Tat müssen alle 28 Mitgliedsländer den Vorschlag der EU-Kommission einstimmig beschließen. Da es sich um einen steuerpolitischen Vorschlag handelt, kann das Europaparlament außerdem nur beratend teilnehmen. Die Steuerpolitik ist einer der letzten ganz wenigen Bereiche, in denen das Europaparlament nur sehr beschränkte Mitwirkungsrechte hat. Das ist auch der Grund, warum das Steuerdumping so lange angehalten hat.

Also können die digitalen Großkonzernen aufatmen, weil die Pläne ohnehin nicht durchkommen?
Die EU-Kommission hat in diesem Fall einen Ausweg. Wenn einzelne Mitgliedsländer den Gesetzesvorschlag blockieren sollten, so fordern wir Grünen es, muss dieser Vorschlag von einem Einstimmigkeits- in ein Mehrheitverfahren überführt werden. Dies ist möglich, wenn es sich um starke Marktverzerrungen handelt, die es zu bekämpfen gilt. Deshalb besteht die reale Chance, das Problem endlich zu lösen, statt nur wieder in die Röhre zu gucken.

Bröckelt damit allmählich die Macht der digitalen Giganten durch derartige Regulierungen?
Die Wirtschaftsgeschichte zeigt: Wer übermäßige wirtschaftliche Macht auf sich vereint, der gehört reguliert. Denken Sie an die Abzocke, die wir im Bereich der Telekommunikation hatten. Das völlig überteuerte Roaming haben wir durch Regulierung behoben. Genau das brauchen wir auch für Digitalkonzerne. Wir brauchen eine europäische digitale Regulierungsbehörde, damit Verbraucher und andere Unternehmen nicht mehr abgezockt werden.

Ein Beispiel dafür sind Hotelbuchungsplattformen. Die sind einerseits eine tolle Sache, weil kleine Hotels hier eine Marketingmöglichkeit bekommen. Wenn aber andererseits die kleinen Hotels Gebühren von 15 Prozent ihres Umsatzes an eine Plattform für deren Vermittlungstätigkeit abtreten müssen, werden die eigenen Gewinnmargen aufgefressen. Durch die Monopolartigkeit der Plattformen haben solche Hotels aber gar keine Chance, sich dem zu entziehen. Sonst sind sie weg vom Fenster. Mithilfe einer digitalen Aufsichtsbehörde könnten da Grenzen gesetzt werden. Auch der jetzige Datenskandal bei Facebook zeigt uns ein weiteres Mal, dass wir diese Dinge nicht sich selbst überlassen dürfen und können. Das schädigt unsere Demokratien.

Kann das nicht der Markt regeln?
Nicht ausschließlich. Aber ja, zum Glück gibt es aber auch immer wieder neue technische Entwicklungen, welche die bisherigen Monopolisten herausfordern und somit für Veränderung sorgen werden. Nokia war einst sehr bedeutend für unsere Telekommunikation. Heute spricht keiner mehr von dem Hersteller. Insofern trägt auch der Markt dazu bei, dass Marktmacht nicht ins Unendliche immer weiter steigt.

Bezügliche der aktuellen Zoll-Auseinandersetzungen zwischen den USA und der EU, wird die US-amerikanische Regierung eine neue Besteuerung seiner Digitalkonzerne in Europa kaum erfreuen, oder?
Mein Grundgefühl dazu ist, dass Donald Trump für Schwäche keinerlei Respekt hat. Wir können die eigene Politik sauber begründen. Denn die Pläne zur Besteuerung von Digitalunternehmen richten sich nicht gegen die USA, sondern auf fairen Wettbewerb. Es sind ja zunächst einmal europäische Staaten, die das Steuerdumping ermöglicht haben und nicht ein zu lasches amerikanisches Steuerrecht. Wir können uns das nicht mehr länger anschauen. Sicher wird das Donald Trump nicht freuen. Ihn werden wir aber ohnehin nicht beruhigen. Denn ich glaube nicht, dass er bei Aluminium und Stahl Halt machen wird, egal ob wir nun Apple besteuern oder nicht. Vielmehr müssen wir uns mit unseren Partnern auch in den Schwellenländern zusammen tun und unsere Beziehungen, die auf multilateralen Handelsabkommen basieren, festigen. Sonst wird Trump mit seiner protektionistischen und einseitigen Politik immer weiter machen.

Wenn die Steuervorteile für digitale Großkonzerne innerhalb der EU künftig wegfallen, besteht dann nicht die Gefahr, dass gerade solche Konzerne aus Europa abwandern?
Es mag natürlich sein dass kleinere EU-Staaten, die bislang kleine Dependancen solcher Digitalkonzerne aufgrund von attraktiven Steuermodellen beheimaten konnten, diese verlieren. Dafür müssen wir auch darüber reden, wie man solchen Ländern beim Übergang helfen kann. Dennoch wird es den Unternehmen nicht helfen, dann außerhalb der Europäischen Union einen Sitz anzumelden. Denn die Pläne der EU-Kommission zielen ja gerade darauf ab, den Umsatz der Unternehmen dort zu besteuern, wo dieser anfällt. Also in Europa.

Sven Giegold ist Abgeordneter im Europaparlament für die Grünen und Mitglied im Sonderausschuss zu Finanzkriminalität, Steuerhinterziehung und Steuervermeidung

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