Diesel-Fahrverbote - Die Autobauer gefährden unsere Zukunft

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass Diesel-Fahrverbote rechtlich zulässig sind. Die nun drohende Enteignung der Autofahrer haben besonders die Hersteller zu verantworten. Wenn Politiker jetzt nicht handeln, wird das ganze Land Schaden nehmen

Luftreinhaltung durch Fahrverbote wird erlaubt / picture alliance
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Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Ein bisschen klang es immer wie ein deutsches Auto-Wirtschaftswunder. Rekordgewinne bei Daimler, Volkswagen und auch Audi, Porsche und BMW mussten im vergangenen Jahr nicht über schlechten Absatz klagen. Alle großen Hersteller melden Absatzsteigerungen – trotz Dieselskandal. Vor nunmehr zwei Jahren sind die Abgastricks von Volkswagen in den USA ruchbar geworden. Vor wenigen Tagen meldete auch der angebliche Saubermann BMW, umstrittene Abschalteinrichtungen in vielen Fahrzeugen zu verwenden. Die Chefs der deutschen Autobauer und ihre Aktionäre durften sich zunächst freuen, ihre Autos schienen einfach zu stark, zu gut und zu überzeugend zu sein, als dass ihnen dieses vermeintliche Abgas-Skandälchen etwas anhaben könnte.

Doch jetzt hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entschieden: Fahrverbote sind rechtlich zulässig und können somit in die sogenannten Luftreinhaltungspläne der Städte Stuttgart und Düsseldorf aufgenommen werden. Ein Signal für alle Städte, die von zu hohen Stickoxidwerten betroffen sind, darunter auch München, Köln, Hamburg – insgesamt aber mindestens 37. Beschränkte Fahrverbote für bestimmte Dieselfahrzeuge sind rechtlich und tatsächlich also nicht ausgeschlossen. Die Grenzwerte, die von der EU und auch von Deutschland selbst mitbeschlossen wurden, müssen zwingend eingehalten werden.

Nun könnte mancher auf die Idee kommen, etwa die Richter oder die klagende Deutsche Umwelthilfe oder die EU mit ihren strengen Grenzwerten dafür verantwortlich zu machen, dass der eigene Diesel nun noch mehr an Wert verlieren wird. Und auch dafür, dass man künftig nicht mehr mit dem Auto in bestimmte Bereiche der Innenstädte fahren kann.

Schuld sind vor allem die Autobauer

Doch wer sich nun künftig über nun mögliche Fahrverbote aufregt, sollte seine Empörung stattdessen gegen die Autobauer richten. Denn die haben ihre eigenen Kunden getäuscht. Dabei wäre es so einfach, die Verbote zu verhindern. Die Autohersteller müssten ihre Autos (auch die bereits verkauften) einfach so sauber ausrüsten, wie sie es technisch können.

Wie das geht, hat erst vor wenigen Tagen der naturgemäß nicht als extrem Autokonzern-kritisch geltende ADAC gezeigt: Ein Umbau etwa eines VW Passats würde dazu führen, dass der Stickoxid-Ausstoß zum 90 Prozent verringert wird. Die Kosten für den Umbau in Serie werden inzwischen auf 1000 bis 2000 Euro geschätzt. Es ist also bewiesen: Die Hersteller könnten nachrüsten, sie wollen es aber nicht.

Ein Gieren nach kurzfristigem Gewinn

Es ist nur verständlich, dass die Autobauer lieber neue Autos verkaufen. Infolge einer Umrüstung entstünden erstens Kosten, zweitens würden weniger neue Autos verkauft. Die Bilanz wäre in Gefahr. Und ja, mehr Absatz, mehr Gewinn, das sichert auch Arbeitsplätze und verhindert, dass die Aktionäre nicht auf die Barrikaden gehen.

Aber es ist endlich an der Zeit, dass sich die deutschen Autohersteller und maßgeblich ihre CEOs nicht nur ihrer Aktionärsverantwortung stellen, sondern auch ihrer gesellschaftlichen Verantwortung. Denn die Autobauer gefährden unsere Zukunft. Es geht um die Autofahrer. Die werden enteignet und es trifft besonders jene, die sich ihr Auto mühsam ansparen müssen. Es geht jährlich um mindestens 6000 Menschen, die, bewiesen durch epidemiologische Studien, an den Folgen der Stickoxidvergiftungen sterben. Es geht um die Zukunft eines unserer wichtigsten Industriezweige. Wir brauchen endlich mehr als nur ein paar Zehntausend Elektrofahrzeuge auf den Straßen und endlich weniger als inzwischen mehrere Millionen SUVs, die nicht nur als Diesel, sondern auch als Benziner mit CO2-Ausstoß schaden.

Die Verantwortung der Politik

Freilich muss es jedem Unternehmen überlassen bleiben, was es baut und jedem Kunden, was er kauft. Aber die Politik könnte über eine Kraftfahrzeugsteuer, die endlich deutlicher an Verbrauch, Größe und Schadstoffen orientiert sein müsste, zumindest die Anreize für ein Umdenken schaffen.

Es muss endlich Schluss sein mit einem nur am Jetzt orientieren Gewinn-Denken und den Jetzt-Arbeitsplätzen. Die Automatisierung schreitet unweigerlich voran und es muss deshalb allen um die Zukunft des Autolands Deutschland gehen. Das sollten auch die Bundesregierung, die Landesregierungen und die Kommunen endlich erkennen. Alle Klagen gegen Kommunen wegen überschrittener Grenzwerte haben nun Aussicht auf Erfolg. Die Fahrverbote müssten dann umgesetzt werden. Nur wie? Es wird kaum möglich sein, einzelne Straßen zu sperren und dann wiederum Ausnahmen für städtische Müllabfuhr oder kleine Handwerksbetriebe einzuführen. Das wäre eine bürokratische Farce, die zusätzlich Steuergelder verschlänge.

Eine blaue Plakette muss dringend her und die Halter derjenigen Fahrzeuge, die sie wegen Täuschung der Unternehmen nicht bekommen, brauchen ein Recht auf kostenlose Umrüstung mit Ad-Blue-Technologie. Es braucht Elektroinfrastruktur in den Städten. Und es braucht besseren Öffentlichen Personennahverkehr, ob nun „umsonst“ oder nicht. Es braucht viel – vor allem endlich auch politischen Mut.

Hinweis: Sind Sie betroffen? Die wichtigsten Antworten zum jetzigen Urteil für Dieselbesitzer hat die Stiftung Warentest zusammengestellt.

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